Wofür setzen sich die Schaffhauser Parlamentarier in Bern ein? Wo schossen sie einen Bock? Eine Bilanz mit Aussicht.
von Sharon Saameli und Simon Muster
Die Schweiz ist klein, und doch liegt zwischen dem politischen Schaffhausen und der Bundeshauptstadt eine gefühlte Welt – kaum jemand bekommt in der Region mit, was die Schaffhauser Vertreterinnen im Bundeshaus machen.
Letzte Woche endete in Bern die Herbstsession, die Parlamentarier haben ihre Mietwohnungen bereits wieder abgeschlossen und sind entweder in die Ferien oder zurück in ihre Heimatkantone gereist. Zeit also für eine Schaffhauser Abrechnung, drei Jahre in die laufende Legislatur, ein Jahr vor den National- und Ständeratswahlen 2023.
Die AZ hat mit rund einem Dutzend Menschen gesprochen – politischen Freunden und Feinden in Bern, Wegbegleiterinnen in Schaffhausen – und sie gefragt: Wie schlagen sich Martina Munz (SP), Thomas Hurter (SVP), Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos) auf der nationalen Bühne? Und was hält die Zukunft für die vier Schaffhauser Böcke in Bern bereit?
Hannes Germann: der Ratsälteste
Über Hannes Germann will von allen Personen, mit denen die AZ gesprochen hat, niemand ein negatives Wort verlieren. Seit seinem Eintritt in den Ständerat vor 20 Jahren wählt ihn die Schaffhauser Stimmbevölkerung mit soliden Resultaten wieder. Auch ausserhalb der eigenen Partei geniesst der SVP-Mann den Ruf, integer, konstruktiv und breit informiert zu sein. Dies nicht zuletzt, weil er auch mal den Windschatten seiner Parteikollegen verlässt: Als der Ständerat über die Revision der Zivilprozessordnung abstimmte, mit der kritische Medienberichte einfacher verhindert werden können, war er als einziger Bürgerlicher dagegen.
Von seinen Kommissionskollegen und seinem Umfeld hört man, dass Germann stark auf föderalistische Politik setzt und durch seine lange Erfahrung – er ist im Ständerat der Amtsälteste – zu einem Allrounder geworden ist. Anders gesagt: Heute ist er thematisch schwer zu fassen. Zehn Vorstösse aus der laufenden Legislatur stammen aus seiner Feder, und mitunter tragen sie kryptische Titel wie «Verletzung des Spezialitätsprinzips im Rahmen der Amtshilfe in Steuersachen zwischen der Schweiz und Indien sowie anderen Staaten». Während der Pandemie sprach er sich von Anfang an für eine Härtefall-Regelung aus. Und bezüglich der OECD-Mindeststeuer sagt er: «Ich setze mich dafür ein, dass das zusätzliche Steuersubstrat möglichst für Projekte in Schaffhausen verwendet werden kann – und nur ein kleiner Teil zum Bund fliesst.»
Für die grosse Medienpräsenz – und damit: Kritik an seiner Politik – reicht dies nicht.
Schlagzeilen machte Germann in jüngerer Zeit mehr mit Unsorgfältigkeit als mit Sachpolitik. Etwa mit einem Tweet im letzten Sommer, in dem er der versammelten Twitterwelt erklärte, er hätte lieber das Finalspiel der Kadetten live erlebt, als «im Ständerat schier endlos über das Sexualstrafrecht zu debattieren». Er stimmte schliesslich aber für das Gesetz, und auf die Frage der AZ, ob er aus der Episode etwas mitnimmt, sagt er: «Ich habe Kenntnis davon genommen.» Letztes Jahr machte Germann von sich reden, weil er während einer Debatte zum E-ID-Gesetz verkündete, es sei «allgemein bekannt und bestätigt, dass der Kanton Schaffhausen im ordentlichen Verfahren seine Lösung anerkennen lassen und somit als Anbieterin auftreten möchte». Das war für alle überraschend; auch, weil das im Kanton selber noch nicht spruchreif war (AZ vom 18. Februar 2021). Und im ersten Pandemiejahr wehrte sich Germann gegen die kostenlose Abgabe von Schutzmasken an Sozialhilfebeziehende – mit der Begründung, die Masken kosten nicht viel und könnten, wenn sorgfältig getragen, auch mehrmals benutzt werden. Das BAG hatte zu diesem Zeitpunkt schon explizit von letzterem abgeraten.
