Wie gehen die Schaffhauser Behörden bei Hitzewellen vor? Es gebe einen Notfallplan, heisst es, doch der Kanton hält sich bedeckt.
Die Hitzewelle der vergangenen Wochen brachen Rekorde, so haben wir seit diesem Sommer etwa einen neuen global heissesten Tag seit Messbeginn. Die Folgen der Hitze lassen sich für dieses Jahr noch nicht genau beziffern, doch dank Berechnungen aus vergangenen Hitzesommern weiss man: Hitze kann für ältere und geschwächte Menschen, Schwangere und Kleinkinder tödlich sein. Sie kann Herzkreislauf-, Atemwegs- und Nierenerkrankungen verschlimmern oder ganz direkt zu Erschöpfung und Hitzschlag führen.
Das Schweizerische Tropeninstitut errechnet zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit jedes Jahr die sogenannte hitzebedingte Übersterblichkeit. Im bisher heissesten Schweizer Sommer 2003 starben etwa 7 Prozent mehr Menschen im Zusammenhang mit Hitze als in einem durchschnittlichen Jahr. Im drittheissesten Sommer 2019 waren es schweizweit 3,5 Prozent.
Hitzesommer dürften indes bald eher Regel als Ausnahme sein, das zeigen Klimaszenarien (siehe Kasten). Was also tun die Schaffhauser Behörden in Schaffhausen, um die hitzeanfälligsten Menschen zu schützen?
Das Buddy-System des Bundes
Beginnen wir zuerst auf der übergeordneten Ebene: Der Bund macht einerseits Verhaltensempfehlungen für einzelne Bürgerinnen und Bürger, was sie bei Hitze zu tun haben. Mindestens 1,5 Liter Wasser pro Tag trinken, sich nicht in der Sonne aufhalten, Anstrengung vermeiden, nachts lüften, tagsüber Fenster schliessen und keinen Alkohol trinken.
Seit 2021 hat der Bund aber auch Tipps für die kantonalen und kommunalen Behörden auf Lager, was vor oder während Hitzewellen unternommen werden kann — die sogenannte «Hitze-Massnahmen-Toolbox». Vorgeschlagen wird etwa, Informationsmaterial direkt an alle Haushalte mit Menschen über 75 Jahren zu verschicken oder spezielle Weiterbildungen zum Thema Hitze im Gesundheitswesen anzubieten.
Wenn die Hitzewelle bereits angerollt ist, schlägt der Bund unter anderem vor, öffentlich Trinkwasser zu verteilen, eine Helpline einzurichten, Informationen zu möglichen Abkühlungsorten zu publizieren und dass sich freiwillige Betreuungspersonen mit Besuchen und Anrufen um Risikopersonen kümmern («Buddy-System»). «Um den lokalen Begebenheiten Rechnung zu tragen», schreiben Bund und Tropeninstitut ausserdem, empfehle sich ein kantonaler Hitze-Aktionsplan, in dem festgelegt werde, «von welchen Institutionen welche Massnahmen umgesetzt werden».
Wie sieht dieser Hitze-Aktionsplan in Schaffhausen aus?
«Vertrauliche Einsatzdokumente»
Auf Anfrage beim Amt für Bevölkerungsschutz und Armee des Kantons stellt sich heraus, dass Schaffhausen offenbar gar keinen gesonderten Plan für das Szenario Hitze hat. Vorhanden sei nur eine «Notfallplanung» für «Trockenheit, inklusive Hitze», wie das Amt mitteilt. Dieser Notfallplan tritt allerdings in Kraft, wenn Bäume in Gefahr sind, nicht Menschen, nämlich ab Waldbrandgefahrstufe 3 (erheblich). In diesem Fall werde der «Kernstab Trockenheit» einberufen, in dem unter anderem Kantonsforstamt, Jagd und Fischerei, Tiefbau, Staatskanzlei und Polizei vertreten sind, nicht aber das Gesundheitsamt. Dieser Stab könne «bei Bedarf mit anderen Organisationseinheiten ergänzt» werden und habe die Aufgabe, die Lage zu verfolgen, Verhaltensempfehlungen zu definieren, Einschränkungen und Verbote auszusprechen und Vorschriften im Bereich Wassernutzung zu formulieren. «Die Notfallplanung Trockenheit beinhaltet diesbezüglich bereits gewisse Grundlagen, wie bspw. standardisierte Einschränkungen und Verbote, Abläufe und Prozesse oder Kommunikationsbausteine», so das Amt. Einsehen durfte die AZ diese Notfallplanung allerdings nicht, «da es sich um interne oder vertrauliche Einsatzdokumente handelt.»
