Prekäre Partnerschaft

5. November 2021, Doerte Letzmann
Fotos: Nora Dal Cero
Fotos: Nora Dal Cero

In Schaffhausen breitet sich der Lieferservice Uber Eats aus. Für die Restaurants bedeutet er hohe Abgaben und versteckte Kosten. Trotzdem sehen sich viele gezwungen, mitzumachen.

Seit Februar 2021 gibt es in Schaffhausen Uber Eats, eine App, mit der man in verschiedenen Restaurants Essen bestellen und liefern lassen kann. Die Plattform wächst beständig: In einer Medienmitteilung von August 2021 spricht Uber Eats von rund 20 «Partner-Restaurants» im Kanton. Und es werden immer mehr. Mit enormen Angeboten werden Kunden gelockt, nahezu jedes Wochenende gibt es Rabatte bis zu 75 Prozent für diejenigen, die über die App bei einem Restaurant bestellen.

Uber Eats ist Teil des amerikanischen Unternehmens Uber, das einen Online-Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung, also einen Taxi-Service, anbietet. Bei Uber Eats gilt das gleiche umstrittene Prinzip wie bei den Fahrern: Die Kuriere, die das Essen ausliefern, gelten als selbständig, bekommen kein Gehalt und sind nicht sozialversichert. Sie bekommen für jede Lieferung Geld – aber wenn niemand Essen bestellt, dann gehen sie leer aus. In grossen europäischen Städten wie London steht der Velo-Kurier mit dem Isolierwürfel auf dem Rücken deshalb symbolisch für die sogenannte Gig-Economy und damit für das neue Prekariat.

Auch Restaurants leiden unter hohen Abgaben und versteckten Kosten, zumindest in Schaffhausen. Trotzdem entscheiden sich immer mehr zu einer Zusammenarbeit mit Uber Eats. Neben den grossen Ketten Burger King und Subway sind auf der Plattform kleinere Restaurants und Imbisse vertreten, vor allem asiatische, indische und Pizzabuden. Unsere Recherche zeigt: Es sind überwiegend die Restaurants, die ohne einen Lieferservice die Pandemie nicht überleben würden oder die sich gezwungen sehen, auf diese Weise Werbung zu machen und neue Kunden zu gewinnen. Genau das weiss Uber Eats auszunutzen. Das Unternehmen verspricht den Restaurants, dass sie ihre «Reichweite vergrössern und ihre Umsätze erhöhen» können. Sieht man sich jedoch an, unter welchen Bedingungen die Restaurants teilnehmen, dann stellt sich die Frage: Wem nützt diese Partnerschaft wirklich?

Selber liefern oder nicht

Das Prinzip der Online-Plattform, auf dem man bei verschiedenen Restaurants bestellen kann, ist nicht neu. In der Schweiz gibt es Just Eat, früher EAT.ch, schon seit 14 Jahren. Auf der Online-Plattform sind die verschiedensten Restaurants präsent, Just Eat wickelt für sie die Bestellungen einheitlich ab und die Restaurants liefern dann selber das Essen aus. Dafür geben die Beizen 13 Prozent des Umsatzes an Just Eat ab.

Auch bei Uber Eats kann man ein ähnliches Geschäftsmodell wählen. Entscheiden sich die Gastronomen für die «Integration des eigenen Lieferservices», wie Uber Eats es nennt, und auf die Uber-Kuriere zu verzichten, dann zahlen sie 15 Prozent des Bestellwertes an Uber Eats, wie verschiedene Restaurantbesitzer der AZ bestätigen. Wohlgemerkt: Die Kunden bezahlen Uber Eats, das dann wöchentlich die Umsätze an die Restaurants weitergibt – abzüglich seiner «Provision».

Für das integrative Modell hat sich A. Mariadas, der Inhaber des Adhriana Restaurants in Neuhausen, entschieden. Sein Restaurant ist bei Just Eat und bei Uber Eats vertreten. Kommt eine Bestellung rein, egal, über welche App, dann liefern seine Mitarbeitenden die Mahlzeit selber aus. Eigentlich würde Mariadas lieber ganz auf Lieferungen verzichten, denn sie verursachen hohe Nebenkosten, die ihm keiner erstattet: Verpackung, Treibstoff, Versicherung, zählt er auf. Mit der Pandemie blieben jedoch die Gäste fern und das bedeutete für ihn einen Umsatzrückgang von 45 Prozent. «Wir machen den Lieferservice nur, damit wir überleben können», sagt er resigniert. «Es ist kein einfacher Job», fügt er hinzu.

Für Mariadas ist es besser, wenn Kunden direkt per Telefon im Restaurant bestellen, statt über eine der Apps. Aber er will auch die ansprechen, die nur online bestellen, denn es kommt auf jeden einzelnen Kunden an. Er hofft auf bessere Zeiten, denn eigentlich sei er Wirt geworden, weil er gerne Gastgeber sei, sagt er.