Germanns Stärke dürfte vielmehr in seiner Vernetzung liegen. Einer seiner Zutrittsbadges zum Bundeshaus gehört seit Jahren der Chefin der Hotz Communications AG, welche unter anderem die Schweizer Tabaklobby vertritt – für ein Mitglied der Gesundheitskommission durchaus bemerkenswert. Der zweite Badge kommt seinem persönlichen Mitarbeiter zu, Kantonsrat Pentti Aellig (SVP). Ein Schaffhauser Beobachter sagt, Germann habe zudem «unglaubliches Geschick im Arrondieren von lukrativen Mandaten». Der studierte Betriebsökonom ist nicht nur Präsident des Schweizer Gemeindeverbands, sondern auch Vorstandsmitglied im nationalen wie auch im Schaffhauser Hauseigentümerverband, er ist Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse Schaffhausen, Vizepräsident des EKS und Stiftungsratspräsident der Neuhauser Organisation Diheiplus. Wie viel er für diese bezahlten Mandate erhält, macht Germann nicht transparent.
Wie lange Hannes Germann noch Ständerat bleibt, ist Stand heute unklar. Aus der SVP ist zu vernehmen, dass der 66-Jährige ans Aufhören denkt. Der AZ sagt er, er habe nach wie vor Freude an seinem Amt. «Im Ständerat arbeiten zu dürfen ist ein grosses Privileg.» Für seinen Sitz interessiert sich aber ein weiterer Mann in Bern: Thomas Hurter.
Thomas Hurter: der eloquente Choleriker
SVP-Nationalrat Thomas Hurter hat bisher eine solide Legislatur. Der Automobil Club der Schweiz, den Hurter präsidiert, hat gegen das CO2-Gesetz erfolgreich das Referendum ergriffen; der Kaufvertrag für den neuen Kampfjet F-35, für den der Aerosuisse-Vorstandspräsident aktiv weibelte, ist unterzeichnet. Am neuen Nachrichtendienstgesetz, das in Vernehmlassung ist, kann er Erfolge auf sich pachten; und der Ausbau des Fäsenstaubtunnels in Schaffhausen, den der SVP-Mann vorangetrieben hatte, ist in den Startlöchern. Auf die Frage, ob er nach all den Erfolgen zufrieden sei, verneint er: «Meines Erachtens ist der Wählerwille im Parlament überhaupt nicht abgedeckt worden», sagt er, «bürgerliche Anliegen hatten es schwierig». Dies nicht nur, weil die erstarkte GLP sich zu oft auf SP-Linie gestellt habe, sondern auch aufgrund einer erschwerten Zusammenarbeit von SVP und FDP.
Hurter ist kein SVP-Hardliner, eher Opportunist: Er hat ein Gespür dafür, wann es sich lohnt, von der Parteilinie abzuweichen: Im Abstimmungskampf rund um das Covid-Gesetz beispielsweise stellte er sich dezidiert auf die Pro-Seite, und er war Teil des Schaffhauser Lokalkomitees für die Ehe für alle. Sonst gilt er aber als berechenbar, im Gegensatz zu einigen seiner Parteikollegen am äussersten rechten Rand der SVP veranstalte Hurter keine politischen Kapriolen. Das sagen mehrere Nationalräte, die mit ihm in Kommissionen zusammenarbeiten. Seine Hauptstärke liegt aber zweifellos in der Sicherheitspolitik: Hier geniesst er als einstiger Berufsmilitärpilot und jetziger Linienpilot hohe Glaubwürdigkeit, in der Politik- wie in der Medienwelt. Als die Swiss im März 2020 über eine Million Schutzmasken aus Hongkong in die Schweiz flog, sass Hurter im Cockpit.
