Uncovered

20. Februar 2023, Simon Muster
Foto: Robin Kohler
Foto: Robin Kohler

Die Rhysauna-Saison läuft heiss, die Mitgliederzahlen steigen. Aber wo ist eigentlich Daniel Preisig?

Es ist die ideale Kleinstadtposse: Ein SVP-Politiker sauniert gerne. So gerne, dass er 2010 einen Vorstoss für eine Sauna in der Rhybadi lanciert, Titel: «Wellness-Oase mit Munotblick!».

Die Bevölkerung schickte die Idee zwar 2012 in einer Abstimmung bachab. Doch der SVP-Politiker war in der Zwischenzeit zum Stadtrat und Hüter der städtischen Finanzschatulle aufgestiegen, und so kam es, dass im Herbst 2018 das erste Mal in der Rhybadi sauniert werden konnte.

Daniel Preisig forcierte unbestritten die Sauna in der Rhybadi. Aber ist sie heute tatsächlich «Preisigs Sauna», wie die AZ vor bald vier Jahren schrieb (AZ vom 26. Juli 2018)?

Nein, beharrt der Finanzreferent noch heute und lädt uns im Namen des Vereins, der die Rhybadi-Sauna seit 2019 betreibt, zur Einweihung der ersten Arvensauna der Schweiz ein. «Dabei werdet ihr euch (hoffentlich!) überzeugen lassen können, dass die Sauna etwas mehr ist als ein Bedürfnis von mir.»

Ende Januar wird die Schweiz das erste Mal in diesen bis dahin warmen Wintermonaten von klirrender Kälte erfasst. Für die Eröffnung der ersten Arvensauna der Schweiz lässt sich der Verein RhySauna Schaffhuuse nicht lumpen. Regierungsratspräsident Tamagni (SVP), Grossstadtratspräsident Mundt (SVP), der städtische Sportreferent Rohner (FDP) und sogar ein finnischer Honorarkonsul stehen an diesem Freitagnachmittag auf dem Holzrost in der Rhybadi und halten fröstelnd die Texte ihrer Grussreden bereit.

Und Daniel Preisig? Während der Honorarkonsul über die Unterschiede zwischen der finnischen und der Schweizer Saunakultur referiert und die Schaffhauser Politprominenz gestelzt ihre finnischen Grussformeln von Google-Translate zum Besten gibt, erspäht man Preisigs Hut in der Gruppe Zuhörerinnen, seine Hände halten ein Smartphone, mit dem er die Eröffnungszeremonie festhält. Später zeigt er den Journalisten die Arvensauna und das hölzerne Munotrelief, das in die Wand eingelassen ist (Saunieren mit Munotblick!). Dem Radio-Munot-Journalisten sagt er zwar zuerst, dieser solle lieber mit den Vereinsverantwortlichen sprechen als mit ihm. Antworten gibt er dann aber trotzdem.

Zwischenfazit: Auch wenn Daniel Preisig Distanz zwischen sich und der Sauna schaffen will – seine Fingerabdrücke verstreut er trotzdem am ganzen Tatort.

Aber das sind bisher nur Indizien. Um zu beweisen, dass diese Sauna hier tatsächlich Preisigs Sauna ist, müssen wir ihn auf frischer Tat ertappen. Zeit für eine Undercoverrecherche.

00-Lendenschurz

Als Undercover-Agenten sollte man sich möglichst natürlich verhalten, unsichtbar sein, sicher nicht auffallen. Das Problem: Wir sind blutige Saunaanfänger. Einer von uns ist zwar in einem Haus mit Sauna im Keller aufgewachsen, hat sie aber kaum benutzt. Der andere erhielt mit 12 ein Saunaverbot. Er hatte als Streich in den Ofen gepisst.

Trotz dieser Widrigkeiten gehen wir zwei Wochen nach der Eröffnung der Arvensauna auf Tuchfühlung. Gleich zu Beginn setzen wir uns mit zwei Gläsern Bier in die neue Arvensauna mit dem Munotrelief. Wir giessen ein wenig Wasser über die heissen Steine und beginnen mit dem Schwitzen. Zu unserer Überraschung sind wir alleine, obwohl die Sauna in der Rhybadi gemäss Website ausgelastet ist. Hat das vielleicht mit dem irischen Folk-Punk zu tun, der durch die Zirbelkieferhölzer dröhnt?

Foto: Robin Kohler
Foto: Robin Kohler

Nach Ablauf der Sanduhr verlassen wir die Arvensauna, die Musik ist inzwischen wieder verstummt. Unser erster Saunagang hat uns geschlaucht, also legen wir uns zur Erholung in eine der zwei Ruhejurten. Dort kommen wir in ein Gespräch mit einem deutschen Ärztepaar. Ob sie wüssten, was es mit der Musik von vorhin auf sich hat. «Das war der Aufguss in der Jurtensauna.» Sie hätten bereits einen Pink-Panther-Aufguss und einen zu ABBA-Musik erlebt. Das sei ein Highlight, die Sauna sei dann immer gestossen voll. «Der nächste ist in 45 Minuten.»

