Pokerspiel um Axpo-Aktien

26. März 2021, Jimmy Sauter
Das AKW Leibstadt gehört teilweise dem Stromkonzern Axpo, an dem der Kanton Schaffhausen wiederum mit acht Prozent beteiligt ist.
Das AKW Leibstadt gehört teilweise dem Stromkonzern Axpo, an dem der Kanton Schaffhausen wiederum mit acht Prozent beteiligt ist. Peter Pfister

Der Stromkonzern Axpo setzt Schaffhausen unter Druck: Der Kanton soll entweder die Privatisierungspläne unterstützen oder seine Axpo-Aktien verkaufen.

Er hat nichts erreicht. Der Schaffhauser Baudirektor Martin Kessler (FDP) ging mit einem klaren Auftrag zum Stromkonzern Axpo. Er sollte sich dafür einsetzen, dass den Privatisierungsplänen der Axpo zumindest teilweise Einhalt geboten wird. Das hatte ihm der Schaffhauser Kantonsrat vor eineinhalb Jahren aufgetragen.

Nun machte der Kanton letzte Woche publik: Die Axpo schert sich nicht darum, was der Schaffhauser Kantonsrat will, und stellt quasi ein Ultimatum: Entweder Schaffhausen stimmt den Privatisierungsplänen zu oder der Kanton solle doch seine Axpo-Anteile verkaufen.

Der Stromkonzern Axpo, der neun verschiedenen Kantonen oder deren Elektrizitätswerken gehört (Schaffhausen besitzt knapp acht Prozent Aktienanteile), will sich neu aufstellen und die Türen für private ausländische Investoren öffnen, damit sich diese künftig beispielsweise am Stromnetz oder an Wasserkraftwerken beteiligen könnten. Derzeit ist das noch nicht möglich. Zuerst muss der über 100 Jahre alte Axpo-Gründungsvertrag überarbeitet werden. Eine neue Version liegt vor, muss aber von jedem einzelnen Besitzerkanton abgesegnet werden, auch von Schaffhausen.

Dass es einen neuen Vertrag braucht, wird nicht bestritten. Sehr wohl aber die Frage, was da drinstehen soll. Hier gehen die Meinungen weit auseinander.

Axpo gegen SP-SVP-Allianz

Zum ersten Mal diskutierte der Schaffhauser Kantonsrat vor eineinhalb Jahren über den neuen Axpo-Vertrag. Vor allem SP und SVP stellten sich seinerzeit in einer selten gesehenen Allianz hinter dieselben Forderungen: Die grossen Wasserkraftwerke der Axpo und ihrer Tochtergesellschaften sowie das Stromnetz müssen «in öffentlicher Schweizer Hand bleiben». Das forderten SVP-Kantonsrat Markus Müller und SP-Fraktionsschef Kurt Zubler im Oktober 2019 im Kantonsparlament. Eine grosse Mehrheit des Rates stellte sich dahinter. 

Diese Forderung wird nun aber gänzlich ignoriert. SP-Fraktionsschef Kurt Zubler ist deshalb ziemlich sauer. Er spricht von einer «unglaublichen Arroganz» des politischen Gremiums der Axpo-Eigner, das diese Forderungen einfach übergangen habe und dem Schaffhauser Kantonsrat nun ein Ultimatum stelle. «Das ist ein Machtspiel», konstatiert Zubler. Immerhin sei die Schaffhauser Regierung bereit, gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen, dass das Parlament seine Kontrollfunktion über die Axpo-Anteile verstärken könne. Das sei wenigstens ein Teilerfolg, sagt Zubler. Ob die SP nun dem Vertrag zustimmen oder ihn ablehnen werde, müsse man in der Fraktion noch ausdiskutieren.

Kritik auch aus Zürich

Dem Druck nachgeben und zustimmen oder ablehnen? Diese Frage stellt sich auch im Kanton Zürich. Auch dort haben sich SP und SVP zusammengeschlossen. Auch dort steht ein Entscheid des Kantonsparlaments noch aus. Und auch dort ist man nicht erfreut über das starre Festhalten der Axpo an der Möglichkeit, künftig ausländische Investoren zuzulassen. Der Zürcher SVP-Kantonsrat Christian Lucek sagt: «Die SVP ist nicht bekannt dafür, alles in staatlichem Besitz behalten zu wollen. Aber beim Stromnetz geht es um eine systemrelevante Infrastruktur, die in öffentlichen Schweizer Händen bleiben muss und nicht beispielsweise an China verkauft werden darf.» Wie sich das Zürcher Parlament entscheiden wird, ist offen. Die Mehrheitsverhältnisse seien knapp, sagt Lucek. 

