Der FC Schaffhausen kämpft ums Überleben. Es gibt Altlasten: der mutmasslich betrügerische Sponsor Berformance und das ruinös teure Stadion. Der neue Präsident Jimmy Berisha will das Stadion verkaufen, einen saudischen Prinzen gewinnen und «Dynamit» liefern.
Jimmy Berisha befindet sich in einer Sitzung des Managements, als er einen Anruf der AZ entgegennimmt. Der Boss des FC Schaffhausen geht vor die Tür. «Ich bin bereit, Ihnen ein bisschen Stoff zu liefern», sagt er freundlich. «Dynamit, könnte man sagen.» Er lädt zu einem Treffen am Tag darauf.
Shqiprim Berisha, von allen Jimmy genannt, ein 42 Jahre alter Luzerner, früherer Fussballer und gelernter Chemielaborant, dann Sportchef beim Grasshopper Club, ist Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer des FCS. Als er und sein Geschäftspartner Samuel Haas die Arbeit im Dezember 2023 aufnahmen, befand sich der Klub in einem desolaten Zustand (kein Geld, letzter Platz). Dank einiger Instant-Spielertransfers schaffte es das Team, dem Abstieg aus der Challenge League zu entkommen. Geblieben sind allerdings grosse Geldsorgen.
Grund dafür ist unter anderem der Sponsoringdeal mit dem Unternehmen Berformance, den das Team um Roland Klein – Berishas Vorgänger – an Land gezogen hatte. Mitte Juni 2024 waren sechs Topleute von Berformance verhaftet worden. Darunter CEO Christian Lux. Er sitzt noch immer in Untersuchungshaft. Die Behörden werfen ihm gewerbs- und bandenmässigen Betrug vor.
Die Berformance-Bürde
Ein früherer Vereinsangestellter berichtet, dass Berformance dem FC Schaffhausen Zahlungen von rund 250 000 Franken pro Jahr versprochen habe. Doch nach vier Monaten sei kein Geld mehr geflossen. Der Sponsoringvertrag war auf drei Jahre ausgelegt. Insgesamt geht es also um fast 750 000 Franken, die dem Klub entgehen.
Diese Woche erschien im Online-Magazin Republik eine zweiteilige Recherche mit dem Titel «Gier und Wahn im Berformance-Universum». Darin wird das ganze Ausmass des mutmasslichen Betrugs deutlich: Kleinanlegern wurden grosse Renditen versprochen. Doch gemäss den Recherchen wurde das eingezahlte Geld nie irgendwo angelegt. Mutmasslich diente das Geld neuer Kundinnen dazu, alte Kunden auszuzahlen.
Ein früherer Angestellter von Berformance, der Zugang zum IT-System hatte, berichtet, dass Berformance über die Jahre fast 180 Millionen Euro von 6000 Kundinnen und Kunden eingesammelt hatte. Das ist deutlich mehr als die Schadenssumme von 113 Millionen, von der die Staatsanwaltschaft ausgeht. Auch wenn die Behörden Bankkonten eingefroren und Sachwerte wie Firmenautos beschlagnahmt haben, ist es laut Experten unwahrscheinlich, dass die Geschädigten ihr Geld irgendwann zurückerhalten. Wenn, dann höchstens einen Bruchteil davon.
Berisha und der Filzstift
Eine VIP-Loge im Stadion des FC Schaffhausen in Herblingen. Jimmy Berisha betritt den Raum und drückt mir einen dicken schwarzen Filzstift in die Hand. Er deutet auf eine grossflächige Fotografie, die an einer Wand hängt. Eine Luftaufnahme des Stadions, auf dem eine Tafel mit dem Schriftzug «Berformance Arena» angebracht ist. Berisha bittet mich, den Namen Berformance zu übermalen.
Die Tafel auf der Luftaufnahme ist nun also übermalt, aber die echte auf dem Stadion ist nach wie vor zu sehen. Auch das will Jimmy Berisha ändern. «Wir haben rechtliche Schritte gegen Berformance eingeleitet», sagt er. Es geht um ausstehende Zahlungen.
