Corona hat ihr Restaurant zerstört. Jetzt rochiert Pan mit Suppenkoch Paul Bogo und bekocht die Webergasse mit Thai-Food.
Geologen und Lokalhistoriker hätten ihre helle Freude in Pans Küche. Die Schichten einer jahrzehntealten kulinarischen Vergangenheit sind in den hinteren Räumen des Ladens an der Webergasse 46 noch gut sichtbar.
Die Küche wird bewacht vom Ungetüm Artofex, eine dieser legendären Teigmaschinen der Aeschbach AG aus Aarau,
Zeuge der Industrialisierung. Angeschafft hat die Maschine damals die Bäckerei Beyerle
(ältere Semester mögen sich erinnern), ab den 90ern knetete Artofex die Brote der Fass-Bäckerei. Zuletzt wurde das blaue Stahlgebilde vom Geruch frischer Gemüsesuppen umweht. Heute dient die Maschine als Ablagefläche für grosse asiatische Küchenmörser.
«Holz für Som Tam, Stein für Curry», sagt Pan, lacht und beginnt, Zitronengras, Limettenblätter, Galgant und Chilli mit einem Granitstössel zu zermalmen. Gegen den frischen Geruch hat die Atemschutzmaske keine Chance.
Kein Firlefanz
Dass Panthip Kamkham-Dové ihre Tom Kha Gai heute hier kocht und verkauft, verdanken die Webergässler dem Virus. Es ist erst ein Jahr her, dass die 50-jährige Thailänderin in Beringen ein Restaurant eröffnete.
Warum ein Restaurant, zeigt ihr Facebook-Account. An diesem hätten wiederum Soziologen ihre helle Freude. Die Bilder und Videos fröhlicher Gelage mit der Schaffhauser Thai-Community beweisen eindrücklich die Kausalität von gutem Essen und guter Laune.
Das Restaurant nannte sie Aroy-Dee und der Name war Programm: «Gutes Essen»,
keine Umschweife, kein Firlefanz. Pan kochte die Gerichte, die ihre Familie heute noch auf den Strassen von Sing Buri zubereitet und verkauft.
Pan kam vor 20 Jahren in die Schweiz und heiratete. Sie arbeitete in der Gastronomie, zehn Jahre beim Pharma-Multi Abbott in Beringen, bekam zwei Kinder. Mittlerweile ist sie geschieden – und scheint ihre Bestimmung gefunden zu haben.
Anfang 2019 kaufte sie Restaurant-
Mobiliar, die Tochter machte das Wirtepatent und bald war das Thai-Buffet beim Fussballclubhaus im Beringer Industriegebiet mehr als ein Geheimipp für die umliegenden Handwerker.
Doch dann kam Corona – und Selbstbedienung an offenen Töpfen war plötzlich alles andere als en vogue.
Der Markt im Internet
Als die Menschen im Homeoffice verschwanden, brach auch bei Paul Bogos Take-away Suppenglück an der Webergasse die Kundschaft weg. Und Bogo begann zu rechnen: Seinen Umsatz als Suppenkoch macht er im Winter, ab dem ersten Sonnenstrahl wandern seine Kunden weg. Den Sommerumsatz macht er als Gemüsehändler. Die Miete für die Suppenküche aber zahlt er für das ganze Jahr. Was also tun, wenn die zweite Welle kommen sollte?
Paul Bogo hatte schon vorher den Plan gefasst, ins Internet zu expandieren. Seine neue Adresse lautet www.bogosmarkt.ch. Gemüse, Früchte und lokale Spezialitäten liefert er jeden Freitag gratis nach Hause. Das Suppenglück wurde zur zweiten Priorität – und jetzt, mit Corona, wurde es definitiv zur Hypothek.
Bogo hätte einfach kündigen können, aber dann wäre auch der Kundenstamm futsch gewesen, 700 Personen, wie er sagt, «50 bis 60 davon brauchst du pro Tag, um zu überleben». Doch Bogo kannte Pan. Statt zu kündigen, schlug er ihr vor, es mal mit Take-away zu versuchen.
Heute stehen die Menschen über Mittag Schlange in der Webergasse und in Bogos Gastronormbehältern ist schon am Morgen ein roter Currysud parat.
Im Hinterzimmer auf der grossen Ablage ein Farbenmeer aus Gemüse. In einem Topf brodelt Tamarinde mit Palmzucker und Sojabohnensauce für das Pad Thai, in einem anderen Topf zieht der Inhalt des Mörsers jetzt in einem Kokossud, daneben frittiert Pan Eier und Entenstücke. Dazwischen greift sie in Schüsseln und legt Gemüse in einen der Töpfe.
Wenn man sie fragt, wie man lerne, gut zu kochen, lacht sie und sagt, man müsse einfach gern essen. Und dann fragt man sich selbst, ob Enthusiasmus wohl im engeren Sinne als Zutat durchgeht in der Kochlehre. In der Schweiz wohl nicht. Aber Pans Familie in Sing Buri hat das Kochen ja auch nicht in einer Kochlehre gelernt.