Berformance vor dem Aus

20. Januar 2024, Kevin Brühlmann
Montage: Robin Kohler

Recherchen zeigen: Der FCS-Hauptsponsor Berformance hat Zahlungsprobleme, ­die deutsche Finanzaufsicht warnt, und erstmals gibt es Einblick in das 120-Millionen-­Geschäft. Mittendrin taucht auch noch ein möglicher neuer Klubinvestor auf.

Kurz vor Weihnachten 2023 erhielten Investoren der Firma Berformance eine schlechte Nachricht: Sie bekommen massiv viel weniger Geld, als ihnen in Aussicht gestellt wurde. Im Dezember wurden die Zahlungen um 75 Prozent gesenkt. Die Investoren erhalten also nur ein Viertel des Geldes, das ihnen bei der Vertragsunterzeichnung vorgerechnet worden war.

Die massive Reduktion soll «zunächst für mindestens 2 Monate, ggfs. auch 3 Monate» gelten, hiess es in einer E-Mail, die an die Kundinnen und Kunden von Berformance ging und der AZ vorliegt.

Grund für die Zahlungsprobleme seien «konjunkturelle Dinge», wie Gerrit Kössling, Topmann bei Berformance, in einer internen Videoschaltung erklärte. Kössling sprach von «Stromkosten und gewissen anderen Preiserhöhungen». Ausserdem seien «im Buchhaltungsbereich Personen krankheitsbedingt ausgefallen». Dann kämen ja noch die Feiertage hinzu und es gebe eben «immer wirtschaftliche Risiken».

Berformance – das ist der Hauptsponsor des FC Schaffhausen. Die Partnerschaft kam im Sommer 2023 zustande, und zwar über das Umfeld des früheren FCS-Coachs Murat Yakin, heute Nationaltrainer. Yakin wird seit Jahren nachgesagt, am FCS beteiligt zu sein, was er jedoch stets dementiert.

Enorm hohe Gewinnversprechen

Eine verdeckte Recherche hatte die AZ Ende September 2023 in die VIP-Lounge von Berformance im FCS-Stadion geführt. Dabei konnte man Einblick ins Innere des Systems erlangen: Berformance verspricht gutgläubigen Menschen enorm hohe Gewinne, wenn sie Geld investieren. Das Geld soll sich innert dreier Jahre verdreifachen. Worin das Geld investiert wird und wie die traumhaften Renditen zustande kommen sollen, blieb unklar. In den Verträgen, die Berformance damals vorlegte, gab es keine konkreten Angaben. (Die Verträge laufen über eine Partnerfirma, ein sehr entscheidendes Detail im System Berformance.) Bei Auftritten der Geschäftsleitung fielen lediglich Schlagworte wie Blockchain, Künstliche Intelligenz oder Hochleistungscomputer – Begriffe, die sich gut verkaufen lassen. 

Trotzdem glauben offenbar zahlreiche Menschen an die Versprechungen. Die AZ hatte sich etwa mit einer Kundin unterhalten, nennen wir sie Petra Klopfer, die ihren Job kündigte, sich 100 000 Franken aus ihrer Pensionskasse auszahlen liess, das Geld bei Berformance investierte und einige Monate lang eine Rendite ausbezahlt bekam.

Bis jetzt – bis zur E-Mail kurz vor Weihnachten 2023, bis zu den Zahlungsproblemen.

Ein Juristenteam der Stiftung für Konsumentenschutz hatte sich auf Anfrage der AZ die Verträge angeschaut, die Berformance ihren Investoren vorlegt. Verträge, wie sie auch Petra Klopfer unterzeichnet hat. Die Verträge seien «äusserst zweifelhaft und problematisch», meinte das Juristenteam. «Die Kalkulation [der zu erwartenden Gewinne] ist intransparent, und es werden absolut unrealistische Renditeerwartungen geweckt.» Das Fazit: «Betroffenen Personen raten wir, die involvierten Unternehmen der Finanzmarktaufsicht Finma und der Polizei zu melden.»

Ein Vertreter der Finma schrieb in einer E-Mail an die AZ, man äussere sich nicht «zu allfälligen finanzmarktrechtlichen Bewilligungspflichten [von Berformance] oder möglichen Abklärungen und Verfahren».

Anders sieht das die deutsche Finanzaufsicht Bafin. Am 20. Dezember 2023 veröffentlichte sie eine Warnmeldung zu Berformance.

