Bei umstrittenen Themen im Schaffhauser Stadtparlament stimmt die GLP in vier von fünf Fällen mit den Bürgerlichen. Das zeigt eine Analyse der AZ. Damit funktioniert das Mitte-Links-Bündnis nur relativ selten.
Als Schaffhausen 2020 das heutige Stadtparlament wählte, sprach man von einem Grünrutsch: Sowohl die Grünen als auch die Grünliberalen gewannen einen Sitz dazu, auf Kosten der SVP und der Jungfreisinnigen. Damit hatten SP (damals noch SP und AL), Juso, Grüne und Grünliberale zusammen 20 von 36 Stimmen im Grossen Stadtrat. Linke Ideen seien zwar weiterhin nur mithilfe der Mitte (gemeint war die GLP, die «Mitte» hiess zu diesem Zeitpunkt noch CVP) mehrheitsfähig, war damals in der AZ-Wahlanalyse zu lesen. Doch diese Mitte-Links-Mehrheit sei nun «belastbarer» und «komfortabler» als vorher.
Am 24. November stehen wieder Wahlen an – ein guter Zeitpunkt, um zurückzublicken und zu prüfen, wie sich der Grünrutsch auf die Parlamentsarbeit ausgewirkt hat. Wie komfortabel und belastbar war das Mitte-Links-Bündnis tatsächlich?
Die Antwort: Es kommt stark aufs Thema an. Komfortabel scheint die Partnerschaft jedoch, zumindest aus linker Perspektive, eher selten gewesen zu sein. Dazu haben wir sämtliche Abstimmungen des vergangenen Jahres und alle drei Budget-Sitzungen der laufenden Legislatur analysiert.
GLP stimmt zu einem Fünftel links
Seit den Wahlen 2020 hat sich arithmetisch einiges verschoben. Ibrahim Tas wechselte von der SP zur FDP. Marco Planas, Shendrit Sadiku und Urs Tanner traten aus der SP beziehungsweise Juso aus, wobei sich Letzterer der Mitte-EVP-GLP-Fraktion anschloss. Und auch innerhalb der Parteien wurde Personal ausgetauscht. Die AL ging in der SP auf, Gianluca Looser (Junge Grüne) kam für Aline Iff, Gaétan Surber (Junge Grüne) für Georg Merz, Felix Derksen (Mitte) für Nathalie Zumstein und Lena Jaquet (Junge Grüne) für Irene Eichenberger. Der Grosse Stadtrat ist nicht mehr dasselbe Parlament wie vor vier Jahren.
Mit dem Abgang von vier Personen aus der SP-Fraktion ist die Anzahl Gruppen gestiegen, die es für eine Mitte-Links-Mehrheit zu überzeugen gilt. Im Grundsatz gilt zwar immer noch: Kommt es hart auf hart, geht es kaum ohne die GLP. Doch auch mit der GLP alleine kommen die Linken im heutigen Parlament bloss auf 16 Stimmen, sie brauchen also noch mindestens drei Stimmen von Parteilosen, der EVP oder der Mitte für eine sichere Mehrheit. Wie oft haben die Grünliberalen also mit den Linken gestimmt? Auf welche Seite schlugen sich die drei abtrünnigen SPler? Und wie war das Abstimmungsverhalten der beiden christlichen Mitteparteien?
Von allen 77 Abstimmungen, die an den bisher 16 Grossstadtratssitzungen des Jahres 2024 stattgefunden haben, waren die meisten stark polarisiert. Es gab 43 Abstimmungen, die in der Mitte entschieden wurden, weil die Mehrheit der Bürgerlichen (gemeint sind SVP und FDP) einer Mehrheit der SP, der Grünen und Jungen Grünen gegenüberstand.
Von diesen 43 «spannenden» Abstimmungen gewannen die Bürgerlichen zwei Drittel. SP und Grüne konnten nur deren 13 für sich entscheiden. Acht dieser dreizehn Siege holte die Linke dank Unterstützung von der Mehrheit der GLP um das Vierergespann Christoph Hak, Bernhard Egli, Lukas Ottiger und Daniel Spitz, die insgesamt zehn Mal mit Rot-Grün stimmte. Acht von Zehn – wenn die GLP mitmacht, war die Erfolgschance hoch. So etwa, als Thomas Stamm (SVP) im Februar das Riklin-Kunstprojekt stoppen wollte. Oder als es im Juni darum ging, mehr Informationen zur zweiten Fäsenstaubröhre zu erhalten.