Als er den Klub übernahm, beendete er das Hauptsponsoring mit Berformance und suchte nach neuen Geldgebern. «Unser Gefühl war von Anfang an nicht gut», sagt er. «Wir distanzieren uns von solchen Konstrukten. Wenn wir das nicht antizipiert hätten, wären wir voll in den Hammer gelaufen.»
Berisha bezieht sich auf den finanziellen Ausfall. Letzte Saison betrug das Budget des Klubs 4,7 Millionen Franken. Auf diese Saison hin kürzt er es um mindestens 30 Prozent, möglicherweise auch um 50 Prozent. «Das ist der einzige Weg, um den Klub gesund zu bringen», sagt Berisha. Die Mannschaft besteht daher praktisch nur noch aus jungen Spielern, die wohl verhältnismässig wenig verdienen. Erfahrene Spieler wie Nuno da Silva, Jean-Pierre Rhyner, Sékou Sanogo, Jetmir Krasniqi und Neftali Manzambi verliessen das Team. Trotz der vielen Abgänge ist der junge FCS überraschend gut in die neue Saison gestartet.
Das genaue Ausmass der Einsparungen – 30 oder 50 Prozent weniger Budget – hängt davon ab, ob Jimmy Berisha einen Investor findet. Eine sehr schwierige Aufgabe. Im März 2024 war er in die Schlagzeilen gekommen, weil er mit einem saudi-arabischen Prinzen namens Abdullah bin Saad bin Abdulaziz Al Saud über ein Engagement beim FCS verhandelte. Berisha hatte den Prinzen zufällig bei einem Fussballturnier in Dschidda getroffen, worauf der Prinz auf Twitter schrieb: «So Gott will, werde ich sie nächsten Monat am Hauptsitz des Klubs besuchen.» Zu Besuch in Schaffhausen war der Prinz bisher nicht.
Diese Episode ruft Erinnerungen wach: Im Januar 2024 hatte der Prinz noch behauptet, in den französischen Grossklub Olympique Marseille investieren zu wollen. Jean-Baptiste Guégan, ein französischer Journalist, der sich mit der geopolitischen Nutzung von Fussball befasst, sagte in einem Interview, der Prinz sei bloss «einer unter vielen». Die Strategie, in Sport zu investieren, sei in Saudi-Arabien staatlich organisiert. «Das ist nicht so amateurhaft», meinte er auf den Auftritt des Prinzen bezogen. «Die Profile des Prinzen in den sozialen Netzwerken machen ihn von vornherein unglaubwürdig.» Bis heute hat der Prinz kein Geld bei Olympique Marseille investiert.
Also alles bloss eine abenteuerliche Show von Abdullah bin Saad bin Abdulaziz Al Saud beim FC Schaffhausen?
Jimmy Berisha nimmt sein Telefon hervor. Er zeigt, mit wem er heute telefoniert hat. Da steht: Whatsapp-Call mit Prinz Abdullah um 12:58 Uhr.
«Dass er noch nicht hier war, ist kein Problem», sagt Berisha. «Wir müssen uns gedulden. In Saudi-Arabien funktioniert man anders als hier. Natürlich ist der Prinz nicht der ideale Investor. Darum führen wir parallel Gespräche mit verschiedenen Investoren.» Berisha zählt einige Herkunftsländer auf: USA, England, Deutschland. Dann fährt er fort: «Ich hätte auch lieber Fritz Schudel aus Beggingen. Einen regionalen Investor. Aber wir sind nun mal auf finanzielle Unterstützung angewiesen.»
Und was sagt er zur Tatsache, dass die saudische Königsfamilie, die Menschenrechtsverletzungen am Laufmeter begeht, Sportsponsorings zum Weisswaschen benutzt?
«Prinz Abdullah ist ein liberaler Mensch», erwidert Berisha. «Die Saudis sind ja nicht die einzigen auf dieser Welt, die wissen, wie man sich mit Geld eine weisse Weste beschafft.»
