Gesucht: bezahlbare Wohnung

28. Dezember 2020, AZ-Redaktion
Geodaten: Kanton Schaffhausen, Esri, HERE, Garmin,­ INCREMENT P, METI/NASA, USGS
Geodaten: Kanton Schaffhausen, Esri, HERE, Garmin,­ INCREMENT P, METI/NASA, USGS

Wo wohnt es sich wie teuer? Und wie kann man sparen?
Wir wissen es – dank einer Analyse von über 11 000 Wohnungsinseraten.

von Mattias Greuter, Romina Loliva und Philippe Wenger

Stellen Sie sich vor, Sie suchen eine neue Wohnung. Sie soll günstiger sein als die bisherige oder zumindest grösser zum gleichen Preis. Was tun?

Sie finden ein Online-Inserat: Dreieinhalb Zimmer, 85 Quadratmeter, am Rathausbogen, schön zentral in der Schaffhauser Altstadt. Die Wohnung kostet pro Monat netto 1200 Franken. Jetzt fragen Sie sich: Ist das viel?

Der Anbieter muss Ihnen nicht sagen, wie viel die Vormieterin bezahlte: Der Kantonsrat schickte am 7. Dezember 2020 die Auskunftspflicht über allfällige Mietzinserhöhungen bachab.

Ihnen bleibt also nur, die Wohnung mit anderen zu vergleichen. Wer es genau wissen will, vergleicht viele Inserate.

Die AZ will es ganz genau wissen. Für diese Recherche haben wir über 11 500 Wohnungsinserate aus dem ganzen Kanton ausgewertet. Wir wollten wissen: Wo gibt es welche Wohnungen? Wo sind sie besonders teuer oder besonders günstig? Die Analyse zeigt auf, mit welchen Entscheidungen Sie sparen können – und wie viel.

Vorweg eine Bemerkung zur Methode: Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich alle Preise in diesem Text sowie auf den Karten auf den Nettomietzins, also die Miete ohne Nebenkosten. Sie eignet sich besser für Vergleiche. Für Berechnungen verwenden wir den Quadratmeterpreis, hochgerechnet auf 90 Quadratmeter, damit man sich eine mittelgrosse Wohnung vorstellen kann.

Der ganze Datensatz ist auf der folgenden Karte visualisiert.
Anklicken, um die Karte in voller Auflösung mit Zoomfunktion zu sehen.

Was diese Karte zeigt
Dieser Karte liegen die Adressen und Mietpreise von tausenden Wohnungsinseraten zu Grunde – über 6200 sind es in der Stadt Schaffhausen.
Die Farbabstufungen zeigen den Nettomietzins, hochgerechnet auf 90 Quadratmeter. Angegeben ist nicht ortsgenaue Preis einer Wohnung, sondern der Durchschnitt innerhalb eines Quadrats vom 100 auf 100 Metern – quasi die Durchschnittsmiete der Nachbarschaft. Gut sichtbar sind diese Quadrate in der Altstadt. Graue Gebäude bedeuten, dass wir keine in einem Quadrat keine Inserate gefunden haben.
Beispielhaft erkennbar ist die Methode am Munot: Natürlich gibt es dort keine ausgeschriebene Wohnung. Ein Teil der Festung ist aber eingefärbt, weil er sich mit Wohnungen in der Unterstadt (Preiskategorie 1400 bis 1600 Franken) in einem gemeinsamen Hektarquadrat befindet.

Hochpreisinsel Altstadt

Mehr als die Hälfte aller Inserate betreffen Wohnungen in der Stadt Schaffhausen. Die Karte zeigt: In der Altstadt wohnt man deutlich teurer als in den umliegenden Quartieren. Die eingangs erwähnte Wohnung am Rathausbogen für 1200 Franken ist dabei vergleichsweise günstig.

Wohnungen in den obersten Preissegmenten findet man beispielsweise in der Oberstadt oder in der Unterstadt. Auch in der Neustadt, die als eine der letzten Inseln für günstige Mieten gilt, gibt es teure Wohnungen. Eine durchschnittliche 90-Quadratmeter-Wohnung in der Neustadt kostet aber überschaubare 1320 Franken: das sind jeden Monat 165 Franken weniger als in der Vordergasse und sogar 190 Franken weniger als in der Vorstadt – beide nur wenige Gehminuten entfernt.

