Das Ökosystem Berformance

1. Dezember 2023, Kevin Brühlmann
Es werde Lux: Der Berformance-Bigboss bei der vor langer Zeit angekündigten Pressekonferenz des FC Schaffhausen. © Robin Kohler

Alles unklar beim FC Berformance Schaffhausen. Während die Verant­wortlichen eine sonderbare Show abziehen, lassen neue Recherchen den Hauptsponsor noch dubioser erscheinen.

24. November 2023, kurz vor 17 Uhr. Wir stehen vor dem Stadion des FC Schaffhausen in Herblingen. Es nieselt. In wenigen Minuten soll eine Pressekonferenz stattfinden, die vor vier Monaten angekündigt worden ist. In diesen vier Monaten schien sich dieser 24. November bei den Klubverantwortlichen als Endpunkt einer Erlösungsfantasie etabliert zu haben, immer dazu da, unerwünschte Fragen ins Unbestimmte abzuweisen. Und unerwünschte Fragen gibt es viele.

Im Juli wurde bekannt, dass der FC Schaffhausen einen neuen Hauptsponsor namens Berformance gewonnen hat. Auch das Stadion in Herblingen trägt den Namen des Unternehmens.

Ein Undercovereinsatz hatte uns Ende September in die VIP-Lounge von Berformance geführt (lesen Sie hier die Reportage). Dabei blickten wir ins Innere eines äusserst perfiden Systems: Berformance verspricht gutgläubigen Menschen absurd hohe Gewinne, wenn sie Geld investieren. Das Geld soll sich innert dreier Jahre verdreifachen. Bislang sind tausende Leute darauf angesprungen. Worin das Geld investiert wird, ist unklar. In den Verträgen, die Berformance vorlegt, gibt es keine konkreten Angaben.

Absolut schleierhaft ist deshalb, wie die traumhaften Renditen zustande kommen sollen.

Wir betreten das Stadion. Vorbei an Wänden aus Sichtbeton führen Betonstufen hinab in die Katakomben. In einem fensterlosen Raum findet die Pressekonferenz statt. Eine Wand ist mit gelber Tapete überzogen, darauf die Logos von FCS und Berformance.

Roland Klein, der Klubpräsident, erscheint im Raum, an Krücken gehend. Er musste sein Knie operieren lassen. Deshalb hat er sich schon im August aus der Klubleitung zurückgezogen. Seither treibt der FCS wie ein antriebsloses Schiff umher. Am liebsten würde Roland Klein den Klub verkaufen. Es gibt auch einen Interessenten. Aber die Verhandlungen ziehen sich in die Länge.

Klein geht schweigend nach hinten und setzt sich auf einen Stuhl in einer Ecke. Den ganzen Abend wird er schweigen. Als sei er gar nicht der Alleinaktionär dieses Vereins, sondern bloss ein interessierter Bürger.

FCS-Besitzer und -Präsident Roland Klein schweigt im Hintergrund. © Robin Kohler

Bigboss Lux

Um Punkt 17 Uhr beginnt die Medienkonferenz. Anwesend sind einige Klubverantwortliche sowie der Gründer und CEO von Berformance.

Ein Video läuft auf einem Bildschirm: Ein riesiges Schild mit dem Berformance-Logo wird am Stadion angebracht, begleitet von dramatischer Musik.

Als Erster erhält Massimo Balloi das Wort. Er arbeitet auf der Geschäftsstelle des Klubs. Mit Freude könne er uns heute mitteilen, sagt er, dass Berformance – er spricht den Namen stets als «Performance» aus – bis zum Sommer 2025 Trikotsponsor des Klubs bleibe. Zusätzlich ist Berformance bis Mitte 2026 Namensgeber des Stadions.

Dann räuspert sich Christian Lux, der Bigboss von Berformance (so wird er vom FCS-Mediensprecher vorgestellt). Ein grosser, gutgekleideter Mann. Über seine Biografie gibt es nur wenige Informationen: Jahrgang 1976, aufgewachsen in Potsdam, Brandenburg. Ruderer in der Jugend. Auf Instagram folgt er seinen grossen Träumen: Businesscoachs und Kryptoinfluencer und Dutzenden von Profilen mit Fotos von leichtbekleideten jungen Frauen.

