An der Bushaltestelle vor der Rhybadi fehlen seit der Sanierung der Uferpromenade die Sitzplätze. Eine Städterin probt den Aufstand.
«Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen», hat Albert Camus einmal festgestellt. Anders liesse sich die Vehemenz, mit der manche es mit Behörden und Ämtern – oder im Fall des verfluchten Griechen: einem Berg – aufnehmen, kaum erklären.
Seit dem Sommer liefert sich Heidi Klingler mit der Stadt einen Disput. Objekt der Kontroverse: die Bushaltestelle «Rhybadi/IWC». Seit der Sanierung der Rheinuferpromenade fehlen dort nämlich Sitzgelegenheiten. Klingler, eine 75-Jährige mit ansteckendem Lachen, verbringt den ganzen Sommer in der Rhybadi. Und ihr geht nicht in den Kopf, warum Badigäste beim Warten auf den Bus stehen müssen.
Deshalb intervenierte sie.
Im Sommer stellte die Seniorin einen Gartenstuhl unter das Haltestellendach. «Dies ist ein Provisorium!», schrieb sie in blauer Blockschrift. «Bitte erst entsorgen, wenn die Stadt endlich eine Sitzgelegenheit montiert hat.»
Der Sitzplatz verschwand ziemlich bald wieder. Unbeirrt organisierte Frau Klingler einen neuen Stuhl. Der verschwand wieder. Schliesslich klebte die Stadtschaffhauserin einen offenen Brief an Baureferentin Katrin Bernath neben einen weiteren Stuhl (wiederum Modell Balkonien): «Ich bitte Sie inständig, zeitnah, das heisst umgehend, den Marschbefehl zur Installation einer Sitzgelegenheit bei der Station Rhybadi zu erteilen.»
Sicher zehn Mal habe sie schon neue Stühle hingestellt, meist alte Stücke aus dem eigenen Haushalt oder von Bekannten. «Manchmal habe ich sie auch aus dem Abfall geklaubt, wenn sie noch brauchbar waren», schildert sie.
«So en Chabis»
Auf einem Zettel am neusten Exemplar steht: «Welche unsensiblen Kleingeister werfen die Stühle weg?» Offenbar ist es die Stadt. Und die hat für die sitzlose Situation bei der Bushaltestelle eine Erklärung. Die Haltestelle sei ein Spezialfall – und ein Kompromiss, schreibt das Tiefbauamt. Das Problem ist der Platz: Wegen der Badi auf der einen, der Strasse auf der anderen Seite ist er begrenzt. Für Menschen, die den Bus im Rollstuhl oder mit Rollator verlassen und wenden, muss laut Gleichstellungsgesetz mindestens 2,9 Meter Platz frei bleiben. Hinter der Haltestelle wiederum muss genügend Platz für Velos und Fussgängerinnen sein, auch das verlangt ein Gesetz. Darum: kein Sitzplatz möglich, auch kein Bänkli zum Anlehnen. «Für ein Verweilen finden sich weitere Sitzgelegenheiten wenige Meter entfernt entlang dem Velo- und Fussweg», vertröstet die Stadt.
«So en Chabis», findet Heidi Klingler. Sie habe sich auch schon in die Blumenkiste gesetzt. «Das Bedürfnis, beim Warten sitzen zu können, ist da. Ich bekomme nur positives Echo. Ein Sitzplatz würde wirklich niemanden beeinträchtigen.»
Sie habe einen langen Atem, sagt die Seniorin. Ob das eine Drohung sei? Sie lacht und verneint. «Aber ich werde Frau Bernath wieder schreiben. Und ich muss eventuell einen Stuhl aus dem Stadtratssaal holen, damit etwas geschieht.»
Auf den beiden neusten Stühlen steht: «Leider immer noch ein Provisorium». Klinglers Intervention regt auch die Fantasie anderer an. Ein Pendler findet: «Ich würde hier gleich ein ganzes Sofa hinstellen. Schön, mit Polstern, secondhand kaufen, ein Teppich darunter. Fertig.»
Das hätte sie längst gemacht, erwidert Heidi Klingler. Hätte sie denn ein Sofa.