Bestechend freiwillig

12. November 2021, Mattias Greuter
Konzerne sollen ihr Geld freiwillig zur Steuerverwaltung bringen dürfen.
Konzerne sollen ihr Geld freiwillig zur Steuerverwaltung bringen dürfen.

Ein kleiner Schritt in Richtung Korruptionsbekämpfung und ­freiwillige Steuern für Konzerne: Die kuriose Volksabstimmung vom 28. November.

Das einzige kantonale Abstimmungsgeschäft am 28. November hat einen denkbar sperrigen Titel: Änderung des Steuergesetzes (Anpassungen an Bundesrecht; Flexibilisierung Gewinnsteuersatz). Doch die Vorlage hat es in sich. Es geht um Korruption, schmutziges Geld und ein bemerkenswertes Novum in der Schaffhauser Politik: freiwillige Steuern. Eine Aufschlüsselung anhand der wichtigsten Fragen.

Warum die Revision?

Der Kanton Schaffhausen ist nicht selber auf die Idee gekommen, an der Besteuerung von international tätigen Firmen etwas zu verändern. Er zieht vielmehr nach, was andere Kantone und der Bund vorgelegt haben.

Das Ziel der Übung ist keineswegs, dass Konzerne mehr Steuern zahlen (obwohl laut Vorlage «in geringerem Mass höhere Steuereinnahmen möglich» sind), sondern dass sie möglichst in Schaffhausen bleiben.

Was ist neu?

Die Revision hat zwei Hauptbestandteile. Erstens sollen Firmen ausländische Bussgelder und Bestechungsgelder an Privatpersonen nicht mehr als Aufwand geltend machen, also bei der Steuererklärung abziehen dürfen.

Sie haben richtig gelesen: Eine Firma, die von einem ausländischen Gericht zu einer Busse verurteilt wird, konnte diese bisher in der Schweiz als «ge­schäftsmässig begründeten Aufwand» in Abzug bringen. Der Bund hat damit Schluss gemacht, der Kanton zieht nach. Allerdings mit einer Ausnahme: Wenn die Busse gegen den «schweizerischen ordre public» verstösst oder eine Firma «glaubhaft darlegt, dass sie alles Zumutbare unternommen hat, um sich rechtskonform zu verhalten», bleiben Bussen abzugsfähig.

Auch eine Firma, die Privatpersonen bestochen hat, konnte das Bestechungsgeld bisher ganz legal als Geschäftsaufwand in Abzug bringen. Nur Bestechungen an «schweizerische oder fremde Amtsträger» waren schon bisher nicht abzugsfähig.

Der zweite Teil der Revision hat mit der tiefen Steuerbelastung zu tun, mit denen sich Schaffhausen als Oase für Konzerne positioniert hat. Es zeichnet sich ab, dass die OECD und die G20-Staaten eine Mindeststeuer von
15 Prozent einfordern werden – mehr als die bisherige Steuerbelastung in Schaffhausen.

Das könnte für Schaffhausen ein Problem werden: Wird eine Firma, die in Schaffhausen weniger als 15 Prozent Steuern zahlt, von einem anderen Staat zusätzlich zur Kasse gebeten, ist die Attraktivität des Standorts Schaffhausen in Gefahr, erklärt die Regierung. Sie übernimmt deshalb einen Trick, den eine Reihe von anderen Kantonen vorgemacht haben: Internationale Konzerne können in Schaffhausen freiwillig etwas mehr Steuern zahlen, um den ausländischen Steuerbehörden zeigen zu können: Seht her, wir zahlen genug.

Warum müssen wir abstimmen?

Der Handlungsbedarf ist einigermassen unbestritten. Das Argument, dass Konzerne weiterhin dabei unterstützt werden, Gewinne aus dem globalen Süden in die Steueroase Schweiz zu tragen, fand im Kantonsrat wenig Gehör – ebenso die Feststellung, dass die neue Regelung bald schon zum Auslaufmodell wird, wenn sich eine globale Mindeststeuer von
15 Prozent durchsetzt.

Für die Vierfünftelsmehrheit, die es im Kantonsrat gebraucht hätte, um das Gesetz ohne Volksabstimmung einzuführen, reichte es dennoch nicht. Im ersten Anlauf enthielten sich 13 Ratsmitglieder der Stimme. In der Hoffnung, einen Urnengang zu verhindern, wurde einfach noch einmal abgestimmt. Tatsächlich kippten drei SP-Kantonsräte von Enthaltung auf Ja, allerdings kippten auch zwei AL-Kantonsräte von Enthaltung auf Nein. Mit 42 Ja-Stimmen (von 53) war die Vierfünftelsmehrheit ganz knapp nicht erreicht, und deshalb kommt das Geschäft an die Urne.

Wer ist dagegen?

Im Parlament war die AL-Grüne-Fraktion gegen die Revision, und entsprechend empfehlen diese beiden Parteien jetzt ein Nein an der Urne. Überraschend kommt aber die Nein-Parole der SP: Im Parlament stimmte die Hälfte der SP Ja, die andere Hälfte drückte auf «Enthaltung» oder gar keinen Knopf. Nein-Stimmen gab es aus der SP keine. Die Basis hat jetzt korrigiert und mit überwältigendem Mehr eine Nein-Parole gefällt. Die GLP und die bürgerlichen Parteien sind geschlossen für ein Ja.