Über Christian Lux’ Ausbildung oder sein Berufsleben ist nur bekannt, dass er kurz bei einer kleinen Immobilienfirma beteiligt war. 2019 gründete er mit Andreas Baese Berformance. Baese war zuvor bei zwei betrügerischen Firmen involviert, die Kundinnen und Kunden mit vollmundigen Gewinnversprechen in die Irre führten. Erst mit Autos, dann mit Hochleistungscomputern. Die Justiz schaltete sich ein.
Bei Berformance ist die Rede von angeblichen Rechenzentren, die fantastische Gewinne abwerfen würden. Aber niemand konnte uns sagen, wo sich diese Anlagen befinden sollen (als wir doch einmal auf ein Rechenzentrum in Norwegen stiessen, stellte sich heraus, dass Berformance keine Geschäftsbeziehung zu diesem Zentrum pflegte). Darüber hinaus gibt es ein grundsätzliches Problem: Sämtliche Informatiker, die wir kontaktiert hatten, sagten, dass solche Rechenzentren ganz bestimmt nicht derart hohe Renditen abwerfen würden.

Vielleicht kann uns Christian Lux nun aufklären?

«Wir machen Dinge nicht selbst», beginnt Christian Lux. «Wir bieten Vertriebsdienstleistungen an, ja? Also wir sind ein Unternehmen, das Vertrieb und Marketing für Dritte macht. Zu uns kommen Unternehmen, die ein Geschäftsmodell haben, und sagen: Vertreiben können wir es nicht, aber ihr seid möglicherweise in der Lage, es professionell zu vertreiben, an Endkunden, an Businesskunden. Und genau das tun wir.»

Je länger Lux redet, desto allgemeiner, unkonkreter, unverständlicher wird er.

«In einem Satz würde ich sagen: Berformance ist Marketing- und Vertriebsdienstleister für Dritte. Allerdings in einem ganz speziellen Segment.»

Lux spricht schnell, geschliffen. Als ob er an einem Seminar für Start-up-Gründer auftreten würde, reiht er Begriffe aneinander, die in der Investorengemeinde gerade en vogue sind.

«Alles, was wir tun und vertreiben, hat etwas zu tun mit: Blockchain, künstliche Intelligenz, Hardware und Software. Im Bereich: Digitalization, Sustainability, Health Care, Edutainment, Experience …»

Die Klubverantwortlichen schauen zufrieden ins Publikum. Roland Klein schweigt.

Seit Juli 2023 trägt das FCS-Stadion den Namen des Sponsors.

Dann dürfen wir eine Frage stellen: Herr Lux, können Sie mal ganz konkret erklären, wie Ihr Unternehmen Geld verdient?

Man habe Verträge mit Partnerfirmen, und man erhalte eine Kommission, antwortet Christian Lux. «So wie ein Autohändler eine Marge erhält, wenn er ein Fahrzeug verkauft.»

Die Partnerfirma

Das grosse Geld, das Berformance verspricht, hängt also von unbekannten Partnerfirmen ab – auf diese Erklärung sind wir vorbereitet. Wir haben uns eine der angeblich wichtigsten Partnerfirmen angeschaut: i-HPC International, gegründet im Frühling 2022 in der estnischen Hauptstadt Tallinn. «i-HPC betreibt Rechenzentren in ganz Europa», heisst es in einem kürzlich veröffentlichten Werbevideo von Berformance.

Im estnischen Firmenregister ist der neuste Jahresabschluss von i-HPC zu finden. Ende 2022 besass das Unternehmen ein Vermögen von 2500 Euro. Wenn eine Firma nur schon ein einziges Rechenzentrum betreibt, müsste dieser Betrag viel höher sein. Ein kleiner Prozessor allein kostet bereits mehrere Tausend Euro.

Im erwähnten Werbevideo von Berformance wird auch behauptet, man habe «speziell angepasste Hardware entwickelt». Die speziell angepasste Hardware findet man mit einer kurzen Suche: Es sind anscheinend Produkte eines chinesischen Unternehmens, die als eigene Produkte ausgegeben werden. Beim Onlineversand Alibaba zurzeit für 7000 US-Dollar pro Stück zu kaufen.

