Martin Ebner – Der Profi

13. November 2024, Kevin Brühlmann
Martin Ebner auf Mallorca, Frühling 2016. © Rémy Steiner Photography GmbH

Martin Ebner – Börsenakrobat, «Ritter des Shareholder Value» und Freund von Christoph Blocher – kauft die Sparte Maschinenbau von Georg Fischer. Der Konzern wird radikal umgebaut. Die logische Entwicklung in einer Ära, die Martin Ebner bestimmte.

«Mit einem komischen Gefühl stellte ich fest, dass man mit der Bewirtschaftung seiner Finanzen viel mehr verdienen kann als mit seriöser handwerklicher oder, in meinem Fall, medizinischer Arbeit.»
– Toni Ebner, Arzt, Ehrenpräsident des FC Freienbach und Bruder von Martin Ebner

Wenn es noch so ist, wie die Wirtschaftsmagazine früher bewundernd schrieben, dann lässt Martin Ebner seine vier Mitarbeiter noch heute jeden Tag um acht Uhr früh zum Appell antreten, damit sie ihm Bericht über die neusten Vorgänge an der Börse erstatten. Sein Büro liegt seit bald dreissig Jahren in einem bunkerartigen Haus aus rotem Sichtbackstein, Metall und schalldichten Fensterfronten, durch einen unterirdischen Gang mit dem Büro im Nachbarbunker verbunden. Durch die Fenster sieht man auf den oberen Zürichsee, und an seinem Ufer liefert sich Freienbach, wo Martin Ebners Büro liegt, mit den Nachbardörfern Wollerau und Feusisberg ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den tiefsten Steuersatz der Schweiz für hohe Einkommen.

Nichts an Martin Ebner strahlt Gemütlichkeit aus, am wenigsten seine eisblauen Augen, die immerzu in Alarmbereitschaft scheinen, wie wahrscheinlich auch diese Woche beim Appell, als es hiess: der Aktienkurs des Schaffhauser Traditionsunternehmens Georg Fischer stieg um knapp 16 Prozent.

Dieser Höhenflug entsprach wohl genau dem, was Martin Ebner erwartet hatte. Schliesslich hatte seine Fünf-Mann-Firma gerade die Georg Fischer um die 3400 Angestellte umfassende Abteilung Maschinenbau erleichtert. Er kaufte sie über seine Beteiligungsgesellschaft Patinex für 630 bis 650 Millionen Franken. Ein recht niedriger Preis für eine Abteilung mit einem Umsatz von 900 Millionen Franken, die im Moment zwar wie die ganze Maschinenbaubranche um Aufträge kämpft, aber stabil dasteht, zumal die letzten Jahre ziemlich rentabel waren.

Ein steigender Aktienkurs von GF bedeutet für Martin Ebner einen steigenden Marktwert einer Firma, und auf steigende Marktwerte zu wetten, die steigende Dividenden ermöglichen, ist die Kraft seiner Karriere. Vielleicht donnerte, wie üblich bei ihm, wenn ein Deal in trockenen Tüchern liegt, Beethovens fünfte Sinfonie durchs Büro.

Es gehört zu den gesellschaftlichen Errungenschaften unser Zeit, dass fünf Leute wie bei Ebners Patinex gigantische Vermögensberge verwalten, die Einfluss über unzählige Firmen und zehntausende Arbeitsplätze ausüben. Aktienpakete mit dem Wert mehrerer Milliarden, die einem einzigen Zweck dienen: mehr Gewinn für die Aktionäre. Eine Einsicht, die Martin Ebner wie kaum ein anderer in der Schweiz beliebt machte. Eine Einsicht auch, die nun das Ende von Georg Fischer als traditionelles Industriekonglomerat beschliesst.

Der Ritter des Shareholder Value
In den Achtziger- und Neunzigerjahren eilte Martin Ebner von Firma zu Firma wie ein Wettsüchtiger zur Pferderennbahn und kaufte riesige Aktienpakete. Alusuisse, Roche, Lonza, ABB, Credit Suisse, Nestlé, Schweizerische Bankgesellschaft (heute UBS) oder die Winterthur-Versicherung – Ebners Torpedos, so schrieb die Bilanz einmal, hätten manche Aushängeschilder der Nation beinahe zum Kentern gebracht.