Die Finanzaufsicht warnt

Die Bafin warnt regelmässig vor unerlaubten Geschäften, unseriösen Praktiken oder Betrugsversuchen und informiert über entsprechende Ermittlungen. Im Fall von Berformance geht es um Transparenz. Wer in Deutschland Vermögensanlagen öffentlich anbietet, muss seine Produkte der Finanzaufsicht vorlegen. Die Bafin überprüft, ob die vom Gesetz vorgeschriebenen Mindestangaben zur Transparenz erfüllt werden. In der Fachsprache: ob es einen Verkaufsprospekt gibt. Der Verkaufsprospekt beinhaltet die wichtigsten Informationen zum angebotenen Produkt (zum Beispiel: Worin wird investiert? Welche Risiken gibt es?). Auf dieser Basis soll man als potenzieller Kunde entscheiden können, ob man investiert oder nicht. Der Verkaufsprospekt dient also zum Schutz von Konsumenten und Konsumentinnen.

Gemäss der Warnmeldung verdächtigt die Finanzaufsicht Bafin den Dienstleister Berformance, sein Produkt ohne Verkaufsprospekt anzubieten, also ohne ein grundlegendes, per Gesetz erforderliches Mindestmass an Informationen. «Die Bafin rät Verbraucherinnen und Verbrauchern, Investitionen in Vermögensanlagen immer nur auf der Grundlage aller erforderlichen Informationen zu tätigen», heisst es in der Mitteilung.

Dass die Bafin eine Warnung veröffentlicht, ist ein heftiges Mittel. Es ist auch das erste Mal seit den Recherchen der AZ, dass eine Behörde im Fall Berformance aktiv wird.

Die Rolle des FCS

Im Berformance-System spielt der FC Schaffhausen eine wichtige Rolle. Er mag bloss ein Provinzklub sein, dennoch ist er der bislang prominenteste Partner des Dienstleisters. Die Zusammenarbeit zelebriert Berformance in zahlreichen Beiträgen in den Sozialen Medien. «Wir verfolgen kein wirtschaftliches Ziel», sagte etwa Berformance-CEO Christian Lux über das  Sponsoring des Clubs. «Wir wollen bekannter werden. Wenn sich unser Name etwas einprägt, dann haben wir schon eine ganze Menge erreicht.»

Berformance-Boss Christian Lux. Bild: Robin Kohler

Für die Anlegerinnen sind die Zahlungsprobleme von Berformance sehr schlechte Nachrichten. Sie bangen um ihr Geld. Im Umfeld des FC Schaffhausen jedoch könnten die Zahlungsprobleme paradoxerweise durchaus auch als positives Zeichen interpretiert werden.

So hält sich das Gerücht, dass Boris Collardi, langjähriger CEO der Bank Julius Bär, einen Einstieg als Investor beim FC Schaffhausen erwäge und gar mit dem Gedanken spiele, den Club zu übernehmen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass das «Reputationsrisiko Berformance» beseitigt sei. Collardi bestätigt auf Anfrage, dass er «unter Investitionsaspekten» mit dem FCS im Gespräch sei. «Vorausgesetzt, dass verschiedene Bedingungen erfüllt sind, ist für mich ein Engagement in dieser Sache denkbar.»

Collardi ist ein Geschäftspartner von Murat Yakin und hat sich im Mai 2022 bereits beim süditalienischen Fussballclub US Lecce eingekauft.

Die 120-Millionen-Euro-Frage

Bislang konnte man über die Dimension des Berformance-Systems bloss rätseln. Nun jedoch liegen der AZ interne Dokumente mit neuen Geschäftszahlen vor. Daraus lassen sich drei Schlüsse ziehen: Das Geschäft wächst stark. Die Schweiz wird immer wichtiger. Und Tausende von Personen sind betroffen.

2021 erzielte das Berformance-Anlageprodukt «More» einen Umsatz von 15,8 Millionen Euro, davon 4,4 Millionen in der Schweiz. «More» ist die Standard-Investition (die deutsche Finanzaufsicht Bafin warnt vor diesem Produkt). Auch die erwähnte Kundin Petra Klopfer hat ihr Geld aus der Pensionskasse in «More» investiert. 2022 verdoppelte sich der Umsatz auf 30,1 Millionen, davon 11,5 Millionen in der Schweiz. 2023 waren es 72,1 Millionen (31 Millionen in der Schweiz).