Hochpreisinseln gibt es aber nicht nur in der Altstadt, wie die Karte ebenfalls aufzeigt, sondern vereinzelt auch auf der Breite, auf dem vorderen Emmersberg, in Buchthalen und im Mühlental, genauer in der neuen Überbauung der Stahlgiesserei. Eine Wohnung kostet in diesem neuesten Schaffhauser Quartier durchschnittlich 1570 Franken auf 90 Quadratmeter.

Nehmen wir an, Sie wohnen zum Schaffhauser Durchschnittspreis in einer Stadtwohnung: 1425 Franken auf 90 Quadratmeter. Sie könnten in ein günstigeres Quartier ziehen. Ihr Sparpotenzial bei einem Umzug in eine gleich grosse Wohnung:

  • nach Buchthalen:60 Franken
  • nach Herblingen:135 Franken
  • nach Hemmental:165 Franken

Sie sehen: An die Peripherie zügeln macht preislich etwas aus, Sie müssen nicht einmal die Gemeinde verlassen.

Teure Wohnungen findet man in der Stadt aber deutlich häufiger als in den anderen Gemeinden: Fast drei Viertel aller Wohnungen, die in den letzten fünf Jahren für mehr als 3000 Franken (absolut, nicht pro 90 Quadratmeter) ausgeschrieben wurden, befinden sich in der Stadt – und das, obwohl sehr grosse Wohnungen in der Stadt untervertreten sind.

Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis unter dem Mittelwert gibt es hier zwar auch, sie sind in der Stadt aber anteilsmässig wesentlich schlechter vertreten als im Rest des Kantons.

So wohnen unsere Leserinnen und Leser:
Über 200 Personen haben an einer Umfrage der AZ teilgenommen. Diese Grafik zeigt, wie viel sie in der Stadt Schaffhausen für unterschiedlich grosse Wohnungen zahlen (Bruttomiete, hochgerechnet auf 90 Quadratmeter), und vergleicht die Werte mit der Datenbank der aktuellen Inserate. Es zeigt sich: AZ-Leserinnen wohnen etwas günstiger.

Ob man eine preiswerte Wohnung findet, hängt natürlich nicht nur von der Preisstruktur der Inserate ab, sondern auch von ihrer Anzahl.

Viele Inserate, wenige leere Wohnungen

Wo werden wie häufig Wohnungen ausgeschrieben? Um Aussagen zur Verfügbarkeit von Wohnungen zu treffen, vergleichen wir die Anzahl Inserate einer Gemeinde mit dem Gesamtwohnungsbestand. Das Ergebnis, die Top drei der Gemeinden mit der höchsten Ausschreibungsquote:

  • Neuhausen 1 von 14
  • Beringen 1 von 15
  • Schaffhausen 1 von 16

Wohnungen wird in einem Jahr ausgeschrieben. Zum Vergleich: In Dörflingen und Hallau wird in einem Jahr nur eine von rund 40 Wohnungen ausgeschrieben, über den ganzen Kanton betrachtet eine von 19. Tatsächlich dürften es leicht weniger sein, weil teilweise die gleiche Wohnung mehrmals ausgeschrieben wird, der Effekt ist jedoch klein.

Dass Schaffhausen unter die Top drei kommt, erstaunt: Nach Zahlen des BFS war die Leerwohnungsziffer in Schaffhausen im Juni 2020 weniger als halb so gross wie in Neuhausen und sogar tiefer als in Dörflingen. Wenn viele Wohnungen ausgeschrieben werden, am Stichtag aber wenige leer stehen, lässt das einen plausiblen Schluss zu: Eine Wohnung steht in Schaffhausen deutlich weniger lange leer als in anderen Gemeinden.

Mit anderen Worten: Im urbanen Raum werden viel mehr Wohnungen ausgeschrieben – was aber nicht automatisch heisst, dass es leichter ist, eine zu finden – geschweige denn eine günstige. Und damit zum Preisvergleich unter den Gemeinden, den diese Karte zeigt:

Buchberg: teurer als die Stadt

Zunächst: die teuersten Gemeinden. Wie oben gezeigt, ist Schaffhausen bei den teuersten Wohnungen klar am stärksten vertreten. Doch gemessen am Durchschnittspreis einer 90-Quadratmeter-Wohnung ergibt sich folgende Rangliste:

  1. Rüdlingen: 1593 Fr.
  2. Buchberg: 1450 Fr.
  3. Schaffhausen: 1425 Fr.
  4. Stetten: 1397 Fr.
  5. Büttenhardt: 1395 Fr.
  6. Stein am Rhein: 1395 Fr.
  7. Beringen: 1385 Fr.
  8. Bargen: 1384 Fr.
  9. Neuhausen: 1341 Fr.
  10. Merishausen: 1335 Fr.

