Die Einfädlerin

25. Februar 2020, Marlon Rusch
2013 wurde Katharina Furrer mit dem Werner-Amsler-Kulturpreis geehrt. Für gewöhnlich wirkt sie hinter der Bühne.
2013 wurde Katharina Furrer mit dem Werner-Amsler-Kulturpreis geehrt. Für gewöhnlich wirkt sie hinter der Bühne.

Theatermacherin Katharina Furrer ist die graue Eminenz der Schaffhauser Kultur. Bloss ist sie kunterbunt. Jetzt, nach 18 Jahren Lobbyarbeit, landet sie ihren grössten Coup.

Es war der SVP-Scharfmacher Walter Hotz, der die Theaterfrau Katharina Furrer vor vier Jahren fragte, ob sie sich noch nie überlegt habe, in die Politik zu gehen. Es war 2016, die Rechtsparteien hatten gerade eine Attacke gegen die städtischen Kultursubventionen gestartet, und ein gehässiges Hickhack war entbrannt, wobei die Realität bald auf der Strecke blieb.

Katharina Furrer aber ging an eine Kommissionssitzung und erklärte den Damen und Herren um Walter Hotz gelassen und faktenreich, warum es diese Gelder durchaus brauche. Später erklärten FDP und SVP in der Tageszeitung, sie hätten jetzt doch etwas mehr Verständnis für die Probleme der Kulturschaffenden. Schliesslich wurden die Subventionen erhöht.

Fragt man andere Theaterschaffende, was es denn sei, das Katharina Furrer zur perfekten Lobbyistin mache, bekommt man verschiedene Antworten: Ihre Begeisterung für Projekte sei unglaublich ansteckend, sagen sie. Sie habe ein Händchen dafür, gute Leute um sich zu scharen, und kümmere sich liebevoll. Sie kenne alle, denke vernetzt, sei im Kopf immer schon drei, vier Schritte weiter. Dabei sei sie auch noch topseriös, am Abend nach einer Sitzung verschicke sie bereits Mails, in denen sie über die Abklärungen informiere, die sie gemacht habe. Das mache auch ausserhalb der Kulturszene Eindruck. Und dadurch, dass sie an fast allen Schalthebeln der Schaffhauser Theaterszene stehe, seien die Wege kurz – und sie selber dermassen speditiv, dass Theaterschaffende in anderen Kantonen ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie hören, mit wie wenig Stellenprozenten Furrer all die Projekte stemmt.

Das klingt erst mal alles maximal formidabel. Doch sollte man bei Lobbyisten nicht auch immer etwas skeptisch sein?

Der ewige Wunschtraum

Am Türschild von Katharina Furrers Büro mitten in der Altstadt steht: Schauwerk – das andere Theater, Schaffhauser Sommertheater, Jurgendclub momoll theater, Probebühne Cardinal, Katharina Furrer – Kulturorganisation. Zudem präsidiert sie den Haberhaus-Kulturverein. Das sind sie also, die «kurzen Wege». Fragt man Furrer, ob das jetzt dieser Schaffhauser Filz sei, lacht sie laut heraus und sagt: «Synergien!»

Wir sind gekommen, weil Katharina Furrer gerade im Begriff ist, ihren grössten Coup zu landen, nach vielen Jahren Lobbyarbeit. Wir möchten wissen, wie ihr das gelang. Und wie es künftig weitergehen soll mit der Theaterszene – denn Katharina Furrer beginnt auch langsam, ihre Nachfolge vorzubereiten.

Begehung der Bachturnhalle mit Architekten und künftigen Betreibern. Noch aber hält Katharina Furrer die Fäden in der Hand.
Begehung der Bachturnhalle mit Architekten und künftigen Betreibern. Noch aber hält Katharina Furrer die Fäden in der Hand.

Eine Woche zuvor: Fünf Architekten, Techniker und Theaterleute stehen mit rudimentären Bauplänen in der Bachturnhalle. Hier soll, wenn alles klappt, 2021 eine neue Theaterbühne eröffnet werden. Von der Empore (im Bild über dem Basketballkorb) soll eine Tribüne bis zum Boden Platz bieten für 150 Menschen. Die ­Decke hoch, die Bühne ebenerdig – es wäre der ideale Theaterraum für die freie Szene.

