Der Schaumschläger-Award

4. Januar 2021, Jimmy Sauter
Zeichnung: Kooni.ch
Zeichnung: Kooni.ch

Satire: Das Leben wäre nicht ganz so aufregend, gäbe es da nicht ein paar Leute, über die wir uns aufregen können. Wir haben sie dafür ausgezeichnet.

Zum Jahresende hat sich die AZ dafür entschieden, die grössten Schaffhauser Schaumschläger zu küren. Nachfolgend unsere Rangliste derer, die sich 2020 grösser gaben, als sie in Wirklichkeit sind.

10. Platz: Rhyality

Seit der Schliessung der Hallen für neue Kunst sehnt sich Schaffhausen nach einem kulturellen Leuchtturmprojekt. Dann kam Beat Toniolo (siehe auch Seite 22) und brachte ein Filmprojekt namens «Rhyality» mit. Und tatsächlich: Die «Weltpremiere» (alle Medien) seines «360 Grad Immersive Art Rheinfall Pionierprojekts» im Sommer lockte sogar das SRF an. Allerdings: Technische Mängel trübten die Eröffnung dieses «aussergewöhnlichen Meisterwerks» (Toniolo über seinen eigenen Film). Die AZ konstatierte: «Manche der Aufnahmen sind so schlecht aufgelöst wie 20 Jahre alte Videospiele.» Auch die Schaffhauser Nachrichten, ansonsten bekannt für ihren Kuschel-Kulturjournalismus, sprachen später von einem «holprigen Start». Und sogar Toniolo himself zeigte sich anschliessend etwas kleinlaut: «Es ist für mich als Künstler gar nicht glücklich gelaufen.» Es seien «gewisse technische Probleme in der Halle aufgetaucht, die nicht in meinem Zuständigkeitsbereich lagen». Ohne diese halbwegs selbstkritischen Einsichten hätte es «Rhyality» in der Kategorie «Gefloppte Schaffhauser Weltpremieren» beispielsweise vor den 2019 ausrangierten selbstfahrenden Problembus der VBSH geschafft. So holt sich «Rhyality» aber nur einen von fünf Schaumschläger-Awards.


9. Platz: Martin Egger, FDP

Im Februar fragte die AZ FDP-Grossstadtrat Martin Egger, wer die Kammgarn-Abstimmung gewinnen wird. Egger sagte: «Wir. Zu 100 Prozent.» Nun wissen wir: knapp daneben. In der Kategorie «Ich spüre, wie das Volk tickt» gibt es dafür ebenfalls einen Schneebesen.

8. Platz: Sönke Bandixen

Er trat an als der grosse Messias, der Stein am Rhein retten sollte. Der Manager Sönke Bandixen, 2016 zum Steiner Stapi gewählt, wollte das Städtli wie eine Firma führen. Vier Jahre später hatte Bandixen aber schon wieder genug und räumt nun den Steiner Chefsessel. Unter anderem beklagte er sich, dass sein 50-Prozent-Pensum unterdotiert gewesen sei. Trotzdem habe er natürlich mehr gearbeitet, versicherte Bandixen in den SN. Wir halten fest: Bandixen beschwerte sich darüber, für zu viel Arbeit zu schlecht bezahlt worden zu sein. Mit anderen Worten: Bandixen hat das reale Leben kennengelernt. Weil ihm das aber offenbar zu anstrengend ist, hat er sich nun flugs wieder ein Chefpöstli in der Wirtschaft geangelt. Er wird nun Verwaltungsratspräsident der Schifffahrtsgesellschaft URh. Das passt. Auch die URh-Schiffe produzieren Luftbläschen, die schnell zerplatzen. Weil Bandixen aber immerhin eine volle Legislatur durchgehalten hat, reicht es nur für einen Schneebesen.


7. Platz: AL Neuhausen

Die erste Neuhauser Volksinitiative seit 29 Jahren lanciert! Das war mal eine Ankündigung, die im Frühjahr 2018 von der Neuhauser Sektion der Alternativen Liste kam. Gross waren dann auch die Titel, die daraufhin in den Zeitungen gedruckt wurden. Ein «Jahrzehnt-Unwetter» drohe nun dem Herrscher von Neuhausen, schrieb die AZ. Schliesslich wollte die AL am Thron des Rheinfallkönigs Stephan Rawyler rütteln. Das Pensum des Gemeindepräsidenten sollte von 100 auf 60 Prozent gekürzt werden. Ein regelrechter Kahlschlag.

Dann wartete ganz Neuhausen gespannt, wann dieses Unwetter denn nun über die Gemeinde hereinbrechen würde. Doch es geschah: nichts. Das wiederum sorgte für zusätzliche Nervosität. Man stritt sich darüber, ob es angesichts des drohenden Sturms angebracht sei, Hochhäuser zu bauen.