Das Schuldenstadion
Nicht nur Berformance und ausbleibende Investoren machen Jimmy Berisha zu schaffen. Das grösste Problem ist das Stadion in Herblingen, das dem Klub gehört – was einzigartig im Schweizer Fussball ist. Kein anderer Schweizer Profiklub besitzt das Stadion, in dem er spielt. Dieser Sonderfall ist ein Erbe aus der Zeit des langjährigen FCS-Präsidenten Aniello Fontana, der das Stadion bauen liess.
900 000 Franken müssen jährlich bezahlt werden, für Hypotheken, Unterhalt, Betrieb. Ruinös hohe Kosten für einen Provinzklub. «Das ist», Jimmy Berisha zückt wieder sein Telefon und rechnet, «36-mal mehr, als Stade Nyonnais zahlt.» In Nyon sind es 25 000 Franken.
Als Jimmy Berisha Sportchef bei GC in der Challenge League war, zahlte der Klub 250 000 Franken Jahresmiete für das Stadion Letzigrund, das der Stadt Zürich gehört. Noch weniger sind es in Neuenburg. Das Stade de la Maladière ist nicht nur die Heimat von Neuchâtel Xamax, sondern auch Feuerwehrdepot, Notfallstation, Einkaufszentrum und Zentrale der städtischen Verwaltung. Die Maladière gehört der Stadt. Xamax zahlt 60 000 Franken Miete.
Rentieren würde sich das Stadion in Herblingen erst, wenn zu den 18 Heimspielen mindestens 2500 Menschen ein Ticket für 20 Franken kaufen. In der letzten Saison waren es durchschnittlich 1340. Die Publikumszahl müsste sich verdoppeln, was in diesen Tagen illusorisch erscheint. Um das Problem zu lösen, will Jimmy Berisha das Stadion vom Klub trennen (also von der FC Schaffhausen AG). «Heute haben wir eine Immobiliengesellschaft, keinen Fussballklub», erklärt er. Das Stadion sei mindestens 36 Millionen Franken wert, der Kader der ersten Mannschaft ungefähr 4,5 Millionen.
«Wir wollen das Stadion an jemanden mit Visionen verkaufen», sagt Berisha. Mit Fussball alleine werde man kaum kostendeckend arbeiten können. Ihm schwebt eine Organisation ähnlich wie im Berner Wankdorf vor, wo eine auf Eventmanagement spezialisierte Firma den Betrieb leitet. «Es ist davon auszugehen, dass die Trennung vom Stadion in Kürze vollzogen wird», sagt Berisha. Man führe zurzeit Gespräche mit Interessenten im In- und Ausland.
Er hofft auch, dass sich die Stadt beim Stadion beteiligt. «Wir bieten Unterhaltung für die Öffentlichkeit im Stadion. Also wäre es schön, wenn die öffentliche Hand das Stadion unterstützt – wie in Neuenburg oder Winterthur.» Insider berichten, dass am Stadion noch einige Schulden hängen, alles aus der Zeit lange vor Berishas Übernahme. Die entscheidende Frage wird sein, ob trotzdem ein Käufer gefunden wird – und ob die Gläubiger auf Geld verzichten. Berisha selbst will die angebliche Verschuldung nicht kommentieren.
Der Stadtpräsident hofft
Dass die Stadt Schaffhausen das Stadion übernimmt und an einen Betreiber vermietet, scheint zurzeit ausgeschlossen. Dafür gibt es keine politischen Mehrheiten. Unklar ist deshalb auch, was mit dem Stadion passieren würde, sollte der FC Schaffhausen wegen der vielen Altlasten in gröbere Schieflage geraten.
«Wir gehen immer noch davon aus, dass das neue Team um Jimmy Berisha den Turnaround schaffen wird», sagt Stadtpräsident Peter Neukomm. «Wir haben keine Pläne für alle möglichen Eventualitäten in der Schublade, auch nicht für einen allfälligen Konkurs des FCS und dem damit verbundenen Schicksal des Stadions.»
Jimmy Berisha sagt, ihm liege der FC Schaffhausen am Herzen. «Vergessen wir, was hinter uns liegt. Schauen wir in die Zukunft.»