Wir sind überzeugt: Wenn wir den Saunareferenten Preisig antreffen wollen, müssen wir beim nächsten Aufguss dabei sein.

Kühlen Kopf bewahren

Bis dahin bleibt uns noch ein wenig Zeit für weitere Untersuchungen. Wir holen uns also zwei neue Bier und setzen uns in die Fasssauna mit Blick auf die Feuerthaler Brücke. Das Thermometer zeigt 65 Grad, der Sand läuft durch die Uhr.

Die Frau, die gegenüber sitzt, erklärt uns, dass sie bereits seit vier Stunden in der Rhysauna sei. Sie komme eigentlich aus Rosenheim, sei aber gerade als Patientin in der Nervenklinik in Gailingen. Wieso sie nach Schaffhausen in die Sauna komme? Sie habe auf Google eine schlechte Bewertung der Rhysauna gelesen: Schlecht organisierter Hippie Pop-up. «Das hat mich überzeugt», sagt sie lachend.

Der Verein RhySauna, mit SVP-Vorstandsmitglied Michael Mundt, eine verkappte Hippiekommune? Wir sind verwirrt.

Gut, dass der Mann, der alle unsere Fragen beantworten und uns den entscheidenden Hinweis für den Fall Preisig liefern könnte, die Fasssauna in diesem Moment betritt: Vereinspräsident Christian Moser. Wenn wir uns jetzt geschickt verhalten, können wir den Präsidenten mit unseren Fragen löchern – näher als in der Sauna kommt man der nackten Wahrheit bekanntlich nie.

Moser trägt eine Mütze. Saunahüte, so haben wir in unserer Vorrecherche gelesen, sind in Finnland weitverbreitet und isolieren die wärmeempfindliche Kopfhaut. Moser, der Saunaprofi, schraubt dann auch die Temperatur hoch – «da können wir gut auf 90 Grad». Dann legt er noch eine Eiskugel auf die heissen Steine, die mit einem Duftstoff versehen ist – Zedern. Das Eis zischt, Moser verschwindet im Wasserdampf, die Hitze steigt in den unbemützten Köpfen schnell an. Noch bevor wir unsere Fragen stellen können, müssen wir die Sauna keuchend verlassen. Jetzt hilft nur noch ein Sprung in den Rhein.

Schwitzen mit Marley

Der Aufguss in der Jurtensauna, unsere letzte Chance, den Fall doch noch zu knacken. Die Sauna ist gut gefüllt, mehr als zwanzig Schwitzwillige sitzen im Oktagon um die heissen Steine. Die Einzigen, die Kleider tragen, sind drei Männer mit weissen Shirts und grünen Hüten. Einer trägt auf einem Brett drei Eiskugeln in den Raum und erklärt, welche Düfte sich darin verbergen. Er legt den ersten auf die Steine, wieder zischt es. Dann erklingt aus den Musikboxen Bob Marley – Exodus: movement of jah people! Oh-oh-oh, yea-eah!

Einer der Männer läuft im Kreis und wedelt den wippenden Saunagästen mit einem Handtuch den Wasserdampf ins Gesicht. Die Musik wechselt, jetzt singt Tracy Chepman von schnellen Autos und ihrem Wunsch, abzuhauen, und jede neue Eiskugel versprüht einen neuen Duft, während die Hitze weiter ansteigt. Nach 15 Minuten öffnen sich die Jurtentüren, der Dampf steigt in die Luft und die Musik verstummt wieder.

Mit einer wohligen Erschöpfung setzen wir uns in die Ruhejurte und essen die Pizza, die wir bestellt haben. Uns gegenüber sitzen Saunapräsident Christian Moser und Vereinsvorständin Astrid Giovanettoni. «Ihr seid doch von der AZ, oder?», fragt Moser. Mist, unsere Tarnung ist aufgeflogen. Ja, antworten wir ertappt, wir seien auf den Spuren von Daniel Preisig. «Ja, da habt ihr schönen Seich geschrieben! Der Verein ist viel mehr als eine Person.» Sowieso wären die meisten im Verein auf einem anderen politischen Dampfer als der SVP-Stadtrat. Preisig sei wie ein seltenes Tier, meldet sich jetzt Giovanettoni. «Alle sprechen von ihm, aber niemand sieht ihn je.»

Damit wäre die Undercoverrecherche eigentlich abgeschlossen. Wie die AZ aber aus gut unterrichteten Quellen erfahren hat, wurde Preisig vor zwei Tagen in der Rhysauna gesichtet.