Lautes Auto oder lauter Fahrer? Beides, urteilt das Kantonsgericht. Und setzt damit ein Zeichen gegen Autoposer.
Autoposer zu büssen, ist gar nicht so einfach. Anders als gegen zu schnelle Fahrer gibt es gegen zu laute Fahrer keine Hilfsmittel wie Radarfallen. Das heisst, man muss einen Poser dabei ertappen, wie er «vermeidbaren Lärm verursacht», um ihn dingfest zu machen. Und selbst dann ist eine Verurteilung nicht garantiert, wie zum Beispiel ein Fall aus Zürich zeigt. Ein Lamborghini-Fahrer wurde beobachtet, wie er mitten in der Stadt seinen Motor aufheulen liess. Das Obergericht sprach ihn frei: Ein Lamborghini sei nun mal laut, der Lärm sei nicht «vermeidbar» gewesen und damit der Straftatbestand nicht erfüllt.
Ähnlich argumentiert auch Anwalt Dieter Schilling vergangene Woche vor Kantonsgericht: «Dieses Auto ist laut. Aber es ist in der Schweiz zugelassen. Das darf meinem Mandanten nicht zum Nachteil gereichen.»
Schilling vertritt einen unauffälligen 34-Jährigen in Jeans, T-Shirt und Sneakern – Filialleiter und stolzer Besitzer einer sportlichen Mercedes-Limousine. Gut 480 PS, 4 Liter Hubraum, in vier Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. Vor Gericht steht er wegen eines Freitagabends im Juni vor einem Jahr, als er zusammen mit vier Passagieren in diesem Auto von Neuhausen in Richtung Schaffhausen fuhr. Um 20 vor elf, so steht es im Strafbefehl, den er gut fünf Monate später im Briefkasten findet, habe er «auf Höhe des Wohngebietes Charlottenfels» seinen Wagen «bis kurz vor dem Stillstand abgebremst, um anschliessend in niedrigen Gängen den Motor hochdrehen zu lassen». Dabei seien «Knallgeräusche» entstanden, weil der Mann im «Performance-Modus» gefahren sei. So die Sicht zweier Polizisten in einem Zivilfahrzeug, die den Angeklagten und seine vier Freunde zuerst kreuzten, dann beim Scheideggkreisel wendeten und die Verfolgung aufnahmen.
Der Mann erhebt Einsprache gegen den Strafbefehl, gut ein Jahr später steht er vor Gericht und erzählt seine Version.
Das Ganze sei so abgelaufen: Er habe an der Tankstelle an der Schaffhauserstrasse Zigaretten kaufen wollen. «Ich bin kurz ausgestiegen, aber der Laden hatte zu, also bin ich wieder eingestiegen und losgefahren.» Bei der Ausfahrt aus dem Scheideggkreisel habe ihn seine Kollegin gefragt, ob es noch eine andere Möglichkeit gebe, um diese Zeit Zigaretten zu kaufen. Für einen Moment sei er «mit den Gedanken leicht woanders» gewesen. Dann sei ihm seine tiefe Geschwindigkeit aufgefallen (er spricht von 30 km/h), er habe einmal geschaltet und auf 50 beschleunigt.
Auf die Frage der Richterin Dina Weil, ob es dabei zu Knallgeräuschen gekommen sei, sagt der Angeklagte: «Das kann ich nicht beurteilen. Eventuell.»
«Es ist fraglich, ob der Lärm überhaupt hätte vermieden werden können», so sein Anwalt Dieter Schilling, der kurz darauf seinen Parteivortrag hält. Dass es laut war an diesem Abend im Juni, bestreitet also nicht einmal die Verteidigung. Einen Seitenhieb gegen die Polizei verteilt Schilling diesbezüglich zwar trotzdem: Einer der beteiligten Polizisten sei in der Vergangenheit bereits «oft bei Lärmklagen aufgefallen» und habe scheinbar «ein empfindliches Gehör». Doch das scheint eher ein Nebenschauplatz.
Die Hauptstrategie der Verteidigung: Zweifel darüber sähen, ob der Fahrer etwas dafür konnte, dass es laut war. Zum Beispiel an der Schilderung der beiden Polizisten, was das Abbremsen «bis kurz vor den Stillstand» betrifft: «Die Streife war in entgegengesetzter Richtung unterwegs, was die Einschätzung der Geschwindigkeit, wenn nicht verunmöglicht, dann erheblich erschwert.» Und der «Performance-Modus» habe gar nicht aktiviert sein können, weil das Auto nach dem Anhalten automatisch in den «Comfort-Modus» schalte. Und sein Mandant habe ja an der Tankstelle angehalten.
Richterin Dina Weil lässt sich davon nicht beeindrucken. Der Sachverhalt sei zwar «zum Teil umstritten», doch sie vertraue der Aussage der beiden Polizisten mehr als der des Fahrers und seiner Mitfahrerinnen. «Ob es jetzt der Performance- oder der Comfort-Modus gewesen ist, ist nicht von Relevanz», sagt sie. Durch «unsachgemässes Bedienen des Fahrzeugs» habe der Angeklagte vermeidbaren Lärm produziert. Die im Strafbefehl genannte Strafe von 300 Franken wird zwar halbiert, doch die Gerichtskosten von 1500 Franken muss der laut eigenen Angaben um 10 000 verschuldete Mann trotzdem tragen.
Laut seinem Anwalt akzeptiert er das Urteil und verzichtet auf einen Weiterzug vor Obergericht.
Anders als in Zürich, wo man dem Mann am Steuer glaubte, vertraut man hier also den Ohren ausserhalb der Karosserie.