Dass der Randen heute so aussieht, wie er aussieht, hat er der Pionierarbeit eines Vereins zu verdanken, der später in einer Nische verschwand. Nun soll frisches Geld für eine neue Blüte sorgen.
Im Naturschutz sei es wichtig, unsauber zu arbeiten, sagt Thomas Tanner. Der Merishauser Milchbauer streicht mit einer Hand über einen Streifen von hohem, vertrocknetem Gras auf der gemähten Wiese. So entstehe Lebensraum für Insekten. Ein paar Meter weiter hat Biologe Bernhard Egli junge Zitterpappeln entdeckt. «Der kleine Schillerfalter braucht sie als Nahrung», sagt er. «Würde man diese Fläche jetzt einfach sich selbst überlassen, wäre hier bald ein Buchenwald.» Die beiden Männer sind im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Kulturlandschaft Randen, kurz Kura, und wollen auf einer kleinen Exkursion in Richtung Hagen zeigen, was ihr Verein eigentlich so macht. Wir steigen wieder in Eglis alten VW, in dessen Mittelkonsole ein Apfel und eine Baumnuss liegen, und fahren weiter aufwärts zur Schloothalde, einem wohlriechenden Föhrenwald.
Der Randen ist eine wertvolle Hügelkette. Einerseits in ökologischer Hinsicht: Das trockene Klima und die steilen, unverbauten Hänge beherbergen viele verschiedene und auch seltene Pflanzen- und Tierarten. Andererseits ist der Randen auch kulturell wertvoll. So erzählen etwa die charakteristischen Föhrenstreifen die Geschichte von Auswanderern des 19. Jahrhunderts, die noch ein paar Bäume pflanzten, bevor sie ihre Felder aufgaben. Damit sie wenigstens Holz hätten, sollten sie zurückkehren müssen.
Seiner ökologischen und kulturellen Bedeutung entsprechend ist der Randen das wohl bestgeschützteste Gebiet im Kanton. Jährlich fliessen hunderttausende Franken der öffentlichen Hand, um die Landschaft so zu erhalten, wie sie ist.
Das hat der Randen allerdings zu einem wesentlichen Teil einer privaten Organisation zu verdanken, nämlich der Kura. Der Verein wurde vor 30 Jahren gegründet. Mit einem Ziel: eines Tages überflüssig zu werden.
Krieg den Ferienhäuschen
Die erste grössere Bewegung zum Schutz des Randens formierte sich in den 1950er-Jahren. Der Nachkriegs-Bauboom traf auf eine noch sehr junge Raumplanungs-Gesetzgebung, auf den Randen wurden vermehrt Wochenendhäuschen gebaut und grössere Ferienwohnungs-Überbauungen geplant. So etwa 1956 auf der Wiese «Etzlisloh» unterhalb des Hagenturms. Die 1957 gegründete Randenvereinigung erhob Einsprachen gegen die Projekte und sorgte unter anderem auch dafür, dass abgebrannte Randenhäuschen nicht mehr aufgebaut werden durften. Und sie lancierte die «Randeninitiative», die 1979 (wohl unter Mithilfe der Ölkrise) eine vom Kanton geplante Randenüberfahrt von Hemmental nach Beggingen an der Urne verhinderte.
Formell stand der Randen damals bereits unter strengem Schutz. Der Bund hatte das gesamte Randengebiet 1977 ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) aufgenommen. Das zwang den Kanton Schaffhausen dazu, sich Gedanken darüber zu machen, wie er das Naturdenkmal schützen will. Und er schoss offenbar etwas übers Ziel hinaus. 1991 lancierte der Kanton eine erste Randenschutzverordnung, die das Fahren, Bauen und die extensive Landwirtschaft im gesamten Randengebiet verbot, teilweise bis tief in die Täler hinab. Die Gemeinden Bargen, Hemmental und Merishausen fochten das Gesetz an, weil sie einen Eingriff in ihre Gemeindeautonomie sahen. Und die Randenbauern protestierten, die Entschädigungen, die sie im Gegenzug zu den Nutzungseinschränkungen erhalten sollten, seien zu tief. Das Obergericht gab den Gegnern recht und kassierte den Grossteil der Bestimmungen gleich wieder ein, bevor die Verordnung überhaupt in Kraft getreten war.
Nun war der Randen also geschützt, konkret gab es aber nur eine beinahe inhaltsleere Verordnung. Und der Kanton hatte das Vertrauen der Bauern und Randengemeinden verspielt. Doch ausgerechnet diese nahmen jetzt das Heft in die Hand.
Ein System, das Schule macht
1993 schlossen sich die Vereinigung der Randenbauern, die Jäger, die Ferienhausgegner von der Randenvereinigung, sämtliche Randengemeinden von Beringen bis Bargen mit der Naturschutzvereinigung Schaffhausen (heute Pro Natura) zusammen und gründeten die Kura. Das Ziel des Vereins: «die Erhaltung der reichhaltigen Natur und der abwechslungsreichen Kulturlandschaft des Randens durch eine naturnahe Pflege und Nutzung von Feld und Wald.» Zur Finanzierung dieses Vorhabens umgingen sie den Kanton und holten sich ihre Gelder direkt vom Bund, namentlich aus dem Fonds Landschaft Schweiz.
