Mensch und Maschine

18. Februar 2022, Nora Leutert
Das Gespräch der Stunde: An der Stettemerstrasse wurde ein Pizza-Automat installiert.
Das Gespräch der Stunde: An der Stettemerstrasse wurde ein Pizza-Automat installiert.

Wir haben den Pizza-Automaten von Herblingen nicht besucht. Eine Rezension frei nach Slavoj Žižek.

Viel wurde über den Pizza-Automaten von Herblingen schon geschrieben. Er steht seit Anfang Februar neben der Spar-Filiale an der Stettemerstrasse. Man kann Geld in ihn einwerfen und sich eine heisse Pizza herausziehen. 24 Stunden rund um die Uhr, fertig in drei Minuten: Soviel wird durch das Foto klar, das online auf Social Media kursiert und das Interesse der Menschen weckt. Was hat es mit dieser neuartigen Maschine auf sich, was geht in ihr vor?

Der Pizza-Automat kurbelt den menschlichen Wissensdurst zu Höchstleistungen an. Die Hirnwindungen auf den lokalen Zeitungsredaktionen liefen vergangene Woche offenbar heiss. Der Zeitpunkt kam, da in jedem Journalistinnen-Kopf der Region das gleiche Licht aufleuchtet: Selbstversuch! Wir zitieren aus dem Schaffhauser Bock:
«Der kürzlich angebrachte Pizza-Automat sorgte beim Bock-Team für Gesprächsstoff. Irgendwie konnte sich niemand richtig vorstellen, dass ein solcher Automat ein qualitativ gutes Produkt hervorbringen kann. (…) Alle Fragen der Gourmands und Standortermittlungsexperten im Team konnten am Schreibtisch nicht beantwortet werden. Ein Selbsttest musste her.»
Auch die Schaffhauser Nachrichten testeten den Pizza-Automaten. Der Befund der SN: Der Boden der Pizza sei, wenn sie abkühlt, «mitsamt dem schönen Teigrand leider recht zäh und elastisch». Doch auch lauwarm schmecke sie ganz gut.

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Vielleicht fällt Ihnen auf, dass wir uns bei der Beschreibung des Pizza-Automaten stark auf die Vielzahl an Rezensionen stützen. So sagte und tat es auch der Kulturtheoretiker Slavoj Žižek in seiner Rezension zum neusten, viel gehypten Matrix-Film. Er rezensierte den Film, ohne ihn gesehen zu haben.

Auch wir haben den Pizza-Automaten nicht getestet.

Wir geben zu, wir wollten ihn testen. Auch wir dachten: Sape audere! Wage, zu wissen! Doch im allgemeinen Hype wurde schnell klar: Der Pizza-Automat ist kein gastronomisches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen.

Was an den regionalen Rezensionen zum Pizza-Automaten ins Auge fällt, ist ein ausgeprägter Fokus auf Mechanik und Geschmack. Die Schaffhauser Nachrichten fanden alles über die Maschine heraus, was man wohl herausfinden kann. Der runde Artikel der jungen Journalistin wird in den SN ergänzt durch die «Degustationsnotiz vom Connaisseur»: Wein-Journalist Ulrich Schweizer wurde eigens zum Selbsttest aufgeboten.

Aber sind das nicht die falschen Fragen, die wir an den Pizza-Automaten stellen? Ist er nicht viel mehr eine Metapher für unsere Zeit?

Die Pizza ist der brotgewordene Inbegriff des Lockdowns: Das höchst mobile Gericht, das wir nach Hause bestellen, um es mehr oder weniger alleine in unseren Wohnzimmern im warmen Schein unserer Bildschirme zu verdrücken. Hier nun aber wird der letzte menschliche Kontakt, der nette Pizzalieferant, durch einen kalten (wenn auch im Kern heissen) Automaten ersetzt. Wie bei Žižek, wie bei Matrix geht es auch hier um Mensch und Maschine.

Als Fazit zum Pizza-Automaten ziehen wir deshalb das Urteil von Slavoj Žižek über Matrix Resurrections herbei: «Boringly postmodern».