Wer Uber Eats so nutzt wie Mariadas, für den macht es keinen grossen Unterschied, ob ein Essen über Just Eat oder Uber Eats bestellt wird. Wer aber selber keine Lieferung anbieten kann und die Uber-Kuriere nutzen will, für den sieht es anders aus. Denn dann muss ein Gastronom 30 Prozent des «Gesamtwertes der Bestellung» an Uber Eats abdrücken, wie das Unternehmen auf Anfrage der AZ bestätigt. Einige sind aber gerade auf die Kuriere angewiesen, weil sie die Lieferlogistik alleine nicht stemmen können.

Erfolgsmodell Zürich

In Zürich ist Uber Eats schon länger etabliert als in Schaffhausen und dort nutzen viele Restaurants die Velo- und Töff-Kuriere des Unternehmens. Das hat auch mit der Pandemie zu tun.

Der Mitinhaber eines Restaurants, der anonym bleiben will, sah sich während der Pandemie gezwungen, auf Auslieferungen umzustellen, um seine Mitarbeiterinnen nicht entlassen zu müssen. Uber Eats habe die nötige Lieferlogistik schnell zur Verfügung stellen können. Im Alleingang wäre das für ihn nicht möglich gewesen. Trotzdem sei er zwiegespalten, denn er stehe dem Geschäftsmodell und vor allem den Arbeitsbedingungen der Kuriere kritisch gegenüber, erklärt er. Und er warnt: «Die wöchentlichen Abrechnungen sind komplex und schwierig nachzuvollziehen. Ich bin mir sicher, dass 70 Prozent der Uber Eats Partner keine Ahnung haben, was da passiert.»

Der Gastronom will nur so lange mit Uber Eats zusammenarbeiten wie nötig. Sobald es geht, will er darauf verzichten. Auch in Schaffhausen benutzen Restaurants Uber Eats, weil sie selber keinen Lieferservice anbieten.

Penpa Baumgartner vom Restaurant Penpa’s in der Altstadt, das Momos und Bibimbap anbietet, ist deswegen bei Uber Eats. Sie kennt die App aus Zürich. Als neues Restaurant – Penpa’s eröffnete erst im Frühling – wollte sie auf mindestens einer der Plattformen präsent sein, um für sich zu werben, trotz der hohen Abgaben. Auch sie sagt: «Für uns ist es besser, wenn die Kunden telefonisch bei uns bestellen.» Dann müssen die Kunden das Essen aber abholen. Die Lieferung geht nur per Uber Eats. Das scheint die Kunden jedoch nicht abzuhalten. Baumgartner sagt, dass die meisten Bestellungen direkt eingehen.

Auch Wow Sushi & Momo im Löwengässchen und Khawa in der Stahlgiesserei, die beide Sushi und Momos anbieten, nennen Werbung als stärksten Grund, warum sie bei Just Eat oder Uber Eats vertreten sind. Beide gibt es erst seit diesem Jahr.

Versteckte Kosten

Brisant ist, dass die hohen Abgaben bei einer Bestellung nicht die einzigen Kosten sind, die auf die Gastronomen zukommen, wenn sie sich bei den Plattformen registrieren.

Um Bestellungen über Uber Eats annehmen zu können, brauchen die Restaurants jeweils ein Tablet, auf dem die Bestellungen eingehen. Wenn sie keines haben, dann bekommen sie eines von Uber Eats. Er habe dafür aber 250 Franken im Voraus berappen müssen, erzählt Mariadas. Dazu kam noch eine «Aktivierungsgebühr» von 50 Franken. Uber Eats antwortet ausweichend auf die Nachfrage der AZ und sagt, «die Restaurants können frei entscheiden, welche Hardware sie nutzen» und dass Uber Eats sie auf Wunsch zur Verfügung stelle.

Auch für die Kuriere lauern versteckte Kosten. Abdul* liefert im Nebenjob für Uber Eats in Schaffhausen aus mit dem Auto. Die quadratische Isoliertasche mit dem Uber Eats Aufdruck, mit der das Essen ausgeliefert wird, muss er für 110 Franken aus der eigenen Tasche vorher anschaffen. Das steht in keinem Verhältnis zum Gewinn, den er als Kurier macht: Für jede Fahrt bekommt er vier Franken plus 1,50 Franken pro Kilometer. An einem Abend hat er für vier Fahrten in drei Stunden knapp 32 Franken verdient. Benzinkosten werden ihm nicht erstattet. Abdul will trotzdem weitermachen, denn als Vater von drei Kindern und Alleinverdiener in der Familie ist er auf den Nebenverdienst angewiesen.

Das zeigt: Kuriere wie Gastronomen müssen für die Partnerschaft mit Uber Eats knallharte Bedingungen in Kauf nehmen. Wer den Restaurants helfen will, der bestellt deshalb lieber direkt bei der Beiz. Oder noch besser, geht ins Restaurant und lässt sich bewirten.

*Name geändert