Jahrelang stritt man über Feuer und Sicherheit auf dem Munot. Jetzt muss die Munotwächterin plötzlich einen Teil der Festung künstlich befeuchten. Was ist auf dem Emmersberg nur los?
Bis tief in die Nacht hinein behütete der Munotwächter einst Stadt und Volk und hielt Ausschau: nach Feind, Feuer und unscheinbaren Frachtschiffen. Beim ersten Anzeichen von Gefahr schlug er Alarm. Die Pflichten des Wächters: schon damals ein Widerstand gegen die Launen von Mensch und Natur.
Immerhin das hat sich in über 400 Jahren nicht verändert: Noch heute ist die Munotwächterin die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen die vier Elemente. Nur trägt sie dafür heute eine Rückenspritze. Und bekämpft damit – man muss sagen: zum Glück – kein Feuer, sondern die Trockenheit der Reitschnecke.
Im Grunde geht es um eine klassische Verschlimmbesserung. Vom Regen in die Traufe quasi. Angefangen hat alles mit den erbarmungslosen Elementen, die am Munot nagten: Der Belag auf der Munotzinne war undicht, Regenwasser drang durch das Gestein hinunter ins Gewölbe. Öffnungen an der Westseite des Baus, die dem beissenden Wind ausgesetzt ist, liessen noch mehr vom kalten Nass hinein.
2022 nahm die Stadt das Problem in die Hand: Sie investierte 110 000 Franken in eine Machbarkeitsstudie, danach weitere 1,3 Millionen Franken, um die Munotzinne und die zweite Problemzone, die Reitschnecke, zu sanieren. In diesem Frühling wurden die Arbeiten abgeschlossen. Doch die Tropfen tropften weiter.
Die Tropfnasen fehlen!
«Im Verlauf des Sommers nahm das Tropfen wieder leicht zu», antwortete die Stadt kürzlich auf eine Kleine Anfrage von SVP-Grossstadtrat Thomas Stamm. Das «konstante Tropfwasservolumen», wofür die Sanierung überhaupt erst gedacht war, ebbte nicht ab, und Stamm – der auch im Vorstand des Munotvereins sitzt – verlangte Antworten. Schuld am Feuchteln sei, so schreibt die Stadt, allerlei: das Phänomen der Kondensation, ein versalzener, hygroskopischer Betonboden, die Lichtschächte über der Kasematte. Und nicht zuletzt würden den Lichtschächten sogenannte «Tropfnasen» fehlen, die das Wasser ableiten sollten.
Nur: Während in der Kasematte also alles dafür getan wird, das Wasser draussen zu halten, sind in der Reitschnecke seit der Sanierung ganz andere, gar gegenteilige Efforts nötig. Sie muss künstlich feucht gehalten werden. Denn: «Eine ungebundene Pflästerung mit Brechsand benötigt für die Festigkeit der Fugen eine gewisse Feuchtigkeit», schreibt die Stadt in ihrer Antwort. «Bei längeren Trockenperioden neigt der Sand dazu, sich zu lockern und auszusanden. Da die Reitschnecke nicht der natürlichen Witterung ausgesetzt ist, muss diese Befeuchtung manuell erfolgen.»
Die Reitschnecke, mit ihren historischen Flusssteinen auf einem Sandbett, gehört zum Munot wie das abendliche Bimmeln zum Turm. Diese Überzeugung hat den Verantwortlichen in den vergangenen Jahren immer wieder Schweissperlen auf die Stirn getrieben.
Die kantonale Feuerpolizei kam einst zum Schluss: Die Munotzinne sollte aus Sicherheitsgründen eigentlich nur mehr für 500 Personen zugänglich sein. Grund war die nur 1,7 Meter breite Reitschnecke – der einzige Ausweg im Falle eines Notfalls. Die Stadt und der Munotverein mussten deshalb zuletzt ein neues Sicherheitskonzept erarbeiten. Denn die jährlichen, feucht-fröhlichen Feste und Bälle drohten, mit diesem Verdikt trockengelegt zu werden.
Das Ergebnis: Auf der Zinne ziehen bei Grossveranstaltungen Wellenbrecher und Sicherheitspersonal ein. Die Schnecke bleibt, bis zu 1400 Gäste sind zulässig, wie man zufrieden bekannt gab. Eine skurrile Nebenepisode des Ganzen: Man bot zur Lösung des Problems einen Steinmetz auf, der alle ausgebrochenen Steine in der Reitschnecke ersetzte und die rutschigen Exemplare von Hand wieder anrauhte. Da ist er wieder, der Kampf mit den Elementen.
Eine Stunde mit der Rückenspritze
Das Befeuchten ebendieser Reitschnecke, genauso wie das Inschusshalten der Flusssteine und Sandfugen, zählt also seit dem Frühling zu den Pflichten der neuen Munotwächterin. Wöchentlich ist sie mit einer Rückenspritze unterwegs. Sie tut dies mit einem Arbeitsaufwand von rund 45 bis 60 Minuten – und ausserhalb der betriebsüblichen Öffnungszeiten des Munots, um die Besucher:innen der Attraktion nicht der Rutschgefahr auszusetzen.
Die Stadt versichert in ihrem trockenen, bürokratischen Ton: «Die Einsandung wird periodisch durch Fachleute geprüft und allfällige Anpassungen im Fugen- und Unterhaltskonzept in Erwägung gezogen, sollte dies nötig sein.» So oder so: Es wird noch viel Wasser den Munot hinunterfliessen.
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