Omas von morgen

11. April 2020, Nora Leutert

Was tun allein an Ostern? Einen neuen Brauch einführen, vielleicht. Oder einen alten aufrechterhalten. Jedenfalls: Eierfärben.

Neue Serie: «Was tun?» Folge 4: Eierfärben.
Versammlungsverbot und Selbstisolation: Das kann schnell langweilig werden. Deshalb liefert die AZ jede Woche eine erprobte Idee, wie man sich beschäftigen kann, wenn fast alles verboten ist.
Folge 1: Burek backen
Folge 2: Online-Tutorials
Folge 3: Hobbyastronomie
Folge 5: Selbstschur
Folge 6: Ordnung nach Mari Kondo
Folge 7: Simplicissimus

Das Eierfärben gehörte immer zum Frühlingsanfang dazu. Ein gemeinsamer Brauch der Grossmutter, katholisch, und der Enkelin, konfessionslos. Als ich klein war, schaute ich der Grossmutter am Küchentisch bei dieser Arbeit zu, rutschte auf dem Stuhl rum und half auch mit. Später, als meine Hände immer sicherer – und ihre etwas fahriger wurden, übernahm ich. Sie mischte die Farbe im Topf, kochte dann die vorbereiteten, mit Kräutern verzierten Eier. Jedes Jahr ging ich zum Eierfärben zu ihr, es wurde zur festen Grösse im Pflichtenheft, und manchmal war ich in Gedanken bei scheinbar wichtigeren Dingen.

Vor nicht langer Zeit starb der Grossvater. Irgendwann in einer schweren Stunde, als könnte es ein Trost sein, hörte ich mich zu meiner Grosi sagen, dass wir jetzt bald wieder Eierfärben würden. Seltsam. Oder auch nicht. Es geht weiter.

Auch jetzt, da unsere Welt Kopf steht wegen Corona, tut es gut, einen Brauch aufrechtzuerhalten. Oder sich einen neuen anzueignen. Jetzt, an Ostern zum Beispiel, falls Sie nicht wie sonst mit Ihrer Familie, Ihren Freunden zusammensein können, sondern alleine zu Hause sitzen. Wie wäre es also mit Eierfärben, wenn Sie es nicht bereits eh schon tun?

Schere, alte Strümpfe, in Vierecke geschnitten, Garn, rohe Eier, Kräutchen und Blumen: Alles liegt bereit bei mir zu Hause auf dem Terrassentisch. Zusammen mit ein paar anderen Frauen färbte meine Grossmutter früher auf diese Weise jeweils 700 Eier für die Terre des Hommes. Mir genügen 30 Stück, was zwei, drei Stunden dauert insgesamt.

Traditionelle Technik, von schweizerischen wie von serbischen Grossmüttern überliefert.
Traditionelle Technik, von schweizerischen wie von serbischen Grossmüttern überliefert.

Ich nehme ein Ei, befestige darauf mit etwas Wasser ein Blatt, eine Blüte. Lege dann das Strumpfstück darüber, straffe es sorgfältig und binde mit Garn ein Päckchen. Dabei muss man es möglichst fest schnüren, ohne dass man die Pflanzenverzierung zerrupft. Bei den Blättern eignen sich zum Beispiel Winterlinge, Erdbeer oder Hahnenfuss. Bei den Blüten etwa Immergrün; während Buschwindröschen und Primeli etwas fein sind, kann aber auch gut funktionieren. Wer Zeit und Nerven hat, verziert die Eier rundum. Oder wer beim späteren Eiertütsch für Verwirrung sorgen will, kann Hybride aus verschiedenen Pflanzengattungen abbilden, und zum Beispiel ein Erdbeerblatt mit einem Geissenblümchen zusammenwachsen lassen. Hat es alles schon gegeben.

Ei um Ei packe ich so alleine ein zu Hause auf der Terrasse. Meine Mitbewohnerin schaut mir über die Schulter. Oh, das würde ich auch gern mal wieder tun, sagt sie. Ihre Oma in Serbien macht es auch so. Es ist eine Bauerntradition, eigentlich färbt man die Eier mit Zwiebelschalen, die man über die Monate hinweg sammelt. Wir nehmen dieses Jahr Sandelholz, Blauholz und Gelbholz aus der Drogerie.

Mit den fertig eingepackten Eiern mache ich mich auf den Weg zu meiner Grossmutter. Während sie sie kocht, warte ich draussen an der Sonne, gespannt, denn das Auspacken ist immer das Beste. Jedes Ei nimmt die Farbe anders an, oft läuft das gefärbte Wasser zu fest unter die Blättchen und macht den Abdruck schwächer. Aber man muss trotzdem jedes Ei über die Massen loben, das ist Pflicht.

Und dieses Jahr macht es ganz besonders Freude, was sofort klar wird, als meine Grossmutter mit dem Korb Ostereier in den Garten tritt. Jetzt hat der Frühling begonnen, wir haben uns danach gesehnt.