In diesem Jahr hielt Rawyler die Ruhe vor dem Sturm schliesslich nicht mehr aus und gab seinen Thron freiwillig ab. Man könnte nun schlussfolgern, die Hinhaltetaktik der AL hat am Ende zum Erfolg geführt. Es gibt allerdings einen Haken: Auf dem immer noch fürstlich bezahlten Neuhauser Herrscherthron (gemäss SN 190 000 Franken pro Jahr) wird nun ein neuer Freisinniger Platz nehmen. Deshalb gibt es für die AL immerhin zwei von fünf Schaumschläger-Trophäen.


6. Platz: SVP Stadt

«Der linksdominierte Stadtschulrat mit seiner rechthaberischen Präsidentin schweigt Probleme in unseren Schulhäusern lieber tot, statt sie zu lösen.» Das schrieb die städtische SVP 2017 nach den medial ausgetragenen Schaumschlägereien rund um die Schulhäuser Bach und Alpenblick. Weiss eigentlich heute noch jemand, was da los war? Egal. Hauptsache eine Ladung voller Schrot(t) abfeuern. Und dann trat sie endlich ab, diese rechthaberische Schulratspräsidentin. Welch Freudentag. Nun hätte die SVP das Zepter des Schulrats selber übernehmen und anpacken können, was die Linken angeblich jahrelang versäumt hatten. Dummerweise fand sich in den Reihen der «Volkspartei» niemand, der diesen Job übernehmen wollte. Kampflos kam damit der nächste Linke, Christian Ulmer, zu diesem Chefposten. Das war alles noch 2019.

Weil für Ulmer ein Ersatz gesucht werden musste, bot sich im Februar 2020 für die SVP erneut die Gelegenheit, nach mehr Macht im Stadtschulrat zu greifen. Man entschied sich für den 77-jährigen Senior Roland Saurer, der dereinst ja auch einmal zur Schule gegangen war. Saurer ging im Rentner-Duell gegen den zehn Jahre jüngeren Sozi Werner Bächtold allerdings klar unter. Ein Bauernopfer, das nötig war, weil sich offensichtlich niemand aus der ersten Reihe der SVP-Parteigarde für dieses Amt begeistern liess. Es scheint, als ob es die SVP lieber den Linken überlässt, die Probleme in den Schaffhauser Schulhäusern totzuschweigen, statt sich selber ans Werk zu machen, um sie zu lösen. Auf der «Aus dem Schützengraben Kommandos reinbrüllen, selber aber in Deckung bleiben»-Skala gibt es dafür zwei von fünf Punkten.

5. Platz: Urs Tanner, SP

Im Schaffhauser Stadtparlament gibt es eine neue Definition für einen politischen Vorstoss, der auf dem Höhepunkt einer medialen Debatte entsteht, aber wenig durchdacht ist: «Ein typischer tannerscher Schnellschuss» (Martin Egger, FDP), benannt nach seinem Erfinder, SP-Grossstadtrat Urs Tanner. Tanner ist der Chef-Schaumschläger der Linken, quasi der Walter Hotz unter den Sozialdemokraten, einfach etwas lustiger. Deshalb kommt Tanner nicht ganz an Hotz heran. Drei von fünf Schneebesen.

Wobei: Eigentlich ist es das Stadtparlament, das einfach nicht mit Urs Tanner mithalten kann. Tanner wäre ja längst zu Höherem berufen (Nationalrat). Noch muss er sich aber weiterhin in den Niederungen der Lokalpolitik abrackern. Deshalb seien für die neuen Ratsmitglieder, die demnächst mit Urs Tanner im Grossen Stadtrat sitzen, hier in Form von vier kurzen Regeln erläutert, wie der Tanner tickt:

Regel 1: Urs Tanner weiss es immer besser als alle anderen: «Den Oberlehrer trage ich natürlich mit Stolz. Wer ist nicht gerne Oberlehrer.» (Urs Tanner am 16. Juni 2020). Regel 2: Urs Tanner ist ein Linker, aber irgendwie auch nicht: «Ich gehöre nicht unbedingt zur Generation, die den Kapitalismus abschaffen wollte. Das waren Vorgänger von uns. Ich mag meine Aktien in der 2. Säule und ich mag auch mein Wohneigentum in der Webergasse.» (19. Mai 2020). Regel 3: Urs Tanner ist trotzdem kein Cüplisozialist: «Ich gehöre zu jenen, die Schnaps trinken und Schnaps predigen.» (18. Februar 2020). Regel 4: Ab und zu realisiert Urs Tanner, wenn er auf dem Holzweg ist: «Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Das habe sogar ich, als sensibler Mensch, gemerkt.» (18. August 2020). Regel 4 kommt allerdings so gut wie nie vor. Ausserdem tritt in diesem Fall automatisch Regel 1 in Kraft.