Was der Kanton Zürich macht, ist für Schaffhausen sehr bedeutend. Weil unser südlicher Nachbar zusammen mit den Zürcher Elektrizitätswerken 37 Prozent der Axpo-Anteile besitzt und damit der grösste Aktionär ist, hat sein Votum Gewicht. Sagt Zürich Nein, ist das vorliegende Vertragswerk vom Tisch.

Wenn Zürich allerdings seinen Segen gibt, steht der Schaffhauser Widerstand ziemlich einsam da. Oder wie es SP-Mann Kurt Zubler sagt: «Wenn die Axpo in Zürich scheitert, müssen wir in Schaffhausen gar nicht mehr weiterdiskutieren. Aber wenn Zürich zustimmt, würde der ganze Druck bei uns liegen.»

Derweil hat die Grüne/AL-Fraktion ihre Meinung bereits gefasst. Sie kündigte diese Woche an, das Axpo-Ultimatum nicht akzeptieren zu wollen, und droht mit einem Referendum, sollte der Schaffhauser Kantonsrat dem Axpo-Vertrag in der aktuellen Form zustimmen. Notfalls müsse das Stimmvolk dafür sorgen, «dass der Kanton Schaffhausen seine Sperrminorität geltend macht und diese Fehlkonstruktion von Aktionärsbindungsvertrag ablehnt», schreibt Kantonsrat Urs Capaul (Grüne).

Verkaufen oder nicht

Baudirektor Martin Kessler warnte in den Schaffhauser Nachrichten bereits vor einem Nein, sei es im Parlament oder an der Urne: «Dann müssen wir uns tatsächlich überlegen, ob wir nicht gescheiter verkaufen.»

Ein Verkauf seiner Axpo-Anteile würde dem Kanton kurzfristig Geld in die Kasse spülen, dafür entgehen ihm – sofern es der Axpo finanziell gut geht – jährliche Dividenden. Im Jahr 2020 machte diese Dividende laut Kessler sechs Millionen Franken aus. Geld, das in der Kantonskasse landet und das man gern annimmt, um staatliche Aufgaben zu finanzieren oder die Steuern zu senken.

Der Stromkonzern sitzt allerdings noch immer auf alten Atommeilern wie Beznau 1 und 2, die vollumfänglich der Axpo gehören, sowie Leibstadt (40 Prozent) und Gösgen (25 Prozent). Deren Stilllegung sowie die Entsorgung des Atommülls wird in den nächsten Jahrzehnten noch Milliarden von Franken kosten. Ob sich die Axpo das leisten könne, sei offen, schätzt der Energieexperte und frühere Basler Nationalrat Rudolf Rechsteiner (SP). Er rechnet damit, dass die Axpo irgendwann beim Bund anfragen wird, ob dieser eine Kostengarantie übernehmen werde. Die Kosten jedenfalls steigen laufend. Wie hoch sie am Ende sind, werde man aber wohl erst in 30 Jahren, vielleicht sogar erst in 100 Jahren genauer erfahren, meint Rechsteiner.

Sollte der Bund in die Bresche springen, seien die Axpo-Anteile weiterhin valabel. Sollte die Axpo aber auf den Altlasten sitzenbleiben, könnte am Ende auch der Kanton Schaffhausen als Mitbesitzer in die Pflicht genommen und zur Kasse gebeten werden. In diesem Fall wäre ein Ausstieg nicht die schlechteste Variante. 

Anders gesagt: Es ist ein Pokerspiel, bei dem die Karten noch nicht ausgeteilt sind. Aber die Kantone müssen jetzt schon entscheiden, ob sie weiter mitspielen und auf noch mehr Dividenden hoffen oder aussteigen und sich auszahlen lassen. Die Mehrheit der Kantone hat sich schon entschieden: Sie gehen mit.