Ronny Regional

8. Oktober 2021, Marlon Rusch
Ronny Bien im Zentrum der Mannschaft. «Sein Abgang tut richtig weh», sagt FCS-Captain André Luis Neitzke. Bilder: Roger Albrecht / sport-presse.com
Ronny Bien im Zentrum der Mannschaft. «Sein Abgang tut richtig weh», sagt FCS-Captain André Luis Neitzke. Bilder: Roger Albrecht / sport-presse.com

FCS-Mediensprecher Ronny Bien war die Identifikations­figur des Vereins. Nun wurde er entlassen. Die Fans ver­stehen die Welt nicht mehr.

Remo Conoci, der Medienchef des FC Aarau, sagt es so: «Bisher war der FCS für mich irgendein Club in irgendeinem neuen, kalten, leeren Stadion mit einem Sympathieträger namens Ronny Bien. Jetzt ist es nur noch irgendein Club in irgendeinem neuen, kalten, leeren Stadion.»

Montagmittag in der Innenstadt. Ronny Bien trinkt Kaffee, raucht Zigaretten und versucht, seine Situation positiv zu sehen. Doch es will ihm nicht so recht gelingen. Zum ersten Mal seit Urzeiten muss er einen ganzen Tag nicht arbeiten (die letzten Ferien liegen fast zwei Jahre zurück). Doch was heisst schon «Arbeit» für einen, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat? Auf dem Papier war Bien bis Ende September Mediensprecher des FC Schaffhausen. Er selber sagt, durch seine Adern fliesse gelb-schwarzes Blut. Ein Leben für den Verein: Fan seit dem 6. Lebensjahr, Reanimator der Bierkurve in den 90er-Jahren, jahrelang Arbeitskraft im Catering, seit acht Jahren im medialen Bereich, ab 2015 (mit Unterbruch) Stadionsprecher. Sein langgezogenes Hoooooooooop Schaffhuuuuuuuseee! – Kult.

Ende September 2021 kommunizierte der FC Schaffhausen den Abgang von Ronny Bien in vier nüchternen Sätzen: «Die FC Schaffhausen AG und der Medienverantwortliche Ronny Bien lösen einvernehmlich den Arbeitsvertrag auf. […] Der FC Schaffhausen bedankt sich bei Ronny Bien für die Mitarbeit der letzten zwei Jahre.»

In einer Stellungnahme schrieb Bien daraufhin, die Geschäftsleitung habe ihn Ende Juni darüber orientiert, dass «finanzielle Einsparungen» gemacht werden müssten und sein Vertrag deshalb aufgelöst werde. Einvernehmlich war die Trennung nicht. Und seither wird in Schaffhausen gerätselt, wie es dazu gekommen ist. Ein Fan schrieb an die Adresse von Bien: «Das, was du machtest, hat zuvor jahrelang gefehlt. Wie kann man aus finanziellen Gründen (wohl mit dem Cüpli in der Hand) eine der für die Fans wichtigsten Positionen neben dem Platz überhaupt nur antasten? Danke für dein Herzblut, es wird dem FCS noch früh genug fehlen, das wissen wir alle aus Erfahrung.»

Bien hatte einen Vertrag über 100 Stellenprozente. Gearbeitet hat er deutlich mehr. Eine Aufstellung seines Tätigkeitsfeldes habe sechs A4-Seiten gefüllt, sagt er. Er war das Scharnier von der Geschäftsleitung nach aussen, zu den Medien, zum Verband, zu den Fans. Aber auch nach innen, zur Mannschaft. Er hat Spiele vorbereitet, sich in die Chroniken gewühlt, Matchvorschauen geschrieben, anschliessend Berichte, Tabellen aktualisiert, Statistiken geführt. Wenn es kriselte, hat er versucht, Tolggen auszumerzen, Gegengewicht zu geben, den Verein strahlen zu lassen. Er konnte die Mannschaft aber auch anstacheln, er war täglich bei ihr, «für uns Spieler ist er eine wertvolle Unterstützung», sagte FCS-Captain André Luis Neitzke gegenüber den Schaffhauser Nachrichten.

Sport-Presse/Roger Albrecht
Sport-Presse/Roger Albrecht

Als während der Pandemie niemand ins Stadion durfte und die Fans die neuen Spieler nicht sehen konnten, kämpfte Bien mit ­Videointerviews gegen die Entfremdung. Die Fan-Beauftragte bezeichnete den Abgang von Bien gegenüber den SN als «Schock für die Fans». Seit Bien die Spiele moderierte, lief im Stadion keine Hitparade mehr. Bien, selber Musiker und in der Band-Union aktiv, spielte lokale Bands. Ob der Zuschauerschnitt auch ohne ihn angestiegen wäre – ungewiss.

Gerade nach dem Abgang der Fontana-Familie und der Übernahme durch Roland Klein und die Yakins war Bien für viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser das Gesicht des Vereins.

Klein will gar keine Öffentlichkeit

Am selben Tag, als der FC Schaffhausen das Ende der Zusammenarbeit mit Bien vermeldete, erschien in den SN ein Artikel über Artim Shaqiri, den Trainer aus Nordmazedonien, den der FCS anstellen wollte, der bereits vorgestellt worden war, dann aber keine Arbeitsbewilligung für die Schweiz erhielt. FCS-Geschäftsführer Roland Klein sagte gegenüber den SN: «Wir schauen, wie wir ihn im Ausland in das FCS-Konstrukt einbinden können. Eventuell können wir ihn als Scout einsetzen, der im Ausland für uns arbeitet.» Einen Tag später erklärte Klein den Abgang von Ronny Bien gegenüber den SN folgendermassen: «Der Betrieb darf nicht zu kopflastig werden, unser Fokus muss vor allem auch auf dem Sport liegen.»

Wie passt das alles zusammen? Warum musste Ronny Bien wirklich gehen?

Dass es tatsächlich ausschliesslich um die Finanzen ging, kann Bien nicht bestätigen. Er sagt auch, für sein Pensum habe er «deutlich unter dem Durchschnittslohn» eines Medienverantwortlichen verdient.

Das Verhältnis zu Roland Klein sei «sehr professionell» gewesen. Klein, der seine Sporen im asiatischen und im arabischen Raum abverdient hat, habe ein sehr defensives Verständnis von Medienarbeit: «Wir haben manchmal reagiert, statt zu agieren», sagt Bien.

Klein will keine Öffentlichkeit. Damit macht er sich bei der Schaffhauser Öffentlichkeit automatisch verdächtig. Bien findet, man hätte einige Situationen mit etwas mehr Transparenz entschärfen können.

Die Geschäftsführung bot ihm nach der Kündigung an, weiterhin für den FCS zu arbeiten, im Kleinstpensum als Stadionsprecher. Bien hat früher schon als Speaker fungiert, unentgeltlich. Heute sagt er, er könne diese Arbeit nicht mehr machen ohne den Background, den er sich in den vergangenen Jahren erarbeitet habe. Ohne nah dran zu sein am Verein.

Ronny Bien wird dem Verein aber nicht den Rücken kehren. Nach wie vor arbeitet er mit einem kleinen Team für das grosse Jubiläumsbuch-Projekt – unentgeltlich. Er trifft sich mit diversen ehemaligen Spielern und Funktionären. Und er sagt zu den Leuten: «Bleibt dem Verein treu!»

Die AZ hätte gern mit der Geschäftsleitung über Bien gesprochen. Eine Medienanfrage blieb jedoch unbeantwortet. Das ist sie wohl, die neue Art der FCS-Kommunikation.