Der südliche Kantonsteil sticht Stein am Rhein, Stetten und selbst Schaffhausen aus. Bei Rüdlingen ist eine gewisse Vorsicht geboten, weil wir nur 19 Inserate auf 377 laut BFS existierende Wohnungen (5 Prozent) gefunden und ausgewertet haben. Das Gleiche gilt für Büttenhardt (3.4 Prozent). Aber für Buchberg mit 45 Inseraten auf knapp 400 Wohnungen darf man das Datenfundament als stabil bezeichnen.

Stellen wir die Tabelle auf den Kopf, resultieren als günstigste aller Gemeinden ausgerechnet drei mit schwacher Datengrundlage: Buch, Oberhallau und Beggingen. Spannend ist, welche Gemeinden im Anschluss folgen: Gächlingen mit 1055 Franken, Schleitheim mit 1092 und Lohn mit 1105 Franken für 90 Quadratmeter.

In Lohn wohnt man 20 Prozent oder fast 300 Franken pro Monat günstiger als in der Nachbargemeinde Stetten – für Mieterinnen und Mieter fällt das auch bei einem Monatslohn von über 10 000 Franken stärker ins Gewicht als der tiefe Stettemer Steuerfuss.

Nehmen wir erneut an, Sie wohnen in der 90-Quadratmeter-Durchschnittswohnung ihrer Gemeinde. Ein paar Beispiele, wie viel Sie mit einem Umzug sparen könnten:

  • von Schaffhausen nach Neuhausen: 85 Franken
  • von Schaffhausen nach Lohn: 320 Franken
  • von Stein am Rhein nach Hemishofen: 120 Franken
  • von Beringen nach Neunkirch: 165 Franken
  • von Buchberg nach Gächlingen: 525 Franken

Oder anders betrachtet: Sagen wir, Sie wollen netto genau 1400 Franken für das Wohnen ausgeben. Was bekommen Sie dafür in unterschiedlichen Gemeinden?

  • Schaffhausen: 88 Quadratmeter, 3.5 Zimmer
  • Stetten: 90 Quadratmeter, 3 Zimmer
  • Neuhausen: 94 Quadratmeter, 4 Zimmer
  • Thayngen: 98 Quadratmeter, 4 Zimmer
  • Hallau: 103 Quadratmeter, 4 Zimmer
  • Dörflingen: 105 Quadratmeter, 3.5 Zimmer
  • Gächlingen: 281 Quadratmeter, 5 Zimmer

Gründen Sie eine WG

Eine weitere Möglichkeit, beim Wohnen zu sparen: Gründen Sie eine WG. Nehmen wir an, Sie wohnen allein in Ein- oder Eineinhalbzimmerwohnung zum Schaffhauser Durchschnittspreis von 725 Franken. Unsere Daten zeigen auf, wie viel Sie pro Person sparen, wenn Sie eine WG gründen:

  • zu zweit auf 3 oder 3,5 Zimmern: 255 Franken
  • zu dritt auf 4 oder 4,5 Zimmern: 285 Franken
  • zu dritt auf 5 oder 5,5 Zimmern: 135 Franken
  • zu viert auf 6 oder mehr Zimmern: 205 Franken

Der Preis pro Fläche unterscheidet sich je nach Zimmerzahl deutlich:

Was die Grafik zeigt (für Nerds)
Gezeigt ist in einem Boxplot der Nettomietpreis auf 90 Quadratmeter nach Anzahl Zimmer eine Wohnung.
Die Antenne zeigt jeweils die Spannweite der Preise. Die mittleren 50 % der Inserate befinden sich in der pinken Box, der waagrechte Strich gibt den Medianwert an. Die pinken Punkte Ausreisser, also Wohnungen mit ausnehmend hohem oder tiefem Flächenpreis.
Lesebeispiel: Die Wohnungen mit drei Zimmern kosten zwischen 681 und 1929 Franken auf 90 Quadratmeter (Antenne), es gibt eine Handvoll Wohnungen die teurer sind und nur eine, die günstiger ist (Punkte). Die Hälfte aller Wohnungen (Box) konzentiert sich auf Preise zwischen 1138 und 1468 Franken. Der Medianwert liegt bei 1260 Franken (Strich in der Box).