4. Platz: FCS & Fontana Invest

Wechseln wir zum Fussball. Sportlich läuft es dem FC Schaffhausen derzeit ziemlich gut. Rang vier und nur drei Punkte Rückstand auf Leader GC. Und: Der Club spielt immer noch draussen im Herblingertal, wenn auch nicht mehr im Lipo-Park, sondern inzwischen im «Stadion Schaffhausen» (ein Name, so kreativ wie eine Betonwand). Es scheint also wieder etwas Ruhe eingekehrt zu sein, nachdem es zuvor vor allem abseits des Platzes gebrodelt hatte. Die spektakulärste Partie des Jahres trug der FC Schaffhausen Anfang Mai in den SN aus – gegen sich selbst. Nachdem Stadionbesitzerin Agnes Fontana damit drohte, den Verein aus dem Stadion zu werfen, konterte Clubbesitzer Roland Klein umgehend, eine Rückkehr auf die Breite zu prüfen.

Ein halbes Jahr später ist weder die eine noch die andere Drohung umgesetzt worden. In diesem Spiel, das der FC Schaffhausen nur verlieren kann, steht es deshalb noch null zu null. Man scheint sich zumindest vorübergehend auf ein freundschaftlich-taktisches Ballgeschiebe im Mittelfeld geeinigt zu haben. So viel Vernunft hätte man allen Beteiligten zwischenzeitlich kaum mehr zugetraut. Deshalb gibt es in der «Reingrätschen, aber dann doch nicht abziehen»-Wertung drei von fünf Punkten.

3. Platz: KSD

Ach ja, die KSD, das Informatikunternehmen von Kanton und Stadt, bleibt eine Baustelle. Schon im letzten Jahr kam Kritik auf, nun schalteten sich auch die Finanzkontrolleure ein und deckten insgesamt elf Mängel auf. Unter anderem wurde eine halbe Million Franken für elektronische Formulare ausgegeben, ohne dass der Kantonsrat gefragt wurde, ob es auch in Ordnung sei, dafür so viel Geld auszugeben. Gemäss Schaffhauer Verfassung wäre das aber nötig gewesen. Vom selbstgesteckten Ziel, «Google der Schaffhauser Behörden» zu werden, bleibt die «schlechteste Website der ganzen Schweiz» (Peter Scheck, SVP) weit entfernt. Auf der «Geld in den Sand gesetzt und die Verfassung missachtet»-Skala gibt es dafür vier von fünf Punkten.

Übrigens: Die Kantonswebsite funktioniert immer noch nicht. Beleg: Wer nach «Schaumschläger» sucht, findet die KSD nicht.

2. Platz: Walter Hotz, SVP

«Bei Vielen ist das Vertrauen in unsere politische Tätigkeit einem diffusen Misstrauen gewichen. Wenn es uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern nicht gelingt, den Kantonsbürgern zu erklären, was wir tun und warum wir etwas tun, so müssen wir uns nicht wundern, wenn das Misstrauen noch weiter zunimmt. Wir sind also alle gefordert, die uns zur Verfügung gestellte politische Bühne um keinen Preis den profilierungssüchtigen Schaumschlägern preiszugeben, die alles andere als das Wohl unserer Bürger in den Mittelpunkt stellen.»

Ganz schön weise Worte, die da ein Politiker vor zwei Jahren zur Lage unseres Kantons von sich gab. Muss bestimmt einer dieser eingemitteten Sozialdemokraten gewesen sein, die sich von allen Ideologien verabschiedet haben. Patrick Strasser vielleicht?

Falsch. Diese Sätze waren Teil einer Rede von SVP-Präsident Walter Hotz. Wird der auf seine alten Tage etwa noch sentimental? Nein. In diesem Jahr hat Hotz seine eigenen Worte der Erkenntnis schon wieder vergessen. Nach der Annahme der Transparenz-Initiative der Juso, wonach die Parteien künftig ihre Spenderinnen und Spender bekanntgeben müssen, sagte Hotz in den SN: «Ich will offen sein: Wir überlegen uns ja schon, ob wir nicht einfach eine Stiftung oder einen Verein gründen sollen, wo jedermann anonym weiterhin die SVP unterstützen kann.»

Mit dieser öffentlich ausposaunten Idee zur Umgehung von geltenden Regeln schafft es Walter Hotz auf der Erich-Hess-Skala fast ganz nach oben. Vier von fünf Schneebesen gibt es für das taktisch ausgefuchste Manöver, von den anderen mehr vertrauenswürdigere Politik zu fordern und selber gleichzeitig das Gegenteil zu tun. Châpeau.

1. Platz: Rheinfall

Zeichnung: Kooni.ch

Mit der Nummer eins unter den Schaumschlägern des Kantons kann es aber sogar ein Walter Hotz nicht aufnehmen. Der Sieger unseres Rankings spielt sich als Weltattraktion auf, macht über das ganze Jahr hinweg aber in Wahrheit Null Komma gar nichts. Für das pausenlose Schaumschlagen alleine durchs dumme Rumstehen und Nichtstun erhält der Rheinfall verdiente fünf von fünf Schneebesen.