Die Kura entwickelte ein Anreizsystem für die Landwirte und Grundbesitzer auf dem Randen, das später schweizweit Schule machen sollte. Je wertvoller eine Magerwiese, desto mehr Geld gab es für den Landwirt, regelmässig wurden die Flächen überprüft. Es gab Unterstützungszahlungen für das Pflanzen von bestimmten Obstbäumen oder Föhren oder für das Entbuschen oder Auflichten von Waldrändern. In zwei Projektphasen von 1993 bis 2004 investierte der Bund über die Kura so rund 2 Millionen Franken in die Pflege der Randenlandschaft.
2004 stellte der Bund seine Zahlungen ein und der Kanton übernahm die Verantwortung. Seither verteilt er die Bundesgelder selbst, über ein noch viel komplexer gewordenes System aus Aufträgen an die Forstbetriebe der Gemeinden und Naturschutzverträgen mit den Landwirten. Neben Grundbeiträgen gibt es zusätzliche Gelder, die bezahlt werden, wenn man etwa seine Wiese später im Jahr schneidet als üblich, Steinhaufen für Amphibien schafft, Totholz stehen lässt oder Nistkästen anbringt. Ein Grossteil der Flächen, die unter der Kura gepflegt wurden, sind heute in einem Naturschutzinventar auf Gemeinde- Kantons- oder Bundesebene.
Die Kura sei mit dem Ziel gegründet worden, eines Tages überflüssig zu werden, sagte der damalige Kura-Präsident Markus Huber 2006 in einem Interview. In finanzieller Hinsicht sei das bereits der Fall. Die Kura werde aber weiterhin bestehen, als «Gesprächspartner der Regierung» und als eine Art Forum der Randen-Interessengruppen. «Wenn die Landwirte oder die Jäger wieder einmal rote Köpfe kriegen, dann wird das «entre nous» diskutiert, und an die Öffentlichkeit ergeht eine klare Stellungnahme als Einheit.»
Dann wurde es für mehr als ein Jahrzehnt sehr ruhig um die Kura.
Unerwarteter Geldsegen
«Wir waren ein paar Jahre auf Sparflamme, auch weil uns die finanziellen Mittel gefehlt haben», sagt der heutige Präsident der Kura, Bernhard Egli, während wir zur Schloothalde aufsteigen. Die Kura, das sind heute im wesentlichen sechs Menschen, die ehrenamtlich ihre Interessengruppen im Vorstand vertreten.
2018 habe der Verein eine Erbschaft von rund 400 000 Franken erhalten. «Also haben wir die alten Kura-Pläne wieder hervorgeholt und geschaut, wie es den Flächen, die damals gepflegt wurden, heute so geht.» Einige der betreffenden Trockenwiesen und Waldränder seien nicht in die Verantwortung des Kantons überführt worden und seien deshalb in Gefahr gewesen, zu verbuschen oder vom Wald verschluckt zu werden. Acht dieser Flächen, die kumuliert etwa 0,05 Prozent des Randengebiets ausmachen, konnte die Kura seit 2018 über Vereinbarungen mit den Eigentümern oder den Gemeinden wieder in Pflege nehmen. Zum Beispiel die Trockenwiese mit den jungen Zitterpappeln.
Die Kura, die einst im Alleingang die Pflege der Randenlandschaft übernahm, scheint also ihre Nische gefunden zu haben. Mit dem Jubiläumsjahr wolle man die Aktivitäten nun etwas ausbauen, sagt Bernhard Egli. Und endlich wieder Mittel vom Bund kriegen. Soeben hat der Verein ein Fördergesuch beim Fonds Landschaft Schweiz eingereicht. Das beantragte Projekt soll über zwei Jahre laufen und 80 000 Franken kosten, wovon die Kura 60 000 selbst übernehmen will. Die Ziele: Aufwertung von Föhrenstreifen, Waldrandpflege, Waldauflichtungen.
Ausserdem will die Kura neben dem bestehenden Randenbus in Hemmental eine neue Linie auf dem Siblinger Randen lancieren.
Auf dem Radar des Kantons ist der Verein und seine neue Aktivität indes noch nicht aufgetaucht. Petra Bachmann, Leiterin des Ressorts Naturschutz beim Planungs- und Naturschutzamt (PNA), sagt auf Anfrage der AZ: «Es gab einmal einen regen Austausch mit Kura, in den letzten zwei bis drei Jahren hatten wir keinen Kontakt mehr.» Sie würde ein verstärktes Engagement des Vereins aber befürworten. «Es gibt auch wertvolle Flächen auf dem Randen, die nicht unter Schutz stehen. Es freut mich, wenn die Kura diese Lücken abdecken und die Flächen pflegen will.»
Die Aufbruchstimmung der 1990er wird die Kura wohl auch mit ihrem Jubiläum und zusätzlichen Mitteln nicht mehr generieren können. Das erkennt man schon an ihrer Website, die wirkt, als wohne hier schon seit der Jahrtausendwende niemand mehr. Aber Aufbruchsstimmung wäre wohl auch überflüssig. Heute sind die Pioniere des Randenschutzes Lückenfüller geworden. Und sie scheinen sich in dieser Rolle wohlzufühlen.