1985 gründete Ebner seine BZ Bank. Sein Geschäftsmodell bestand darin, sehr grosse Summen in sehr wenige grosse Konzerne zu investieren und das Management als Grossaktionär unter Druck zu setzen: um die Dividenden zu erhöhen oder den Aktienkurs weiter hochzutreiben durch Fusionen, Verkäufe, Entlassungen. Die Angestellten bei seinen Käufen kannte er meist nur aus Bilanzen und Geschäftsbüchern. Das Modell hatte Ebner aus den USA importiert, wo er studiert hatte.

Wo immer Martin Ebner hinkam, warf er einen neuen Begriff ein: Shareholder Value. Seiner Überzeugung nach war das oberste Ziel eines Unternehmens, möglichst hohe Erträge an die Aktionäre auszuschütten. Nachdem er ein grosses Paket der Schweizerischen Bankgesellschaft gekauft hatte, der damals zweitgrössten Bank des Landes, legte er sich mit Nikolaus Senn an, dem Verwaltungsratspräsidenten. Ebner hatte höhere Dividenden gefordert, was Senn ablehnte. «Im Gehabe ist Senn ein Sozialist», sagte Ebner. «Das ist ja offensichtlich. Der war ein reiner Umverteiler.»

«Herr Ebner ist eingleisig», erwiderte Nikolaus Senn. «Er ist zu sehr auf Gewinnmaximierung und Shareholder Value eingefahren. Bei ihm dreht sich das ganze Leben nur darum. Kapital ist nicht nur da, um den höchsten Gewinn hinauszudrücken. Kapital ist dazu da, um Arbeit zu beschaffen, um die Volkswirtschaft als Ganzes weiterzubringen. Das andere ist ein rein egoistisches Vorgehen.»
«Der Markt sagt nun mal, zuoberst setzen wir die Rendite, und alles andere muss sich unterordnen», sagte Ebner.

Das Schweizer Fernsehen bezeichnete ihn als «Ritter des Shareholder Value». Der Neuenburger FDP-Nationalrat Claude Frey beschimpfte ihn als «salaud» – als Sauhund. «Sein Verhalten ist anti-schweizerisch», sagte der FDP-Mann. «Ich wäre gern dabei, wenn man ihn an die Grenze stellt. Aber leider hat er einen Schweizer Pass. Für mich ist er ein Totengräber des Liberalismus.» Ebner selber bezeichnete sich als Nonkonformist.

1999, vierzehn Jahre nach der Gründung der eigenen Bank, besassen Martin und seine Frau Rosmarie Ebner ein Vermögen von fast 5 Milliarden Franken. Ihr Imperium verwaltete über 30 Milliarden Franken.

Das Ende einer Ära bei GF
Als Martin Ebner die Sparte Maschinenbau von Georg Fischer kaufte, schrieb ein Analyst der Zürcher Kantonalbank: «Die langjährigen Wünsche der Investoren nach einer Fokussierung werden nun erfüllt.» Auch bei der NZZ war man angetan. «Endlich kein Konglomerat mehr», hiess es. «Georg Fischer erntet Begeisterung für seine Verkaufspläne.»

Das Management des GF-Konzerns verkauft neben dem Maschinenbau auch die letzte übriggebliebene Giesserei-Abteilung, die vor allem Teile aus Leichtmetall für die kriselnde Automobilindustrie produziert. Noch steht der Käufer nicht fest, aber die Konzernleitung geht von einem ausländischen Interessenten aus.

Die Ära als traditionelles Industriekonglomerat ist vorbei: Szene aus der längst geschlossenen GF-Giesserei im Schaffhauser Mühlental. © GF-Archiv

Georg Fischer will nur noch auf eine einzige Sparte setzen: Rohrleitungen (für den Transport von Flüssigkeiten, insbesondere auch Trinkwasser; aber auch um Heiz- und Kühlsysteme zu betreiben). Der Umsatz dieses Bereichs lag letztes Jahr bei 2,2 Milliarden Franken. Gut halb so viel wie der Umsatz des gesamten Konzerns vor den Verkäufen betrug. Die Pläne des GF-Managements sind ehrgeizig: Sie wollen Marktführer im weltweiten Geschäft in der Flüssigkeitshandhabung werden. Bis zum Jahr 2030 soll der Umsatz auf fünf Milliarden Franken gesteigert werden.

