Wo steht das Museumsprojekt und wer bestimmt, wie es weiter geht? Wer genau hinhört, kann es erahnen.
Was beim «Austauschtreffen» zur Zukunft des Museums, das die Stadt heute vor einer Woche einberufen hatte, klar wurde: Die Kontroverse um das Projekt Museum 2025 ist im Kern ein grosses Missverständnis. Doch daran hat auch dieses Treffen nur bedingt etwas ändern können, denn es ist ein Missverständnis der vorprogrammierten Sorte.
Um das zu verstehen, müssen wir gut drei Jahre in der Zeit zurückgehen. Im Frühling 2019 wird bekannt: Die Sturzeneggerstiftung, welche das Museum zu Allerheiligen zu einem grossen Teil finanziert, verzichtet darauf, der Stadt ein Stockwerk im Kammgarn-Westflügel abzukaufen und dem Museum zur Verfügung zu stellen. Ob die Stiftung das nach reiflicher Überlegung nicht mehr sinnvoll fand, oder ob die Stadt schlicht andere Pläne für die Kammgarn hatte – kommuniziert wurde jedenfalls, man sei «gemeinsam zu diesem Schluss gekommen». Spätestens da war klar: Die Sturzeneggerstiftung hat Geld auf der hohen Kante, will investieren. Wenn nicht in der Kammgarn, dann auf der bestehenden Fläche. Und die Stadt war nicht abgeneigt, miteinzusteigen. Etwa zu diesem Zeitpunkt, darf man annehmen, muss die Stiftung das signalisiert haben, was Stiftungsrat Stephan Kuhn an einer Medienkonferenz im Juni dieses Jahres so formulierte: «Wer den Klavierspieler bezahlt, darf auch mitbestimmen, was gespielt wird.»
Also beschloss man, die Zukunft des Museums zur Chefsache zu machen. Statt der städtischen Museumskommission, in der auch die «museumsnahen Vereine» (Museumsverein, Naturforschende Gesellschaft, Kunstverein, Historischer Verein und Pro Iuliomago) vertreten sind, und die in der Vergangenheit als strategisches Organ fungiert hatte, wurde dafür ein «Lenkungsausschuss» gebildet: drei Mitglieder des Sturzenegger-Stiftungsrats, drei aus dem Stadtrat und die Museumsdirektorin. Bald wurde ein Projektleiter vorgestellt, eine Studie in Auftrag gegeben. Der Auftrag offenbar: eine «inhaltliche, betriebliche und bauliche Machbarkeitsstudie». Zitat Co-Studienautorin Barbara Holzer. Mit anderen Worten: Holzer und ihre Kollegin Tanja Kullack sollten das ganze Museum neu denken. Und das taten sie.
Was dann passierte, dürfte regelmässigen AZ-Leserinnen bekannt sein: Nachdem die Machbarkeitsstudie im Juni dieses Jahres vorgestellt und in die Vernehmlassung geschickt worden war, kam der Aufschrei der Ehemaligen: Hans Konrad Peyer, alt Präsident der Sturzeneggerstiftung, bezeichnete das Projekt öffentlich als «Zerstörung unseres Museums», der ehemalige Vorsitzende des Kunstvereins, Roger Ballmer, stimmte in die Kritik mit ein und schliesslich warf Ex-Museumsdirektor Peter Jezler der Studienautorin auch noch «fehlende kulturhistorische Kompetenz» und «pseudotrendige Gegenläufigkeit» vor.
Die Kritik kommt nicht ganz unerwartet. Jezler und Peyer stehen auf der Verliererseite einer geplanten Veränderung: Nach den Vorschlägen in der Machbarkeitsstudie wäre es vor allem die historische Abteilung, welche an Prominenz einbüssen würde. Der Schluss liegt jedoch nahe, dass da zumindest teilweise auch noch alte, persönliche Rechnungen mit den heutigen Verantwortlichen offen sein könnten.
Diskussionsebene unklar
Die Meinung der «betagten Männer» habe man nun gehört, sagte Stephan Kuhn am vergangenen Donnerstag in der Rathauslaube. Jetzt sei es an der Zeit, auch die Stimmen «der Jungen und der Frauen» einfliessen zu lassen. Peyer, Ballmer und Jezler suchte man denn auch vergeblich am vergangenen Donnerstagabend in der Rathauslaube. Sie waren nicht eingeladen. Auf der Gästeliste waren jeweils zwei Vertreterinnen der «museumsnahen Vereine» und der politischen Parteien. Ausserdem anwesend: fast alle Kadermitarbeitenden des Museums und zwei Pressevertreter. Es war der Versuch seitens des Lenkungsausschusses, den Diskurs in eine andere, eine konstruktive Richtung zu lenken. Geklappt hat das so mässig gut. Wieder verfiel man ins alte Schema, verbiss sich in die kleinsten Details. Sie sei «empört» über den englischen Schriftzug an der Aussenfassade, der auf den Visualisierungen zu sehen ist, sagte Irene Eichenberger von den Grünen. «Die Archäologie gehört nicht in den Dachstock, sondern auf den Boden!», monierte Beatrice Ruckstuhl vom Verein Pro Iuliomago. Und Rudi Alder vom Kunstverein: «Im Kreuzsaal soll ein ‹Extro› entstehen. Aber da hat es gar keinen Ausgang!»