Andernorts ist man diesbezüglich offener. Gesonderte Hitze-Aktionspläne existieren bisher nur in den Westschweizer Kantonen und im Tessin. Derjenige des Kantons Freibourg beispielsweise ist öffentlich einsehbar. Dort kann ein vom Kanton eingesetzter «Koordinator Hitzewelle» zusammen mit anderen Stellen folgende Massnahmen beschliessen: Einschränkung des Verkehrs, Einschränkung der Arbeit im Freien, Schliessung der Schulen, Verbot von Kundgebungen. Ausserdem sind etwa Trinkwasserverteilungen und eine Helpline vorgesehen.
Die Stadt Genf hat sogar einen eigenen Aktionsplan, verteilt gezielt Flyer an die ältere Bevölkerung mit einer Karte, wo Abkühlungsorte und «Oasis der fraîcheur» eingezeichnet sind, und während Hitzewellen können alle gratis in die Badi.
Wie wirksam Hitze-Aktionspläne sein können, zeigt wiederum eine Untersuchung des Bundes: Trotz grosser Hitzebelastung ist in der Genfersee-Region in den Hitzesommern 2015, 2018 und 2019 die hitzebedingte Übersterblichkeit schweizweit unterdurchschnittlich gewesen. «In dieser Region wird dem Schutz der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen seit 2003 grosse Aufmerksamkeit geschenkt», so die Studie.
Keine Klimaanlagen
Schaffhausen gehört zu den Kantonen mit relativ hohem Anteil an älteren Menschen. Dementspechend viele dürften bei Hitzewellen gefährdet sein.
Institutionen, die für viele Risikopersonen verantwortlich sind, haben indes auch in Schaffhausen längst Erfahrung im Umgang mit Hitzewellen. Bei den Spitälern Schaffhausen setze man hauptsächlich auf Lüften während den Morgen- und Abendstunden, wie es auf Anfrage heisst. Nur «besonders sensible Bereiche wie etwa Operationsbereiche» seien klimatisiert. Auf Wunsch der Patientinnen und Patienten würden aber kühlende Fussbäder und dünne Strick- statt normalen Bettdecken zum Einsatz kommen.
Die Bereichsleitung Alter bei der Stadt sagt auf Anfrage, in den städtischen Altersheimen werde «insbesondere darauf geachtet, dass die Bewohnenden genügend trinken, wenn gewünscht, etwas leichtere Kost zu sich nehmen und angemessene Kleider tragen». Ausserdem werde ebenfalls jeweils in den Morgen- und Abendstunden gelüftet. Klimaanlagen kommen «im Hinblick auf die Hygiene» keine zum Einsatz.
Abends und morgens lüften, genug trinken, im Schatten bleiben. Das sind auch die Tipps, welche der Kanton vergangene Woche über Social Media verbreitet hat. Das Gesundheitsamt sagt auf Anfrage, man arbeite zurzeit, zusätzlich zu den Trockenheits-Notfallplänen des Amts für Bevölkerungsschutz und Armee, «an weiteren Weisungen zum Schutz der Bevölkerung bei Hitze.» Diese seien jedoch «noch in der Planung und finden dieses Jahr keine Anwendung».
30 Hitzetage jährlich — Schaffhauser Klimaszenarien
Durchschnittlich zwischen 20 und 30 Hitzetage (Maximaltemperatur über 30 Grad) pro Jahr – das könnte Schaffhausen um das Jahr 2060 blühen. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie (Meteo Schweiz) von 2021.
Die Studie geht von zwei Szenarien aus: Eines mit weiterhin steigendem Treibhausgas-Ausstoss (RCP8.5) und eines mit konsequentem Klimaschutz gemäss dem Übereinkommen von Paris (RCP2.6). Beide Szenarien werden bis 2060 durchgerechnet und mit der Normperiode 1981 – 2010 verglichen. Beim Szenario konsequenter Klimaschutz wäre der Kanton Schaffhausen in 37 Jahren zwischen 1 und 1,5 Grad wärmer als heute. Beim RCP8.5-Szenario wären es zwischen 2 und 2,5 Grad, im Randengebiet sogar bis zu 3 Grad. Letzteres wäre vergleichbar mit der Erwärmung im Alpenraum, die stärker ausfällt als in der Nordschweiz.
Etwas konkreter fassbar als Durchschnittstemperaturen sind die Prognosen bezüglich Hitzetagen, also Tagen mit Höchsttemperaturen über 30 Grad. Bis 2010 gab es jeweils zwischen 5 und 10 solcher Tage im Kanton. Im günstigten Szenario werden es 2060 zwischen 10 und 15, im Klettgau gar zwischen 20 und 30 sein. Trifft das ungünstigere Szenario RCP8.5 ein, wird das gesamte Schaffhauser Kantonsgebiet bis auf den Randen zwischen 20 und 30 Hitzetage erleben. Dies jeweils begleitet von fünf bis zehn Tropennächten, also Nächten, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt.