Wie weiter mit dem Museum?

13. Juli 2023, Nora Leutert
Foto: Robin Kohler

Katharina Epprecht hat als Direktorin des Allerheiligen gekündigt. Welche Rolle hat sie ausgeübt? Und was sagt das über das Machtgefüge im Museum aus?

Vor zwei Jahren klang Katharina Epprecht noch zuversichtlich. «Ich bleibe bis zur Pensionierung. Bei so einer Stelle macht es keinen Sinn, sie ständig neu zu besetzen», sagte die Direktorin des Museums zu Allerheiligen gegenüber der AZ (15. Juli 2021). Doch nun sieht es anders aus: Katharina Epprecht hat ihren Rücktritt per Ende Juli 2024 eingereicht. Die 61-Jährige macht dafür persönliche Gründe geltend: Sie wolle ihre Erfahrungen im Museumswesen einem weiteren Umfeld zur Verfügung stellen, ohne an das Pensionsalter gebunden zu sein.

Das ist nachvollziehbar. Fakt ist aber auch: Hinter den Kulissen des Allerheiligen hat es ziemlich gegärt.

Die AZ hat mit rund einem Dutzend Personen aus dem Umfeld des Museums zu Allerheiligen gesprochen. Klar ist: Der Abgang von Katharina Epprecht sagt auch einiges über Schaffhausen aus. Zeit also für eine kritische Museumsschau.

Das Machtgefüge
Katharina Epprecht muss es vielen Leuten recht machen. Das hat mit der Konstellation rund um das Museum zu Allerheiligen zu tun. Diese ist schnell aufgezeichnet: Das Museum ist eine Verwaltungsabteilung der Stadt Schaffhausen. Es bewahrt und präsentiert seit den 1930er-Jahren das regionale Kulturerbe. Damit ist es ein traditionelles Mehrspartenhaus, das Archäologie, Kunst, Geschichte und Naturkunde unter einem Dach vereint. Das bringt einen gewissen Wettbewerb der Disziplinen mit sich: Denn hinter jeder der vier Abteilungen steht ein Verein. Sie alle möchten im Museum mitreden und ihr Fachgebiet fördern. Das ist schön und gut, doch wirklich etwas zu sagen hat im städtischen Museum vor allem ein externer Player: die Sturzenegger-Stiftung.

Die Stiftung fungiert als grosszügige und existenziell wichtige Geldgeberin im Museum zu Allerheiligen. Sie ist durch den Willen des Stifterpaars Hans und Claire Sturzenegger eng an die Institution gebunden, ihre Sammlung und ihre neuen Werkankäufe sind als Dauerleihgaben im Museum platziert. Zudem finanziert die Stiftung grosse Projekte, sie sieht sich als Ermöglicherin. Dabei arbeitet sie eng mit der Stadt zusammen und entscheidet etwa auch bei der Wahl der Museumsdirektorin oder des Museumsdirektors mit.

Foto: Robin Kohler

Diese ganze Konstellation, in welcher auch noch andere Stimmen mitreden – wie der Museumsverein (Verein aller Schaffhauser Museen) oder die Zünfte –, macht das Museum zu einem umkämpften Gebiet. Das ist nicht neu. Bereits der vorhergehende Museumsdirektor Peter Jezler war über die unterschiedlichen Erwartungen gestrauchelt: Die Stadt hatte Jezler ans Museum geholt, um dieses zu überregionalem, ja internationalem Glanz zu führen. Jezler veranstaltete fulminante Ausstellungen, wie jene zu Albert Anker und zuletzt den Ritterturnieren. Schliesslich war der Stadtrat aber nicht zufrieden mit den aufwändigen Sologängen, die Jezler als Ausstellungsmacher aufs Parkett legte, und machte vor allem Kritik an seiner Personalführung geltend. Jezler wurde 2014 entlassen, nachdem die Sturzen-​egger-Stiftung ein Machtwort gesprochen und den Geldhahn vorübergehend zugedreht hatte. Es fiel der Verdacht, die Stiftung walte als Nebenregierung im städtischen Museum: «Sind ihre Repräsentanten die grauen Eminenzen, die im Hintergrund die Fäden ziehen und sich bei Bedarf in Entscheidungsprozesse im Museum einmischen dürfen?», fragte die AZ damals.

Mit der Anstellung von Katharina Epprecht schliesslich wollte die Stadt im Einvernehmen mit der Sturzenegger-Stiftung einen Konterpunkt setzen: Epprecht sollte das Museum erklärterweise in ein ruhigeres Fahrwasser führen.

Doch jetzt zeigt sich: Auch dieses Mal prallen verschiedene Vorstellungen aufeinander, wie die Museumsdirektorin ihren Job zu machen hat. Und was überhaupt der Job ist.

Der Auftrag
Die Direktorin habe in ihren acht Jahren keine grossen und prägnanten Visionen vertreten, heisst es von unterschiedlicher Seite. Cuno Künzler vom Schaffhauser Kunstverein hebt auf Anfrage Katharina​ Epprechts grosses Engagement für die Sammlung und die Konservation hervor, sagt aber auch, er habe sie entsprechend «mehr als Verwalterin denn als Gestalterin» wahrgenommen.

Das scheint sich im Führungsstil der Museumsdirektorin zu spiegeln. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Epprecht im Museumsbetrieb stets enorm auf Kontrolle bedacht gewesen ist. Die Museumsdirektorin habe sich sehr auf Details fixieren können, und das in verschiedensten Zuständigkeitsbereichen, sagen verschiedene Stimmen.

«Würde man von der Museumsdirektorin grössere Entscheidungen erwarten, müsste man sie auch zur Entscheidungsträgerin machen.»

Katharina Epprecht

Katharina Epprecht will sich auf Anfrage der AZ zu anonymer Kritik an internen Vorgängen nicht äussern. Sie sagt aber: Ja, sie sei Perfektionistin und erwarte etwa, «dass jedes Objekt sich im besten Licht zeigt und so in Schwingung versetzt wird, dass es mit den Besuchenden in Dialog tritt».
Und was sagt sie zu ihrem Aufgabenbereich und dem visionären Blick, der ihr fehle? «Ich bin städtische Mitarbeiterin und nicht angestellt für meine Selbstverwirklichung», macht sie geltend. «Mein Auftrag war, das Fundament des Museums zu stärken, und das habe ich gemacht.» Sie habe sich in jüngeren Jahren als Ausstellungsmacherin ausleben können und ihre Glanzmomente gehabt. «In der Stadt Schaffhausen habe ich eine andere Rolle. Wenn wir einen Römertag für Kinder veranstalten und 2000 Besucherinnen und Besucher Freude daran haben, sehe ich das durchaus auch als eine Vision. Würde man von der Museumsdirektorin grössere Entscheidungen erwarten, müsste man sie auch zur Entscheidungsträgerin machen. Für die Zukunft wäre es sicher gut, wenn sich alle Beteiligten zusammensetzen und definieren, was man mit diesem Museum will, und zwar so, dass es zu Schaffhausen passt.»

Die Pläne
Wiederholt sich die Geschichte? Geht es um die gleichen Fragen wie in der Ära Jezler und bereits davor schon? Museumsdirektorin Katharina Epprecht wollte es jedenfalls scheinbar nicht gelingen, sich ins Machtgefüge des Museums einzupassen. Was für eine Rolle sie hätte einnehmen sollen und ob sie es überhaupt richtig machen konnte: Das ist von aussen schwer erkennbar.

«Eine Geldgeberin hat immer einen gewissen Einfluss. Es gibt aber eine saubere Rollentrennung.»

Stadtrat Raphaël Rohner

Hierzu muss man einen besonderen Einschnitt für das Museum zu Allerheiligen erwähnen: Die Machbarkeitsstudie 2025. Die Studie sorgte vor zwei Jahren für Furore: Die Sturzenegger-Stiftung, der Stadtrat und die Museumsleitung hatten zwei externe Architektinnen beauftragt, das Museum zu Allerheiligen einmal radikal neu zu denken. Die Pläne wurden von den museumsnahen Vereinen und anderen Akteuren in der Luft zerrissen (die AZ berichtete). «Katharina Epprechts Position zum Projekt blieb bis zum Schluss blass und unklar», sagt Andreas Schiendorfer vom Museumsverein heute.

Treibende Kraft hinter der grossangelegten Machbarkeitsstudie indessen war die Sturzenegger-Stiftung. Mit Stephan Kuhn hatte die Stiftungsratspräsidentin Hortensia von Roda einen Manager, einen Macher in den Stiftungsrat geholt, der sich an einer Museums-Pressekonferenz zur Aussagen hinreissen liess: «Wer den Klavierspieler bezahlt, darf auch mitbestimmen, was gespielt wird.» Kuhn wurde vom ehemaligen Stiftungspräsidenten, Hans Konrad Peyer, frontal angegriffen: Peyer war der Meinung, die Stiftung hätte das Zepter übernommen, während die Museumsdirektorin marginalisiert werde.

Die Stiftung und die Museumsdirektorin sollen das Heu in der Tat nicht unbedingt auf derselben Bühne gehabt haben, hört man von unterschiedlicher Seite. Auf Nachfrage schreibt Stiftungsratspräsidentin Hortensia von Roda knapp: «Die Zusammenarbeit verlief weitgehend sachlich.» An einer Pressekonferenz im März 2022 sagte sie, aktuell seien die «Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung» der Museumsentwicklungspläne noch nicht gegeben, und verwies darauf, dass «zentrale Personen» kurz vor dem Pensionsalter stünden.

Die zukünftige Aufstellung
Nun findet der Abgang von Museumsdirektorin Katharina Epprecht sogar noch vor ihrem ordentlichen Pensionsalter statt. Nicht nur der Sturzenegger-Stiftung, auch der Stadt Schaffhausen dürfte das gut in die Zukunftsplanung passen. Auch andere Personen in der Geschäftsleitung des Museums werden bald pensioniert. Die zukünftige Museumsdirektorin oder der -direktor soll bei der Besetzung der anderen Kaderstellen und bei den Weichenstellungen für die künftige Positionierung des Museums mitreden können, sagt der städtische Kulturreferent Raphaël Rohner. Darum sei es ein guter Zeitpunkt für die Suche nach einer Nachfolge. Vorerst ist Katharina Epprecht aber noch da. Sie habe das vollste Vertrauen des Stadtrats, so Rohner. «Sie hat ihr Bestes gegeben und sich unter anderem bei der Schaffung neuer Formate, mit einem attraktiven Ausstellungsprogramm und für die Museumspädagogik sehr engagiert.» Und, sagt der Kulturreferent, Schaffhausen sei ein hartes Pflaster: «Das Museum ist nicht einfach zu führen mit all den wertvollen Akteuren, die mitreden.»

Wie geht es auf diesem harten Pflaster weiter? Wie viel Einfluss will man der Sturzenegger-Stiftung gewähren? Muss man die Positionen neu verhandeln? Raphaël Rohner sagt: «Eine Geldgeberin hat immer einen gewissen Einfluss, und wir sind der Stiftung sehr dankbar. Es gibt aber eine saubere Rollentrennung». Er beteuert: «Der Stadtrat sagt, wie es läuft. Da sind wir uns einig.»

Die Sturzenegger-Stiftung hat sich zumindest Anfang Jahr bereits aus der Projektleitung der Museumsentwicklung zurückgezogen, um dem Verdacht entgegenzuwirken, sie treffe die Entscheidungen im Museum. Der Stadtrat ist im Lenkungsausschuss damit offiziell im Lead. Noch vor den Herbstferien möchte er eine neue Strategie vorstellen für eine Modernisierung auf Raten. Ob die Stiftung diese finanzieren möchte, ist noch ungewiss.