Das wohl meistbeachtete Votum kam indes wiederum von einem Peyer. Nicht Hans Konrad, sondern Andreas Peyer, ein paar Jahrzehnte jünger, Immobilienunternehmer aus Zürich und Co-Präsident der Peyer’schen Tobias Stimmer Stiftung: «Studie, Projekt, Skizze, Konzept – worüber sprechen wir hier überhaupt?» Es war die Frage des Abends. Nicht nur, weil die Verantwortlichen auf der Bühne keine schlüssige Antwort darauf geben konnten. Sondern auch, weil sie genau den Kern des Problems traf: Man hat sich nie auf eine gemeinsame Diskussionsebene geeinigt.
Das vorliegende 65-Seiten-Papier heisst «Machbarkeitsstudie». Eine eigentliche Machbarkeitsstudie ist es aber nur am Rande. Die Autorinnen zeigen auf: Man kann die Sparten flächenmässig neu verteilen, die Ausstellungen flexibler gestalten, einen neuen Eingang bauen. Zu einem grossen Teil wird die Studie aber sehr konkret und nimmt bereits vorweg, was nach dem üblichen Vorgehen eigentlich frühestens in die nachgelagerte Vorprojektphase gehören würde: Mit detaillierten Grundrissen in verschiedenen Varianten wird etwa erörtert, wo genau das Kesslerloch-Diorama in Zukunft hinkommen soll.
Es handle sich nicht um ein «fertiges Projekt», sagt Kulturreferent Raphaël Rohner und: «Es ist noch nichts in Stein gemeisselt.» Auch Stephan Kuhn von der Sturzeneggerstiftung betont im Interview mit den SN: «Wichtig ist, dass es sich bei der Machbarkeitsstudie nicht um ein fertiges Projekt und schon gar nicht um Baupläne handelt, sondern um Ideen.» Auf Nachhaken der SN spricht er dann aber doch von einem «durchdachten Projekt».
Also, was gilt jetzt? Auf welcher Ebene soll in diesem Vernehmlassungsverfahren gedacht und diskutiert werden? Was ist, wenn die Mehrheit der Teilnehmenden für etwas votiert, das den doch eher eng gefassten Grundannahmen der Studie widerspricht? Nur ein Beispiel: Die Auslagerung einer der Sparten in ein separates Museum war auch am vergangenen Donnerstag ein Thema. Man habe das «intensiv diskutiert» und sich dagegen entschieden, so die Antwort des Lenkungsausschusses.
«Nichts in Stein gemeisselt» sieht jedenfalls anders aus.
Wer das letzte Wort hat
Der einzige Beschluss, der an dieser Versammlung gefällt wurde: Die Vernehmlassungsfrist dauert nun bis Ende Oktober statt, wie ursprünglich geplant, Mitte September.
Realistisch ist dieser Weg nicht. Ob es aber überhaupt zu einem Projekt kommt, darüber hat die Stiftung das letzte Wort. Allzu konfrontatives Beharren auf demokratischen Prinzipien wird also nicht drinliegen. Wenn sich die Stiftung zurückzieht, fehlen zwei Drittel der Finanzierung und Museum 2025 ist Geschichte.
Schliesslich wird die Zukunft des Museums davon abhängen, wer mitreden darf, und wessen Meinung in welcher Form berücksichtigt wird. Nicht nur in der Vernehmlassung, sondern auch danach und vor allem: innerhalb des Lenkungsausschusses. Wer vor einer Woche genau hingehört hat, dürfte ahnen, dass hinter den Kulissen ein Machtkampf brodelt. Und zwar zwischen Stadt und Stiftung. Kulturreferent Rohner sagte zum Beispiel: «Wenn es zum Projekt kommt, ist der Lead bei der Stadt», und Baureferentin Katrin Bernath versicherte: «Es wird eine Vorlage an den Grossen Stadtrat geben.» Als dann aber Stephan Kuhn betonte, dass es sich beim finanziellen Beitrag der Stadt vollumfänglich um «gebundene Ausgaben» handle, widersprach zwar niemand, doch man sah Rohners und Bernaths Gesichtsausdruck an, dass sie sich nicht wohlfühlten mit dieser Aussage. Denn «gebundene Ausgaben» meint Geld, das sowieso investiert werden muss. Es braucht nicht viel Fantasie, um daraus zu folgern, dass der Stiftung wohl ein Weg ohne Parlaments- oder gar Volksentscheid lieber wäre.
Denn – gebundene Ausgaben hin oder her – bereits die fünf Millionen, welche die Stadt aktuell investieren will, dürften einen schweren Stand haben. Aber die gesamten 15 Millionen aus städtischen Töpfen? Darauf wird sich die bürgerliche Seite des Parlaments nie im Leben einlassen. SVP-Mann Hermann Schlatter lieferte am Donnerstag bereits eine Kostprobe: «Wieviel darf dieses Museum eigentlich kosten?», fragte er rhetorisch.