Wird das beschauliche Segelflugfeld Schmerlat zum motorisierten Hightech-Hotspot? Erste Hürden sind genommen. Das gefällt nicht allen.
Dichte Wolken ziehen über die Klettgauer Landschaft an diesem Januarnachmittag. Die Sonne bricht durch, wirft ihr Licht mal auf einen Acker, mal auf ein Feld oder auf eines der umliegenden Dörfchen; auch die Hallauer Bergkirche erstrahlt anmutig. Von der Anhöhe Schmerlat aus hat man den Überblick über das Tal. Ein paar Spaziergängerinnen mit Hund geniessen die Stimmung. Ein Milan sitzt im Geäst eines Baums, Turmfalken kreisen über den Feldern. Drei Rehe springen davon.
Auf der Segelflugwiese gibt es nichts zu sehen, der Flugbetrieb liegt im Winter praktisch still. Das Club-Häuschen mit Feuerstelle schlummert vor sich hin, die ausgehängte Karte mit Getränken, Snacks und «Währschaften» ist leicht vergilbt.
Bald schon könnten hier jedoch Auto-Karawanen mit Rechnern anfahren und vollautomatisierte Drohnen in den Himmel starten. Ein Drohnenkompetenzzentrum soll entstehen. Wird der Hobby-Segelflugplatz zur Hightech-Zentrale umgebaut?
Vom Bundesrat gelobt
Bereits seit 2019 testen Tech-Firmen auf dem Schmerlat Drohnen. Angelockt hat sie die Schaffhauser Wirtschaftsförderung. Ihre Idee dahinter: hochqualifizierte Drohnentechnologieunternehmen und -startups durch das Testgelände anzuziehen. Diese sollen Arbeitsplätze generieren und sich idealerweise in Schaffhausen niederlassen. Wirtschaftsförderer Christoph Schärrer konnte die Segelfluggruppe, der das Gelände gehört, für das Projekt begeistern. Er dachte in grossen Linien: «Die Unternehmen, die wir hier wollen, sind die, die Dinge entwickeln für den Weltmarkt», zitierten die Schaffhauser Nachrichten Schärrer. Für den Regierungsrat wurde das geplante Drohnentestgelände zum innovativen Vorzeigeprojekt: Vergangenen Mai führte man Bundesrat Guy Parmelin auf den Schmerlat. Er war voll des Lobes und durfte auf den Knopf drücken und eine vollautomatisierte Drohne starten lassen.
Nun sollen die Pläne plötzlich offiziell konkret werden: «Auf Initiative des Kantons soll ein Kompetenzzentrum für Drohnen und unbemannte Flüge aufgebaut werden», steht im überarbeiteten Bundes-Entwurf des Sachplans für Verkehr, Teil Infrastruktur Luftfahrt. Die Wirtschaftsförderung und die beteiligten Akteure haben offenbar im Hintergrund gewirkt. Der Sachplan ist ein behördenverbindliches Planungsinstrument für Luftverkehrsanlagen. Bleibt es dabei, würde das Drohnenkompetenzzentrum vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) offiziell zugelassen. Es ist der erste Schritt zum potenziellen Ausbau des beschaulichen Flugfeldes.
Was in Bundesbern ausgearbeitet wurde, wäre in Schaffhausen womöglich durchgesegelt, ohne öffentlich breit diskutiert zu werden. Das Objektblatt des Bundes war zwar im Amtsblatt ausgeschrieben – doch das ist leicht zu übersehen und für viele Leute unter dem Radar.
Einer aber hat es mitgekriegt: Der ehemalige Kantonsgerichtspräsident Markus Kübler schaute sich die Unterlagen an. Und was er sah, erschien ihm fragwürdig.
Vögel und Drohnen
Markus Kübler war bis 2006 Gemeindepräsident von Siblingen. Im Dorf sei man sensibilisiert auf den Fluglärm vom Schmerlat, sagt er, wie er im Arbeitszimmer in seiner umgebauten Bauernliegenschaft steht, im Schwedenofen brennt ein Feuer. Jeder Segelflieger gelangt nur mithilfe eines Motorfliegers in die Luft, und Siblingen liegt in der Hauptschlepprichtung des Schmerlats. Heute sind es laut BAZL auf dem Schmerlat jährlich durchschnittlich 2800 Starts und Landungen. Schon lange steht fest, dass das Potenzial aber bei 5500 liegt. Es könnten also fast doppelt so viele Flüge auf dem Schmerlat werden – von Motorfliegern als auch von Drohnen.