Auf einem ähnlichen Level von Loyalität gegenüber links bewegen sich die beiden Mitte- und EVP-Vertreter Felix Derksen und Rainer Schmidig. Auch sie stimmten in 10 von 43 Fällen geschlossen mit Links-Grün. Als linke Partner nur ganz leicht zuverlässiger sind die drei Parteilosen Marco Planas, Urs Tanner und Shendrit Sadiku, welche bis vor einem Jahr noch zur SP gehörten. Es kam elf mal vor, dass mindestens zwei der drei Männer ihre Stimme nach links gaben.
Dissens bei Bau und Sozialem
Kam es in diesem Jahr hart auf hart, stimmten also sowohl die GLP, wie auch EVP, Mitte und Parteilose zu fast vier Fünfteln mit den Bürgerlichen. Dabei funktionierte die Zusammenarbeit bei verschiedenen Themen ganz unterschiedlich.
Überhaupt nicht auf derselben Bühne haben die Linken und die Mitte das Heu bei Fragen aus dem Themenkreis Bau, Immobilien und Raumplanung. Bei keiner der neun Abstimmungen in diesem Bereich stimmten GLP und Mitte-EVP mit den Linken. Auf diese Weise verlor Rot-Grün etwa die Abstimmung, als es darum ging, ob die Stadt künftig noch Immobilien in der Altstadt verkaufen soll (Altstadtinitiative). Oder vor einer Woche, als die SP einen höheren Anteil an gemeinnützigem Wohnraum im Areal «Hafeteckel» forderte. Sogar zum Vorstoss für eine Entwicklungsstrategie des Pflegeheim-Areals, an dem mit Lukas Ottiger ein GLP-Mann beteiligt war, stimmten seine drei Parteikollegen mit den Bürgerlichen, unterstützt von EVP, Mitte und Parteilosen.
Auch im sozialen Bereich waren sich Links und Mitte mehrheitlich uneinig. Etwa bei der Frage, ob für Pflegende in den Altersheimen und der Spitex auch das Umziehen als Arbeitszeit gelten soll. Oder bei der Wohnrauminitiative, die einen höheren Anteil an gemeinnützigen Wohnungen fordert. Diese Abstimmungen verlor die linke Seite.
Auf einer Linie stimmten SP, Grüne und GLP in grünen Themen, und setzten so zum Beispiel ein Verbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln durch.
Gemeinsam gegen Kürzungen
Belastbarer scheint das Bündnis hingegen, wenn es ums Eingemachte geht: beim Budget. Eine Analyse aller drei Budgetsitzungen der laufenden Legislatur zeigt: Bei den Finanzen stimmte die GLP in fast 80 Prozent der Fälle mit den Linken. Geht es um Budgetposten, ist sie um einiges verlässlicher als Mitte-EVP (rund 60 Prozent) und die Parteilosen (rund 45 Prozent). So konnte SP-Grün in den letzten drei Budgets rund 85 Prozent der bürgerlichen Spar- und Streichungsanträge abwenden. Mit Ausnahmen: So versenkten GLP, Mitte, EVP und Parteilose 2021 etwa ein neues Elektrofahrzeug für die Stadtpolizei. Oder im vergangenen Herbst eine höhere Lohnsummenentwicklung des städtischen Personals. Bei den Steuerfussabstimmungen lehnten GLP, EVP, Mitte und Parteilose zwar jeweils die von den Bürgerlichen vorgeschlagenen extremen Steuersenkungen ab. Letztendlich unterstützten sie jedoch immer eine moderate Steuersenkung und nicht die Anträge der SP, womit der Steuerfuss über die letzten drei Budgets um insgesamt drei Prozentpunkte gesunken ist.
Die Tendenz der gegenseitigen Unterstützung in Finanzfragen zwischen Links und GLP zog sich über alle drei Budgetsitzungen von 2021 bis 2023 und ist relativ konstant geblieben. An der kommenden Budgetsitzung in drei Wochen dürften also, auch angesichts übervoller Kassen, allzu starke Kürzungen weiterhin keine Mehrheit finden. Es muss aber, auch das zeigt die vergangene Legislatur, mit einer weiteren Steuersenkung gerechnet werden.
Im Stadtparlament könnte es bei dem kommenden Wahlen zu grösseren Verschiebungen kommen. Wählt die städtische Stimmbevölkerung so, wie sie es bei den Kantonsratswahlen getan hat, verlieren die grünen Parteien an Rückhalt. Gleichzeitig erstarken die bürgerlichen Parteien. Dann würde das Mitte-Links-Bündnis eher noch unkomfortabler.