Kritiker sagen allerdings, dass er sich in den letzten Jahren auf diesen Themen ausruhe, seine Schwerpunkte nicht ausgebaut habe. Und: Hurters Engagement für den Auto- und den Flugverkehr bringt ihm auch einen unrühmlichen Status bei Umweltverbänden ein. Das Ecorating des WWF attestiert seinem Abstimmungsverhalten gerade einmal zwei Prozent Umweltfreundlichkeit (die Ständeräte Hannes Germann und Thomas Minder liegen bei 13 respektive 52 Prozent, Hurters Nationalratskollegin Martina Munz kommt auf 100 Prozent). Darauf angesprochen, winkt der Nationalrat ab: Die Erhebungsmethode dieses Ratings sei mehr als fragwürdig. «Die hinter diesem Rating stehenden Kategorien und Abstimmungen sind manchmal sehr willkürlich ausgewählt. Dass ich mich zum Beispiel seit Jahren für einen Bahnausbau zwischen Schaffhausen und Basel einsetze, wird darin nicht berücksichtigt.»
Falsch dargestellt sieht er sich auch in einer ganz anderen Sache. Dass Hurter nicht nur in der Sache, sondern auch im Ton eine harte Linie fährt, ist kein Geheimnis. Wenn man mit Nationalräten in Bundesbern spricht, erhält man zwei Geschichten erzählt. Auf der einen Seite ist da der «Hurti», der gut argumentiert, zwar hart in der Sache und im Ton, aber am Ende des Tages trotzdem beim gemeinsamen Kaffee freundschaftliche Witze reisst. Es ist die Geschichte, die vor allem Männer erzählen. Auf der anderen Seite ist da der Choleriker, der Frauen in der Kommissionsarbeit desavouiert, ihnen übers Maul fährt und abspricht, vom Thema überhaupt eine Ahnung zu haben. «Undemokratisch», «schulmeisterlich» und «herablassend» sind die Adjektive, die dominant sind in dieser zweiten Geschichte. Wie das klingen kann, bekam die Schweiz vergangenen Sommer mit, als Hurter die Grüne Marionna Schlatter während der Armee-Debatte öffentlich zusammenstauchte.
Hurter rechtfertigt sich: Hier sei journalistisch unsauber gearbeitet worden. «Für die linken Medien war dies eine Möglichkeit, ihr klassisches Modell zu bringen: der alte Mann gegen die junge Frau. Das finde ich schwach.» Er steht aber dazu, dass er in Debatten scharf argumentieren könne. «Das gehört zur Politik dazu.»
Thomas Minder: der verblasste Robin Hood
Ständerat Thomas Minder ist kein Mann des Lobbyings. Wo Hurter mit einem bemerkenswerten Portfolio auftritt, findet man bei Minder laut der Organisation Lobbywatch nur Mitgliedschaften bei Umweltverbänden und der Rega, beim Verkehrs-Club der Schweiz und der Bachgesellschaft Schaffhausen. Die einzigen bezahlten Ämter sind die als Verwaltungsratspräsident der Trybol AG und der Dianam S.A. mit Sitz in Neuhausen. Und einen Zutrittsbadge zum Bundeshaus hat er lediglich an seinen persönlichen Mitarbeiter Claudio Kuster vergeben.
Auch seine politische Arbeit im Bundeshaus ist weniger greifbar als früher. Nach Minders Erfolg mit der Abzocker-Initiative entstand um den 61-Jährigen ein fast mystisches Robin-Hood-Image. Ein Politiker, der es mit den Mächtigen und Reichen aufnimmt, ohne Rücksicht auf Eigeninteresse. Und tatsächlich, mit seinem ersten Vorstoss in der laufenden Legislatur wurde Minder diesem Ruf gerecht: Der Vorstoss verlangte, dass neu auch die «Dunkelkammer» Ständerat das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder transparent machen soll. Und hatte Erfolg damit. Doch seither fällt er nicht mehr als der Querschläger auf, er ist politisch verblasst.
Das hat vielleicht damit zu tun, dass er weniger polarisiert: Aus seinem Kommissionsumfeld heisst es, er habe in dieser Legislatur an politischer Reife gewonnen: Er sei kompromissbereiter geworden und schmiede vermehrt Allianzen für seine Anliegen. Als einziger parteiloser Ständerat muss er dies auch.