Den ersten Schritt zur Spitze hatte Georg Fischer schon im November 2023 gemacht, als er den finnischen Rohrleitungskonzern Uponor schluckte, einen direkten Konkurrenten mit 3600 Angestellten und einem Umsatz von 1,4 Milliarden Franken. Das Problem war allerdings, dass sich GF mit dem Kauf massiv verschuldete. Zwei Milliarden betrug die Nettoverschuldung per Ende Juni 2024. Und in diesem Moment trat Martin Ebner hervor und sicherte sich die GF-Maschinenbausparte. (Auf dem Papier war die Transaktion etwas komplexer: Sie lief über den Berner Industriekonzern United Grinding Group, der Ebners Beteiligungsfirma Patinex gehört.) Die 3400 Arbeitsplätze im Maschinenbau, davon 1400 in der Schweiz, die von GF in Ebners Imperium verschoben werden, sind laut GF-Management nicht bedroht. CEO Andreas Müller sagte zu den Schaffhauser Nachrichten, GF behalte ihren Hauptsitz in Schaffhausen, wo 1100 Angestellte arbeiten.

Georg Fischer ist nun also ein reiner Rohrleitungskonzern. Er ist kein Mischkonzern mehr, der auf verschiedene Branchen setzt. Eine Entwicklung, die die meisten Industriekonzerne wie ABB, Sulzer oder SIG schon lange hinter sich haben.

«In den Neunzigern, als die Börse wichtiger wurde, kam man von Mischkonzernen ab», sagt der Wirtschaftshistoriker Adrian Knöpfli. «Bis dahin galt: Diversifizierung ist die richtige Strategie. Bei einer Krise war ein Konzern so resistenter. Das war auch volkswirtschaftlich gesehen sinnvoll.» Die Konzerne wurden nun in einzelne Gesellschaften unterteilt, deren Erträge man jederzeit überwachen konnte und, je nach Rentabilität, relativ einfach schliessen oder verkaufen konnte.

«Ich nenne es den Börsenterror»: Wirtschaftshistoriker Adrian Knöpfli hat mehrere Bücher zu Schaffhauser Industriekonzernen geschrieben. Archivbild: Peter Pfister

Die Georg Fischer sei bis jetzt ein traditionell geführtes Unternehmen gewesen, sagt Adrian Knöpfli. «Es ist gut möglich, dass Investoren auf einen Verkauf drängten. Ein börsenkotierter Konzern ist auf Investoren angewiesen, auf Kapital. Und die Investoren verlangen einen return on investment. Ich hatte schon viele Gespräche mit CEOs von grossen Unternehmen, die sagten, sie wären gottenfroh, wenn ihr Unternehmen nicht mehr börsenkotiert wäre. Sie sind einem ständigen Druck ausgesetzt. Ich nenne es den Börsenterror.»

«Das Absurde ist», sagt Adrian Knöpfli weiter, «wenn es einem Unternehmen früher gut ging, stieg der Aktienkurs. Wenn es ihm schlecht ging, sank der Aktienkurs. Heute, extrem ausgedrückt, macht eine Firma 15 Prozent Gewinn in einem Quartal, aber die Analysten erwarteten 25 Prozent, und dann sinkt der Aktienkurs. Der Kurs hat sich also von der realen Wirtschaft abgelöst. Alles ist so kurzfristig gedacht. Martin Ebner als Propagandist des Shareholder Value war die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung in der Schweiz.»

Die Zertrümmerung der Alusuisse
Eines seiner gelungensten Kunststücke vollbrachte Martin Ebner beim Industrieunternehmen Alusuisse-Lonza. 1997 wurde Sergio Marchionne neuer CEO des damaligen Schweizer Topkonzerns. Er sagte: «Ich werde alles unternehmen, um den Shareholder-Value zu steigern.»

Sofort biss Martin Ebner an. Er kaufte grosse Aktienpakete. Und er nahm seinen Jugendfreund und Geschäftspartner mit, Christoph Wolfram Blocher, der seit einigen Jahren eine von Ebners Beteiligungsgesellschaften präsidierte. Dafür kassierte Blocher zwischen 1991 und 1996 total 67 Millionen Franken – Bonuszahlungen von mehr als einer Million pro Sitzung, womit Blocher nun ebenfalls Alusuisse-Grossaktionär wurde. Kurz darauf folgte die Übernahme. Ebner und Blocher wurden Präsident und Vize im Verwaltungsrat. Sie übernahmen einen Konzern, der äusserst gut lief. Allerdings überschwemmten russische Firmen gerade die Märkte mit billigem Rohaluminium. Eine Bedrohung für die Alusuisse.

