Wer beim FCS-Nachwuchs kicken will, muss zahlungsbereite Eltern haben: Der Club erklärt ein teures Ausrüstungsset zum Pflichteinkauf für alle Junioren – auch für Sechsjährige.
Fussball, müsste man meinen, ist ein günstiges Hobby: Man braucht nur einen Ball. Und die richtige Kleidung. Doch diese Kleidung macht Fussball für die FCS-Junioren – beziehungsweise für deren Eltern – ziemlich teuer.
In diesen Tagen sind alle Eltern von FCS-Junioren aufgefordert, eine Bestellliste auszufüllen. Der FC Schaffhausen hat mit Puma und dem Sportartikelhändler Eleven Teamsports seit Anfang Jahr neue Ausrüstungspartner. Und auf die neue Saison sollen alle auch abseits des Platzes einheitlich im neuen Look auftreten. Alle heisst: wirklich alle. Von der Nachwuchshoffnung in der U17-Mannschaft bis zum sechsjährigen Fussballknirps bei den G-Junioren.
Das Set, das auch schon für Sechsjährige gekauft werden muss, kostet 491 Franken.
Es geht dabei nicht um das Shirt und die Hosen, die am Match getragen werden und auf denen das Logo des neuen Juniorensponsors, der Schaffhauser Kantonalbank, prangt. Sondern es geht um Trainings- und Reiseausrüstung. Die Bestellliste liegt der AZ vor. Sie umfasst vom Stulpen bis zum Winterhandschuh so ziemlich alles, auf das sich ein Puma-Logo drucken lässt: drei verschiedene Jacken, je zwei verschiedene T-Shirts, kurze und lange Hosen (für Training und Anreise zu Spielen), ein Pulli, wahlweise eine Sporttasche oder ein Rucksack, ein Nackenwärmer und eine Wintermütze. Nur die Fussballschuhe sind nicht dabei, wohl aber zwei Paar Turnschuhe – für die Anreise zum Spiel. Der günstigste Artikel ist ein Paar Stulpen für 8 Franken, am teuersten die «Stadion-Jacke» für 89 oder 93 Franken, je nach Grösse.
15 Kleidungsstücke und eine Tasche müssen gekauft werden, nur ein dreiteiliges Thermo-Set ist laut Bestellliste «kein Pflichteinkauf».
Wir rechnen zusammen: Kaufen die Eltern für ihren fussballbegeisterten Sprössling jedes Produkt nur einmal, müssen sie für die «Pflichtkäufe» mindestens 491 Franken hinblättern. Auch wenn der Sohnemann erst sechs Jahre alt ist, schnell wächst und bald neues Material brauchen wird. Zusammen mit dem Vereinsbeitrag (ab etwa 300 Franken) wird das Hobby Fussball ziemlich kostspielig.
Brauchen wirklich schon die sechs-, acht- und zehnjährigen Kids ein 16-teiliges Set für fast 500 Franken, inklusive «Ausgangsjacke», Winterjacke, Reisesporthose und Nackenwärmer im Puma-Design? Das fragen sich nicht nur Eltern, sondern dem Vernehmen nach auch manche Trainer.
Unübliche Praxis
Volles Puma-Set für alle Junioren: Das war nicht immer so. Bis Ende 2019 hatte der FC Schaffhausen eine Partnerschaft mit dem Ausstatter Gpard. Die erste Mannschaft und der Staff erhielten Ausrüstung bis zu einem bestimmten Betrag gesponsert, die Junioren der Auswahlmannschaften kauften ein eher grosses Set. Die Jüngeren, also die Teilnehmer am Breitensport, trugen nur die Matchkleidung, mussten aber nicht zusätzlich Reise- und Trainingskleidung kaufen und tragen. Dies bestätigt Gpard auf Anfrage der AZ. Auch das Pflichtset für die Kadermannschaften habe man relativ schlank gehalten, um das Budget der Eltern zu schonen. Pikantes Detail: Ein neuer Ausstatter musste überhaupt erst gefunden werden, weil Gpard den Vertrag frühzeitig kündigte. Der Grund dafür laut einer FCS-nahen Quelle: Trainer Murat Yakin wurde am Spielfeldrand mit Adidas-Kleidung gesehen, obwohl auch er gemäss Vertrag die Gpard-Ausrüstung hätte tragen müssen.
