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«Es gab nichts zu entscheiden»

Der Schaffhauser Gesundheitsdirektor Marcel Montanari. Foto: Robin Kohler

Der Schaffhauser Gesundheitsdirektor Marcel Montanari. Foto: Robin Kohler

Schaffhausen hat als erster Kanton seine Brustkrebs-Vorsorge sistiert und sorgte
damit für Empörung. Gesundheitsdirektor Marcel Montanari nimmt Stellung.

Vergangene Woche löste eine Mitteilung des Schaffhauser Departements des Innern schweizweit Schlagzeilen aus: Der Start der Brustkrebsvorsorge solle vorerst auf Eis gelegt werden. Ein kurzer Rückblick: Der Regierungsrat hat zum 1. Juli 2024 eine Leistungsvereinbarung mit der Krebsliga Ostschweiz zur Organisation eines Mammographie-Screenings abgeschlossen, so wie es bereits in den meisten Kantonen besteht. Dadurch hätten sich Frauen ab 50 Jahren neu alle zwei Jahre praktisch kostenfrei auf Anzeichen von Brustkrebs untersuchen lassen können. Denn dieser ist nach wie vor die häufigste und tödlichste Krebsart von Frauen in der Schweiz.

Der Start des Screening-Programms stand in Schaffhausen unmittelbar bevor. Demnächst wäre ein erster Teil der Frauen im Alter zwischen 50 und 74 angeschrieben und für einen Mammographie-Termin aufgeboten worden. Ab Oktober hätten sie sich untersuchen lassen können. Doch daraus wird nun nichts. Als erster Schweizer Kanton gab Schaffhausen seinen Plan auf. Das sorgte für grosse Empörung: Innert 24 Stunden unterschrieben über 5000 Personen eine Petition der SP gegen den Entscheid, mittlerweile sind es über 10 000 Unterschriften aus allen politischen Spektren bis in die SVP.

Der öffentliche Druck ist gross. Gesundheitsdirektor Marcel Montanari meldet sich aus den Ferien zurück und erklärt sich im Telefongespräch.

Marcel Montanari, Schaffhausen kommt als erster Kanton vom Start seines Brustkrebs-Früherkennungsprogramms ab. Wie kam es zum Entscheid?

Marcel Montanari Ausgangspunkt ist der Wechsel des Tarifsystems auf Bundesebene. Ab Januar 2026 werden – gemäss aktuellem Stand – die Mammographie-Screenings von den Krankenkassen reduziert vergütet. Das ist vor allem für die Krebsliga Ostschweiz, mit der wir zusammenarbeiten, ein Problem: Sie kann mit den gekürzten Beiträgen ihr Screening-Programm «donna» nicht mehr finanzieren, das wir in Schaffhausen auch einführen wollten.
Die Krebsliga hat uns und anderen Kantonen deshalb auf Ende dieses Jahres den Vertrag gekündigt. Alle beteiligten Partner – die Krebsliga Ostschweiz, der Kanton Schaffhausen und die Spitäler Schaffhausen – waren sich einig, dass es keinen Sinn macht, in den verbleibenden Monaten ein Programm aufzuziehen, dessen Finanzierung ab dem neuen Jahr nicht gesichert ist.

Haben Sie diesen Entscheid im Gesamtregierungsrat gefällt?

Nein, bis jetzt haben wir ja nur die Kündigung der Krebsliga erhalten und entgegengenommen. Wenn sich mögliche Lösungen abzeichnen, werden wir diese im Gesamtregierungsrat besprechen.

Die Kündigung der Krebsliga ist also Ende Juni beim Gesundheitsamt hereingeflattert und die Sistierung des Programmes war nur die logische Folge davon. So Ihr Standpunkt, richtig?

Genau, ja.

Hätte die Krebsliga Ihrer Meinung nach anders vorgehen müssen?

Wir bedauern sehr, dass die Krebsliga uns gekündigt hat, aber ich kann ihr keinen Vorwurf machen. Sie ist konfrontiert mit dem neuen Tarifsystem und dadurch effektiv in einer anspruchsvollen Situation. Durch die sechsmonatige Kündigungsfrist kam sie unter Zeitdruck und musste uns Ende Juni kündigen, weil ihre finanzielle Situation ab dem neuen Jahr ungeklärt ist.
Wir hätten das Programm «donna» gerne mit ihr gestartet und wären auch weiterhin an einer Zusammenarbeit interessiert.