Ebner und Blocher versicherten, Alusuisse sei «ein langfristiges Engagement». Sofort machten sie sich an die Arbeit. Sie splitteten die Firma in zwei Teile. Auf der einen Seite die Chemiesparte von Lonza. Auf der anderen Seite die Aluminiumverarbeitung von Alusuisse. 1,7 Milliarden Franken Vermögen verschoben sie zur Lonza, dazu Grundstücke in Zürich. Dann leerten sie die Kasse von Alusuisse, indem sie den Aktionären – wozu sie ja gehörten – eine Sonderdividende auszahlten. Zuletzt verkauften sie den Rest nach Kanada. (In den ehemaligen Alusuisse-Fabriken in Sierre, Chippis und Steg ging zwischen 2000 und 2010 die Hälfte aller Arbeitsplätze verloren.) Nach achtzehn Monaten beendeten sie ihre Regentschaft. Aus den Trümmern stiegen sie mit prall gefüllten Taschen. Laut Analysten verdiente Ebner mindestens 404 Millionen Franken und Blocher 89 Millionen.

«Ihre Amtsdauern waren die kürzesten in der Alusuisse-Geschichte», schreibt Adrian Knöpfli in der Firmengeschichte, «aber in dieser kurzen Zeit bewirkten sie das Ende der 112-jährigen Geschichte eines grossen Schweizer Industriekonzerns.» Zwei Jahre, nachdem er mit seinem Freund Ebner eine Schweizer Traditionsfirma zerlegt und ins Ausland verkauft hatte, wurde Blocher Bundesrat.

Absturz und Auferstehung
Die Börsenkrise von 2001 traf Martin Ebner hart. «Ich habe zu wenig diversifiziert», erklärte er im Fernsehen. Das war eine massive Untertreibung. Seine Strategie als Finanzakrobat bestand genau darin, halsbrecherische Risiken einzugehen, indem er alles auf eine Karte setzte. Während des Börsenaufschwungs ging die Spekulation auf. Aber nun, beim Crash von 2001, verwandelten sich die einstigen Traumrenditen in schwarze Löcher. Ebners Schulden wuchsen auf 7 Milliarden Franken. Und in den Abgrund riss er Zehntausende, denen er das «Aktiensparen», wie er es nannte, verkauft hatte; Kleinanleger, die seine Maxime, das «Recht auf Rendite», gefeiert hatten und nun, wegen der Klumpenrisiko-Strategie, sehr viel Geld verloren.

Ebner konnte sich retten. Die Banken verzichteten auf Forderungen von mehreren hundert Millionen Franken. Und sein Freund Christoph Blocher half ihm mit einem Privatdarlehen von 150 bis 200 Millionen Franken aus. Heute besitzt Martin Ebner, inzwischen 79 Jahre alt, laut der Reichstenliste der Bilanz wieder über 3 Milliarden Franken. Er tritt kaum noch in der Öffentlichkeit auf, und wenn, dann nur als generöser Patron seiner Fluggesellschaft Helvetic Airways.

Ebners rechte Hand: Mehrwert mit Georg Fischer
Als wir die Telefonnummer der Zentrale der Beteiligungsgesellschaft Patinex in Freienbach wählen, meldet sich Ralph Stadler, Martin Ebners rechte Hand. Der Jurist arbeitet seit zweiunddreissig Jahren für Ebner.

Ralph Stadler spricht in der «Wir»-Form, als wir ihn auf die märchenhafte Auferstehung seines Chefs ansprechen. «Wir haben dasselbe Konzept wie vor dreissig Jahren», sagt er. «Unsere Beteiligungen entwickelten sich sehr gut, und wir gehen davon aus, dass wir mit der Georg Fischer weiterhin gut fahren und entsprechend Mehrwert schaffen.» Die Sparte Maschinenbau von GF habe darunter gelitten, dass sie Teil eines Konglomerats gewesen sei, und Konglomerate seien nicht besonders sinnvoll.

«Welche Rendite erwarten Sie?»

«Das können wir nicht sagen. Wir müssen nicht auf Börsenkurse oder Quartalsergebnisse schauen. Wir haben eine langfristige Entwicklung im Auge.»

«Langfristig: Das ist kein Wort, das unser Gedächtnis in Verbindung mit dem Namen Martin Ebner gespeichert hat.» Den Begriff Shareholder Value definierte die NZZ als «radikale und rücksichtslose Steigerung des kurzfristigen Gewinns».

«Da haben Sie ein falsches Bild von Herrn Ebner», sagt Ralph Stadler. «Ein Kernanliegen von Herrn Ebner ist Langfristigkeit. In Aktien zu investieren, bedeutet, langfristig zu handeln.»

Ein GF-Arbeiter in der ehemaligen Giesserei. © AZ-Archiv