Während der ersten zwei Pandemiejahre setzte er sich gegen eine Impfpflicht ein, die nie geplant war, und dafür, dass nach der Impfung die Quarantänepflicht aufgehoben wird. Und kürzlich überwies der Ständerat seine Motion, die eine Namensänderung für Personen mit Landesverweis verbieten will – am Ursprung dieses Vorstosses steht der Schaffhauser Osamah M. (AZ vom 12. Mai 2022). In jüngerer Zeit hat Minder jedoch ein neues Steckenpferd gesattelt: den Tierschutz. An vorderster Front kämpfte er gegen das Jagdgesetz und für ein Importverbot von tierquälerisch erzeugten Pelzprodukten – beide Male zusammen mit Nationalrätin Martina Munz. In diesen Tierschutzbelangen habe er aber auch «ein paar Mal auf die Schnauze bekommen», sagt Minder am Telefon. «Ich glaube zwar, die Bevölkerung wäre da auf meiner Seite. Aber diese Anliegen sind in Bern teils zu schwach vertreten.»
Trotz seiner Arbeit für Tierwohl und Ökologie hat Minder im Parlamentarier-Rating der NZZ einen Wert von 8,7. In diesem Rating (10 ist ganz rechts, -10 ganz links) kommt Hurter auf 7,9, Germann auf 7,2 und Munz auf -7,5. Denn abgesehen von seinem ökologischen Engagement politisiert der parteilose Minder, der in der SVP-Fraktion sitzt, höchstens in EU-Fragen auf SVP-Linie – oft schlägt er jedoch weiter gegen rechts aus. Stimmte er noch 2014 als einziger Ständerat für die Ecopop-Initiative, verschickte Minder vor zwei Jahren einen «Weckruf» vor der 10-Millionen-Schweiz.
«Bei einem Fifty-Fifty zwischen Ökologie und Ökonomie ist mein Stichentscheid für die Ökologie», sagt er. Beim Gotthard-Ausbau habe man ihn deshalb fast aus der Fraktion geworfen. In der Causa Fäsenstaub-Ausbau in Schaffhausen sagt er heute mit Bedauern: «Sehr wahrscheinlich ist das nötig.» Und holt zu einer Erklärung aus, die die ökologische Krise mit der Migration vermischt – Ecopop 2.0. Das beste Beispiel dafür findet Minder direkt vor seiner Haustür: in Neuhausen. Dort hat er die vor Kurzem angenommene Burgunpark-Initiative finanziell unterstützt. Denn: «Dieses Dorf hat durch ihr wahnsinniges Wachstum kein Zentrum, kein Herz und keine Seele mehr. Diese Zersiedelung ist nur auf die Zuwanderung zurückzuführen. Und mehr Zuwanderung bedeutet auch: mehr Autos. Darum braucht es den Fäsenstaub leider. Ungesteuerte Zuwanderung ist kein nachhaltiges Modell.»
Wie es mit ihm weitergeht? Gute Chancen auf eine Wiederwahl hätte er – 2019 legte er mit einem Total von 14 813 sogar um 1000 Stimmen zu. Ob er noch einmal antritt, habe er noch nicht entschieden, sagt er der AZ. Ein Indiz dafür, dass er sich für eine Wiederwahl interessiert, lieferte er aber am diesjährigen Nationalfeiertag: Mit einem teuren Flyer zur «DNA der Schweiz» machte er alle Schaffhauser Haushalte auf sich aufmerksam.
Martina Munz: die Schafferin, die sich nicht verkaufen kann
Martina Munz erlebte, was die meisten Bundesparlamentarierinnen erleben: Sie blüht dann auf, wenn sie in die Kommission ihrer Wahl kommt. Als sie im Jahr 2013 für Hans-Jürg Fehr in den Nationalrat nachrückte, kam sie in in die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Das stand der einstigen Berufsschullehrerin zwar nicht im Weg (und sie schaffte es auch später, dass SBB-Tageskarten für Schulklassen nur noch 15 Franken pro Kind kosten, siehe AZ vom 11. November 2021). Aber weitaus besser vernetzt und bekannt ist sie in Umweltorganisationen, sei dies die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, Greenpeace, WWF oder auch die IG Lebensraum Klettgau. Zudem ist Munz Präsidentin der nationalen Gewässerschutzorganisation Aqua Viva.