«Wir haben uns für eine transparente Kommunikation entschieden.»

Marcel Montanari

Wäre der Regierungsrat bereit, den fehlenden Betrag vorübergehend aus Kantonskasse zu finanzieren?

Laut ersten Einschätzungen des Schaffhauser Kantonsarztes fehlen mindestens 250 000 Franken.
Den Betrag kann ich noch nicht bestätigen. Wir sind offen, verschiedene Varianten zu prüfen und allenfalls einen grösseren Beitrag auf Kantonskosten zu beantragen.
Das Ziel ist, dass wir das Screening einführen können. Das haben wir auch in unserer Medienmitteilung geschrieben.

Das Problem der Vergütung hat sich schon länger abgezeichnet. Wieso konnten Sie mit der Krebsliga nicht rechtzeitig und vorausschauend in Verhandlung treten und ihr den fehlenden Betrag in Aussicht stellen?

Dafür wurden wir zu kurzfristig von der Krebsliga informiert. Es kommt auch darauf an, was die anderen Kantone machen, die mit dem Programm «donna» zusammenarbeiten und ob die Krebsliga dieses ab nächstem Jahr überhaupt weiterführen kann.

In Glarus ist der Fall gleich gelagert wie in Schaffhausen, auch dort war der Start eines Früherkennungsprogramms mit der Krebsliga Ostschweiz auf Januar 2026 geplant. Dort teilt der Kanton mit, man müsse nun über die Bücher, der definitive Entscheid über die Weiterführung des Programmes sei noch nicht gefallen.

Ich weiss nicht, in welcher Phase sich Glarus befindet.

Kantonsratsmitglieder von der SP bis zur SVP kritisieren, der Regierungsrat hätte mit der Entscheidung keinen Alleingang machen dürfen, sondern hätte die Gesundheitskommission miteinbeziehen sollen.

Sobald wir eine Vorlage haben, die wir in die Gesundheitskommission bringen können, machen wir das gerne. Doch zum jetzigen Zeitpunkt gab es noch nichts zu entscheiden.

In der Bevölkerung hat die Mitteilung des Departements des Innern Empörung ausgelöst. Es entstand der Eindruck, dass der Regierungsrat das Programm nun einfach aufgeben will wegen eines vergleichsweise läppischen fehlenden Geldbetrages.

Wir haben uns für eine frühzeitige und transparente Kommunikation entschieden. Und das bedeutet, dass man die Öffentlichkeit bereits in einer Situation informiert, in der man vielleicht noch keine Lösung präsentieren kann, sondern noch verschiedene Wege prüft. Ich finde das nach wir vor richtig.

Sie wollten also nicht suggerieren, man habe die Brustkrebsvorsorge salopp vertagt – sondern dass man im Hintergrund an Lösungen arbeite?

Ja.

Warum haben Sie das nicht deutlicher gemacht?

Wir haben in unserer Medienmitteilung klar festgehalten, dass alle beteiligten Partner sich weiter dafür einsetzen, das Mammographie-Screening im Kanton Schaffhausen etablieren zu können und dass wir verschiedene Varianten prüfen werden.

Was passiert als nächstes?

Jetzt finden auf verschiedenen Ebenen Gespräche statt. Ich hoffe, dass wir eine Lösung finden, wo die Krankenversicherer einen grösseren Teil beitragen. Wenn das nicht möglich ist, müssen wir andere Varianten prüfen. Wir sind bei der Organisation der Brustkrebsvorsorge auf Partner angewiesen und müssen schauen, welche Angebote es ab Januar noch gibt und zu welchen Bedingungen.
Auf dieser Grundlage können wir eine Vorlage an den Kantonsrat ausarbeiten. Ich gehe davon aus, dass der Betrag so hoch sein wird, dass das Parlament darüber bestimmen muss.

Das kann der Regierungsrat doch auch von sich aus mit dem Budget 2026 vorschlagen.

Wenn wir bald genug Gewissheit über eine neue Leistungsvereinbarung haben, schliesse ich das grundsätzlich nicht aus.

Sind Sie zuversichtlich, dass es in Schaffhausen bald vorsorgliche Brustkrebs-Screenings geben wird?