«Einheitlicher Auftritt»
FCS-Besitzer Roland Klein verzichtete auf eine Stellungnahme. Pressesprecher Ronny Bien aber bestätigt: Heute ist das Puma-Set Pflicht für alle Junioren. Es gehe um einen einheitlichen Auftritt, besonders bei Auswärtsspielen. Das gelte auch für die Junioren, auch für die Kleinsten. Das sei üblich, und im Vergleich zu anderen Vereinen wie dem Grasshoppers Club Zürich sei das FCS-Set eher günstig.
«Üblich» ist das nur, wenn man sich mit grossen Clubs vergleicht, wie es der FCS gerne tut. Ansonsten ist diese Praxis auf Challenge-League-Niveau überhaupt nicht verbreitet. Der diplomierte Sportmanager Thomas Hänggi sagt, solche Ausstatterverträge betreffen in der Regel nur die erste Mannschaft sowie die Auswahlmannschaften, nicht aber den Breitensport. Dass alle Junioren auch Trainings- und Reisekleidung kaufen müssen, die beim Match auf dem Spielfeld gar nicht zu sehen ist, sei nicht üblich, sagt Hänggi.
Die Regel sei jenes Modell, das auch beim FCS bis vor kurzem galt: Die Junioren (G- bis C-Junioren, also 6- bis 14-Jährige) brauchen lediglich die Spielkleidung, die oft sogar vom Verein oder vom Ausstatter finanziert wird. Weitere Ausrüstung wird zwar vergünstigt abgegeben und es gibt allenfalls eine Kaufempfehlung, aber keine Pflicht. Beim Training darf jeder tragen, was er will. Wenn ein Nachwuchs-Ronaldo gerne Christiano Ronaldos Juve-Shirt tragen will, darf er das.
Nur die Hoffnungsträger in den Auswahlmannschaften (Footeco- und U-Mannschaften sowie A- und B-Junioren) sind üblicherweise verpflichtet, ein ganzes Set Trainings- und Reisekleidung zu kaufen.
Dieses Modell gilt auch in den Verträgen von Gpard, dem ehemaligen Ausstatter des FC Schaffhausen: Er verpflichtet keine Junioren im Breitensport zum Kauf teurer Sets. Auch beim FC Winterthur, ausgerüstet von Gpard, gilt nur für die Auswahlmannschaften eine Kaufpflicht. FCW-Geschäftsführer Andreas Mösli ist erstaunt über die Praxis beim FCS: «Das ist nicht üblich. So müssen ja die Eltern, also der Breitensport, den Profisport querfinanzieren.»
Der FCS verdient an jeder Hose mit
Querfinanzierung: Diesen Verdacht äusserte auch ein Vater eines Junioren auf Facebook. Denn der FCS steckt weiterhin in finanziellen Schwierigkeiten und hat aktuell keinen Hauptsponsor. Im Interview mit der AZ (Ausgabe vom 6. August 2020) sagte FCS-Besitzer Roland Klein, er habe die Ausgaben um 2,5 Millionen Franken senken können und persönlich Geld in den Club gesteckt, der aber weiterhin Verlust schreibe.
Diego Wicki, Geschäftsführer Schweiz beim neuen Ausstatter Eleven Teamsports, bestätigt gegenüber der AZ: Die Kaufpflicht für alle Junioren ist Teil des Ausrüstungsvertrags, den der FCS für den Profifussball und die Auswahlmannschaften geschlossen hat. Der Club konnte also einen besseren Deal aushandeln, weil er die Eltern der Junioren zwingt, ebenfalls viel Material zu kaufen. Und Wicki bestätigt auch: Der FC Schaffhausen verkauft die Kleidung mit einer Marge an die Junioren weiter, verdient also an jedem obligatorisch zu kaufenden Handschuh und an jeder Trainingsjacke mit.
491 Franken pro Junior: Der FCS hat nach eigenen Angaben 260 Junioren, das ergibt rund 130 000 Franken Einnahmen, die nach Abzug der Marge des FCS an Eleven Teamsports und Puma fliessen. Die Zwangsausrüstung ist ein gutes Geschäft.
Wer die 491 Franken nicht zahlen will oder kann, muss seinen Kindern beibringen, dass sie bei einem weniger «guten» Verein spielen müssen. Denn die Eltern erhielten eine klare Weisung: Wer die Ausrüstung nicht pünktlich zahlt, darf weder trainieren noch spielen.