Mit ihrer Wiederwahl 2019 rückte die heute 66-jährige Hallauerin schliesslich in ihre Wunschkommission: die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. Und mit der links-grünen Verschiebung im Parlament nach den Wahlen konnte sie «mehr erreichen als in der Legislatur davor», wie sie auf Anfrage sagt. Einer ihrer grössten Erfolge: In der Kommission feilte sie am Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative, welche die wichtigsten Punkte der Initiative – darunter Netto-Null der Treibhausgasemissionen bis 2050 – aufnahm und schliesslich beim Bundesrat auf offene Ohren stiess. Munz ist auch am Start, wenn es um den Ausbau erneuerbarer Energien geht: So setzte sie sich erfolgreich dafür ein, alle Infrastrukturen des Bundesamts für Strassen und der SBB für Fotovoltaikanlagen freizugeben. Das Gentech-Moratorium ist unter ihrer Mitarbeit verlängert worden (sie präsidiert die Schweizer Allianz Gentechfrei). Und schliesslich weibelt die Agronomin für eine pestizid- und glysophat-freie Landwirtschaft – ein Bereich, in dem sie aber ab und an Schiffbruch erleidet.
Munz hat sich nicht nur als Umweltpolitikerin einen Namen gemacht. Inner- und ausserhalb ihrer eigenen Partei gilt sie als gut vorbereitet, angenehm im Umgang – und als bemerkenswert fleissig. In der laufenden Legislatur hat sie bisher 93 Vorstösse eingereicht – zum Vergleich: Ratskollege Hurter kommt auf 16. Zu vernehmen ist auch, dass sie im Hintergrund viele Fäden zieht und auch mal an Vorstössen von Parlamentskolleginnen arbeitet. «Man erhält halt Impulse von anderen», sagt sie dazu, «innerhalb der SP kümmern sich nicht viele andere um die Landwirtschaft. Weil ich davon etwas verstehe, landet das dann oft auf meinem Tisch.»
Was in dieses Bild der dossiersicheren Schafferin nicht passt: Martina Munz erhält in Medien und Öffentlichkeit vergleichsweise wenig Präsenz – im Guten wie im Schlechten. Schlagzeilen der letzteren Sorte machte sie in der laufenden Legislatur nur einmal, nämlich mit der Unterstützung einer neuen Strahlenschutz-Initiative, welche von wissenschaftsfeindlichen Kreisen getragen wird (AZ vom 22. September 2022). Von verschwörungstheoretischen Aussagen distanzierte sich die Nationalrätin: «Wir sind der Wissenschaftlichkeit verpflichtet.»
Insgesamt spricht die Schweizer Mediendatenbank aber eine klare Sprache: Munz wurde seit Anfang 2020 847 Mal genannt, Kollege Hurter 1332 Mal. (Die beiden Ständeräte Germann und Minder kommen auf 1987 respektive 1420 Erwähnungen.) Und dies, obschon sie in Bern als hart in der Sache gilt und auch mal der eigenen Partei in Schaffhausen auf die Finger klopft, wenn diese beispielsweise die Akkreditierung einer privaten Hochschule zu wenig kritisiert (AZ vom 15. September 2022). Woran liegt das? Offenbar überschneiden sich hier Selbst- und Fremdbild: Munz hat keinen spektakulären Arena-Auftritt wie etwa eine Jacqueline Badran. Die Frage der AZ, ob zur Politik nicht auch Selbstdarstellung gehört, bejaht sie. «Aber es gehört auch zur Politik, sich nicht in den Vordergrund zu stellen, wenn man weiss, dass andere das besser können. Und viele Junge in der SP machen das super.» Eine andere, weniger bescheidene Erklärung könnte aber auch sein, dass Munz es als einzige linke Nationalrätin aus Schaffhausen nie gross nötig hatte, um die Aufmerksamkeit ihrer Wählerschaft zu kämpfen.
Im Hinblick auf die Wahlen ist bei Munz noch einiges offen. Sie sagt, für sie sei die Vorstellung schwierig, dass es in einem Jahr schon vorüber sein könnte, sie sei «irrsinnig happy». Sie sei aber auch bereit, zurückzustehen.
Was noch kommt
Dass es zu einer Rochade auf den vier Schaffhauser Stühlen in Bundesbern kommt, ist also absehbar. Ob und mit wem Martina Munz nochmal antritt, kommuniziert die SP noch nicht; für ihre Nachfolge sind unter anderem Linda de Ventura oder Romina Loliva im Gespräch (AZ vom 17. März 2022).
Tritt Hannes Germann tatsächlich zurück, dürfte Thomas Hurter sich für einen Sprung ins Stöckli warmlaufen. Damit würde ein Nationalratssitz frei – 2023 verspricht also, ein bewegtes Schaffhauser Wahlkampfjahr zu werden.