Alt Gemeindepräsident Markus Kübler ist dagegen, dass die Motorfliegerei auf dem Schmerlat ausgebaut wird. Schon heute beobachte er, dass mehr und mehr reine Motorflüge stattfinden würden, die nichts mit dem Segelflug zu tun haben. Er betont: «Es geht mir nicht darum, am Segelflugverkehr etwas zu ändern. Aber was ich nicht möchte, ist, dass sich ein kalter Umbau dieses Flugfeldes zum Motorflugplatz entwickelt.»
Es gehe ihm nicht nur um den Lärm, sondern um die gesamten Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt im Klettgau und auf dem Randen: «Das ist der erste Schritt einer raumplanerischen Entwicklung, bei der wir uns ernsthaft fragen müssen, ob wir das wollen oder nicht.» Die Erfahrung zeige: Wenn die grundlegenden raumplanerischen Festsetzungen eine bestimmte Richtung eingeschlagen hätten, sei es sehr schwierig, diese zu korrigieren.
Markus Kübler reichte beim BAZL eine Stellungnahme ein. Auch die SP Sektion Klettgau reagierte, nachdem ein kritischer Leserbrief von Kübler im Klettgauer Boten erschienen war. Sie fordert vom Bund, es sei auf den Aufbau des Drohnenkompetenzzentrums und auf mehr Motorflugbetrieb zu verzichten. Wie auch Kübler weist sie auf die natur- und landschaftsgeschützte Zone «Widen» am Rande des Flugfelds hin. Hier gibt es Turmfalken, Goldammern, Dorngrasmücken und Schwarzkehlchen. Durch Drohnen würden sie gestört.
Nicht mehr wie zu Gotthelfs Zeiten
Doch sind diese Befürchtungen eines grossen Ausbaus des idyllischen Landstrichs zum Hotspot des Motorverkehrs auch tatsächlich realistisch? Und sind sie reaktionär oder berechtigt? Wie wird es dereinst zu und her gehen auf dem Flugfeld?
Wirtschaftsförderer Christoph Schärrer sagt auf Anfrage, man habe auf dem Schmerlat keinen Airport im Sinn, wo Tag und Nacht geflogen wird. Ihm schwebe eher ein «Boutique-Zentrum» für eine Nischen-Kundschaft hochqualifizierter Forschungsunternehmen vor, die beispielsweise mit der ETH zusammenarbeiten. Auch hier gelte: «Wir müssen schauen, dass unsere Region so schön bleibt, wie sie ist, und sollten trotzdem mit der Zeit gehen und Neues ermöglichen. Wir können ja nicht leben wie zu Gotthelfs Zeiten.»
Das Sagen auf dem Schmerlat hat aber sowieso die Segelfluggruppe Schaffhausen, der das Gelände gehört. Laut Vereinspräsident Albert Studerus sind Ängste unbegründet. Es gebe keine Pläne für einen grossen Ausbau, sagt er am Telefon. Der Verein wolle auch nicht plötzlich ein Motorfliegerclub werden. Es stimme zwar, dass die Segelfluggruppe heute versuche, die vereinseigenen Schlepperflugzeuge auszulasten und diese sowie den Oldtimer, der noch rumsteht, auch für reine Motorflüge vermiete: «Wenn mal jemand mit seiner Freundin einen Rundflug um den Säntis machen will, kann er das machen», so Studerus. Es gehe dabei aber lediglich darum, Vorhandenes möglichst gut zu nutzen. Denn die Motorflieger sind teuer.
Das gilt für die gesamte Infrastruktur: Der Verein möchte diese gut nutzen – und die Drohnenfirmen werden schliesslich Miete bezahlen. Auch ein zusätzlicher Hangar soll gebaut werden, wo sich die Drohnenfachleute mit ihren Computern einrichten können, um die Flüge vorzubereiten und auszuwerten.
Einschränken lassen möchten sich die Segelflugfreunde in ihrem Hobby zwar selbstverständlich nicht durch den Drohnenbetrieb. Dennoch möchte Albert Studerus nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass auf dem Schmerlat nicht auch Grösseres entstehen könnte. Was die Zukunft bringe, wisse niemand.
Tür und Tor für moderne Entwicklungen sind jedenfalls möglicherweise schon bald geöffnet: Der öffentliche Mitwirkungsprozess für den Sachplan des Bundes für den Schmerlat ist abgeschlossen und wird nun ausgewertet. Hangar und befestigte Piste müssen dann natürlich das reguläre Baubewilligungsverfahren durchlaufen – beim bereits jetzigen Widerstand könnte das schwierig werden.