Auf den ersten Blick ist klar: Je mehr Zimmer eine Wohnung hat, desto tiefer ist tendenziell der Quadratmeterpreis. Die nächste Grafik zeigt aber, dass «halbe» Zimmer oft teurer sind als ganze:

Der Bschiss mit dem halben Zimmer:
Die Grafik bildet die Nettomiete der Wohnungen nach Anzahl Zimmer ab – für einmal nicht pro 90 Quadratmeter, sondern absolut. Dabei fällt etwas erstaunliches auf: Für den Preis einer 1.5-Zimmer-Wohnung kriegt man auch 2 Zimmer. 2.5-Zimmerwohnungen sind sogar deutlich günstiger als 3-Zimmerwohnungen, das Gleiche gilt für den Vergleich zwischen 3.5- und 4-Zimmerwohnungen oder zwischen 4.5- und 5-Zimmerwohnungen. Das heisst: Ziehen Sie nicht in eine X-einhalb-Zimmerwohnung, den die nächstgrössere Wohnung mit einer «ganzen» Anzahl Zimmer ist oft günstiger. «Halbe» Zimmer sind oft nur ein Trick der Vermieter, um die Wohnung auf den ersten Blick attraktiver wirken zu lassen.

Insgesamt aber sinkt der Preis pro Kopf aber, wenn Sie mit jemandem in eine grössere Wohnung ziehen, wie oben gezeigt.

Zwischenfazit: Umziehen oder zusammenziehen kann sich also lohnen, das zeigt die Analyse unserer 11500 Inserate. Es gibt aber etwas, was sie verbergen.

Die Datenbank der AZ bildet die Preise der aktuellen Inserate ab – man nennt das einen Angebotsindex. Im Gegensatz dazu fragt ein Bestandesindex nach den Preisen bei zum Teil seit Jahrzehnten bestehenden Mietverhältnissen – und das macht einen Unterschied, weil beim Mieterwechsel der Preis oft erhöht wird.

Aktuell zeigt der Bestandesindex des BFS, dass langjährige Mieterinnen und Mieter oft deutlich günstiger wohnen. Die durchschnittliche Wohnung im Kanton kostet gemäss diesen Zahlen im Kanton Schaffhausen 1197 Franken auf 90 Quadratmeter. Unsere Inserate ergeben einen Durchschnitt von 1375 Franken – fast 180 Franken höher.

Das heisst: Mit Umziehen können Sie viel Geld sparen. Längerfristig fahren Sie aber günstiger, wenn Sie lange in einer Wohnung bleiben. Das Einzige, was noch mehr nützt: Gründen Sie eine WG. In Zeiten, in denen wir viel Zeit zu Hause verbringen, hat das auch eine ganze Reihe weiterer Vorteile.

Über diese Recherche
Für die Datengrundlage dieses Textes haben wir einen «Scraper» geschrieben: Ein Programm, das eigentlich das Gleiche machte wie ein Mensch, der eine Wohnung sucht. Der Scraper clickte sich durch Online-Inserate auf einer Reihe von Wohn-Plattformen und merkte sich, was er fand – nur viel schneller und umfassender, als ein Mensch es könnte.
Das Programm lieferte eine Datenbank von über 19 000 Wohnungsinseraten aus den letzten fünf Jahren, mit Adresse, Datum, Fläche und Mietpreis. Zieht man die Inserate ab, die keine Anzahl Zimmer, keine Flächenangabe oder keinen Nettomietzins enthalten, bleiben 11 526 Inserate. Sie bilden die Grundlage der Berechnungen in diesem Artikel: ein Angebotsindex über Mietpreise im Kanton Schaffhausen.
Ergänzend haben über 200 Leserinnen und Leser einen kleinen Fragebogen über ihre Mietwohnungen ausgefüllt – nochmals vielen Dank.

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Diese Recherche wurde möglich dank dem AZ-Recherchefonds «Verein zur Demontage im Kaff». Der Fonds fördert kritischen, unabhängigen Lokaljournalismus in der Region Schaffhausen, insbesondere investigative Recherchen der Schaffhauser AZ.
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