Zusammengezählt: 118 Millionen Euro. Bezahlt von Tausenden von Investorinnen und Investoren wie Petra Klopfer. Allein im Jahr 2023 waren es 2251 Personen, die Geld ins Produkt «More» investierten. Sie alle dürften vor Weihnachten die schlechte Nachricht mit den um 75 Prozent gesenkten Ausschüttungen erhalten haben.

Zahlungsprobleme bei Einnahmen von 118 Millionen Euro: Wie geht das zusammen? Mutmasslich funktioniert das System Berformance so lange, wie weitere gutgläubige Menschen Geld investieren. Schliesslich stellt Berformance eine Verdreifachung des investierten Gelds in Aussicht. Nun jedoch stockt der Geldfluss.

Dazu eine Anekdote. Im März 2023 lud Berformance zu einer grossen Feier ins Hotel Marriott in Frankfurt am Main. Hunderte Gäste kamen. Eine gut informierte Quelle behauptet, die Rechnung für die Feier sei bis heute nicht bezahlt worden. Das Marriott möchte dazu keine Stellung nehmen. (Zur Stellungnahme von Berformance siehe Box.)

Laut einem deutschen Dienst für Auskünfte über Unternehmen läuft ein Inkassoverfahren gegen Berformance. Die Firma schuldet einen Betrag von 287 532,92 Euro (Stand Ende Oktober 2023). Wem das Geld geschuldet ist, ist nicht bekannt.

Ob der FC Schaffhausen das vereinbarte Geld, das der Club für den Betrieb benötigt, bislang erhalten hat, ist unklar. Über Inhalte von Sponsoringverträgen gebe man generell keine Auskunft, teilt FCS-Mediensprecher Stefan Bernhard der AZ mit. Auf Fragen zur Warnung der deutschen Finanzaufsicht und zu den massiv reduzierten Ausschüttungen antwortet der Klub mit einem Satz: «Der FC Schaffhausen verzichtet auf eine Stellungnahme.»

Die Stellungnahme von Berformance

Die AZ hat Berformance eine ganze Reihe Fragen per E-Mail geschickt: zu den massiv gesenkten Zahlungen an die Investorinnen; zur Warnung der Finanzaufsicht Bafin; dazu, wohin die vielen Millionen Euro geflossen sind, die Tausende von Berformance-Kunden und -Kundinnen bislang investiert haben; und zur angeblich offenen Rechnung für die Firmenfeier im Marriott.

Berformance-CEO Christan Lux antwortet: «Wir raten Ihnen, weitere Berichte zu unterlassen, die sich auf reine Vermutungen und Unsachlichkeiten beziehen. Unsere Anwälte prüfen derzeit rechtliche Schritte gegen Sie und die betreffenden Medien, welche diese willkürlichen Äusserungen veröffentlichen.»

Die Bafin-Warnung sei «ungerechtfertigt und auch formaljuristisch übereilt». «Rechtliche Beurteilungen sollten Sie aber Juristen überlassen und nicht selbst auf Basis von viel Unwissen vornehmen. Sie haften sonst für den entstehenden Schaden.» Man wolle einen gerichtlichen Antrag auf Rücknahme der Warnmitteilung stellen (einen Beleg schickte Lux trotz Nachfrage nicht).

Grundsätzlich hält Christian Lux fest, «dass Berformance nur eine Vertriebsgesellschaft ist und nicht verantwortlich für die Vertragserfüllungspflichten der vermittelten Verträge».

Die Reduktion der versprochenen Renditen um 75 Prozent erklärt Lux mit «erhöhten Kosten für den Betrieb der Geräte, die erst mit Ende des Jahres nachberechnet wurden und laut AGB belastet werden müssen. Offensichtlich haben Sie sich trotz allem Philosophierens bis heute nicht mit dem Produkt selbst beschäftigt.» 

Zur Firmenfeier im Marriott schreibt Lux, die Behauptung, Berformance schulde dem Hotel den Betrag von 287 532,90 Euro, sei unzutreffend: «Allenfalls [steht dem Hotel] eine Restforderung in Höhe von etwa 100 000,00 Euro [zu]. Dieser Betrag wird von uns zurzeit bewusst zurückgehalten, weil das Hotel einen gleich hohen Betrag irrtümlich doppelt berechnete.»

* Mitarbeit: Christian Mensch, CH Media