Dass es die Screenings geben wird, da bin ich sehr zuversichtlich. Ich kann aber nicht sagen, mit welchem Partner und wann sie starten. Ich weiss nicht, wie viele Hürden wir noch nehmen müssen.

Einen Zeithorizont können Sie also noch nicht abschätzen.

In der jetzigen Phase ist es noch zu früh dafür.

Die Schaffhauser SP und die Juso fingen die breite Empörung in der Bevölkerung nach der Sistierung des Programms mit einer Petition auf. «Für viele Leute geht es beim Brustkrebs-Screening um ein sehr persönliches und emotionales Thema», sagt Leonie Altorfer, Juso-Co-Präsidentin und Kantonsrätin. «Wieder spart man bei der Frauengesundheit. Es herrscht ein grosses Unverständnis darüber, dass man das Programm wegen eines vergleichsweise kleinen fehlenden Geldbetrags einfach sistiert, und das im reichen Kanton Schaffhausen».
Altorfer kritisiert die Reaktion und die Kommunikation des Departements des Innern: «Ich habe den Eindruck, dass man das Thema nicht ernst genug nimmt und dass es nicht oberste Priorität hat. Sonst hätte das Gesundheitsdepartement in der Mitteilung über die Sistierung des Programmes andere Worte gewählt. Es wird nichts Konkretes in Aussicht gestellt. Das Ganze wirkt eher wie eine Randnotiz.» Nicht mal der Gesamtregierungsrat habe bisher über die Angelegenheit befunden. «Ich hätte mir gewünscht, dass man kreativ wird und nicht so einen Schnellschuss macht». Schliesslich ringe die Politik schon seit Jahren um ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm. Die SP und die Juso haben ein Postulat aufgesetzt, um Druck in die Sache zu bringen.
Auch SVP-Kantonsrat Markus Müller ist verärgert. Er hat umgehend eine gepfefferte kleine Anfrage an den Regierungsrat eingereicht, in der er wissen will, wieso Schaffhausen mit der Sistierung des Programmes so vorprescht und dadurch Frauen einer Gefahr aussetzt. «Das ist ein totales Fehlverhalten der Verantwortlichen im Departement des Innern», sagt Markus Müller gegenüber der AZ.
Er habe die Petition der SP sofort unterschrieben und werde auch ihr Postulat unterstützen. «Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun, jede und jeder hat eine Direktbetroffene im eigenen Umfeld.»

Die Krebsliga Ostschweiz organisiert mit ihrem Programm «donna» die Mammographie-Screenings in den meisten Ostschweizer Kantonen.
Durch die Vorsorge steigt die Chance, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen, Chemotherapien und Brustamputationen zu vermeiden und auf eine Heilung hinzuwirken. Das zeigen die Zahlen aus den Kantonen.
Und so war es auch für Schaffhausen geplant: Die Vorbereitungen für das Programm «donna» liefen, der Start war auf Herbst dieses Jahres angesetzt. Doch mit den neuen Tarifen ab 2026 – der Krankenkassenbeitrag sinkt von rund 168 Franken pro Untersuchung auf knapp 75 Franken – sei das Programm nicht mehr durchführbar. Das sagt Rudolf Morant, Präsident der Krebsliga Ostschweiz, gegenüber der AZ. «Eine Lösung gibt es noch nicht und die Krankenkassen haben uns die alten Verträge im Juni auf Ende Jahr gekündet.» Deshalb habe man notgedrungen sofort die Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen auflösen müssen, um die sechsmonatige Kündigungsfrist einhalten zu können. Darunter auch den Vertrag mit Schaffhausen.
Morants Meinung nach hat der Kanton Schaffhausen daraufhin alles richtig gemacht: «Schaffhausen hatte keine andere Wahl, als den Start des Programms zu verschieben, bis die Finanzierung gesichert ist», sagt er.
Die grosse mediale Aufmerksamkeit habe nun schon viel bewirkt, so Rudolf Morant: «Ende Juli finden jetzt Gespräche zwischen den Dachverbänden der Krankenkassen und den Screening-Anbietern statt. Dort geht es um die Zukunft der Screening-Programme».
Natürlich sei es willkommen, wenn die Kantone die fehlenden Beträge selbst finanzieren würden, eigentlich sehe er aber die Krankenkassen in der Pflicht.


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