Diese chinesische Hardware soll eine Rechenleistung «von mehreren Petaflops erreichen». Über die Einheit Petaflop muss man an dieser Stelle nur so viel wissen: Das Supercomputerzentrum der ETH Zürich erbringt 25 Petaflops. Mit einem Millionenbudget.

Und das ist noch nicht alles. Hochrangige Berformance-Leute sind an Partnerfirmen wie i-HPC beteiligt, was durch komplizierte Firmenkonstrukte verschleiert wird. Die Partnerfirmen sind also Teil eines künstlichen Ökosystems, das Berformance wohl aufgebaut hat, um sich einen glaubwürdigen Anstrich zu geben. Bei näherem Hinschauen erinnert dieses Ökosystem an eine Filmkulisse.

Mutmasslich funktioniert das System Berformance so lange, wie weitere gutgläubige Menschen Geld investieren. Und zurzeit funktioniert es. Das eingesammelte Geld ist auf ein Vermögen von 33 Millionen Euro angewachsen, wie die neusten Geschäftszahlen zeigen (nicht von Berformance selbst, sondern von der Firma im Ökosystem, die als Geldspeicher dient).

Unerfülltes Versprechen

Christian Lux redet noch ein bisschen weiter. Seine Versprechungen werden nicht kleiner. «Wir sehen den FCS, auch wenn jetzt alle lächeln, in der Super League», sagt er. Dann meldet sich auch Süha Demokan, der an Roland Kleins Stelle den Klub führt, zu Wort. Er spricht von «gemeinsam angedachten Projekten», wie zum Beispiel einem «Zutritt zum Stadion als digitale Erlebniswelt».

Nach 21 Minuten und 20 Sekunden bricht der Mediensprecher die seit vier Monaten geplante Fragerunde ab. Man habe keine Zeit mehr, denn heute Abend stehe noch ein Spiel gegen Neuchâtel Xamax an.

Die Medienschaffenden dürfen Christian Lux und Interimschef Süha Demokan einzeln befragen. Sie haben zwei, höchstens drei Minuten Zeit. Der FCS-Mediensprecher stoppt die Zeit mit seinem Telefon.

«Wir verfolgen kein wirtschaftliches Ziel», sagt Christian Lux zu einer Journalistin von Tele Top. «Wir wollen bekannter werden. Wenn sich der Name etwas einprägt, dann haben wir schon eine ganze Menge erreicht.»

«Ich glaube, in der heutigen Zeit mit Social Media, wo Kommentare abgegeben werden können oder Meinungen zu Firmen entstehen, wird man wahrscheinlich zu vielen Firmen etwas finden», sagt Süha Demokan, als er von der Radio-Munot-Journalistin auf die Kritik an Berformance angesprochen wird. Demokan ist bemüht, staatsmännisch zu klingen. Selbstsicher fährt er fort: «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben rechtlich abgeklärt, Handelsregister, Strafregister et cetera, und uns fiel nichts auf, was gegen eine Zusammenarbeit sprechen würde.»

Wir gehen auf Christian Lux zu, vorbei an Roland Klein, der schweigend den Raum verlässt. «Skurriler Auftritt von Schaffhausen-Boss Klein» titelt der Blick kurz darauf.

«Herr Lux, eine Frage zu Ihrer Partnerfirma i-HPC», sagen wir. «Sie behaupten, i-HPC betreibe Rechenzentren in ganz Europa. Das Vermögen dieser Firma beträgt aber nur 2500 Euro. Das geht doch nicht auf.»

Es gäbe Rechenzentren von i-HPC an verschiedenen Standorten in Europa, erwidert Lux. «Ich könnte sie Ihnen benennen, aber wir haben uns darauf geeinigt, dass Sie den Chef von i-HPC direkt anfragen. Der wird Ihnen sagen, wo es steht.»

«Wirklich?»

«Ja. Wir kennen den Herren schon viele, viele Jahre. Der versteht sein Business seit mehr als einem Jahrzehnt sehr, sehr gut.»

Zu diesem Zeitpunkt haben wir unsere Fragen bereits an i-HPC übermittelt. Trotz der Versprechungen von Christian Lux, trotz mehrerer Nachfragen während fast einer Woche antwortet die Partnerfirma nicht.