Die «mittlere Bühne» ist ein ewiger Wunschtraum der Theaterszene. Beim Fasskeller bringt man die Bühnenteile kaum die Wendeltreppe hinunter, im Keller gibt es kein fliessendes Wasser, das Haberhaus ist für viele Produktionen zu klein, die Kammgarn hingegen ist zu gross, und eine echte Tribüne mit guter Sicht auf die Bühne gibt es sowieso nur im Stadttheater.

Nun aber hat «die Schaffung einer bedarfsgerechten mittelgrossen Bühne als Produktions- und Aufführungsstandort für die freie Theater- und Tanzszene sowie als Aufführungsort für szenische Konzertprojekte» bereits Eingang in die Kulturstrategie und den Kulturbrief der Stadt gefunden. Es sieht so aus, als ob sie nun tatsächlich realisiert wird. Nach 18 Jahren.

Klinken putzen – Jahr für Jahr

Die Geschichte der «mittleren Bühne» ist eng verknüpft mit der Geschichte der Theaterfrau Katharina Furrer.

Gut gelaunt erzählt sie in ihrem geräumigen Theaterbüro, wie das angefangen habe mit ihr und dem Theater. Das Virus habe sie während der Kanti befallen, und bald habe sie beim Theater im Fass (TiF) mit Graziella ­Rossi, Charlotte Heinimann und Ingrid Wettstein mitgewirkt. Immer im Hintergrund, «ich bin nicht gut auf der Bühne», sagt sie, «ich könnte es nicht geniessen». Als Lehrerin hat sie auf Schulkosten Textbücher für das TiF kopiert. Irgendwann dann, 2003, hat sie die Schule endgültig aufgegeben, das Büro in der Stadt gegründet und sich ganz aufs Theater konzentriert.

Es ist die Zeit, als erste Gespräche mit der Stadt wegen einer «mittleren Bühne» inklusive Proberaum begonnen haben. Seither hat Katharina Furrer verschiedene Kulturreferenten erlebt – und hat bei allen beharrlich die Klinke geputzt. Marcel Wenger, Thomas Feurer, Urs Hunziker, nun Raphaël Rohner. Immer wieder habe sie mögliche Räume besichtigt, praktisch jedes Jahr Briefe geschrieben an die Stadt – beharrlich drangeblieben.

2006 gelang ein Teilerfolg. Sie gründete mit einem Verein die Probebühne im Cardinal, wo heute nebem dem Theater Sgaramusch, dem Jugendclub Momoll und der Kindertheaterschule weitere Mieter proben. Es gibt zwei Räume, ein Klavier, einen Holzschwingboden, einen grossen Requisitenfundus. Aber eine mittelgrosse Bühne fehlte weiterhin.

Später, 2015, gründete sie den Haberhaus-Kulturverein, laut Katharina Furrer eine «ungeheure Erfolgsgeschichte». 2019 war der Veranstaltungskeller im Haberhaus an 234 Tagen belegt. Doch das Haberhaus sei vor allem geeignet für Konzerte, wo man keinen optimalen Blick auf die Bühne brauche.

Auch damit war das Bühnenproblem noch nicht gelöst. Bis jetzt.
Katharina, klappt es jetzt mit der Bachturnhalle, weil du so gut lobbyiert hast?

«Es klappt vor allem, weil der jetzige Kulturreferent Raphaël Rohner den Mut hat, das in Angriff zu nehmen.»

Vielleicht zeigt dieser Satz das Furrer’sche Erfolgsrezept: Sie arbeitet beharrlich im Hintergrund, überlässt die Bühne dann aber auch gern den anderen. Raphaël Rohner hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass er im Kulturreferat sehr gut aufgehoben ist und willens ist, Projekte anzureissen. Und auch umzusetzen. Und Katharina Furrer versteht es offenbar, das zu lesen – und ihm die benötigten Steilpässe zuzuspielen.

Die «mittlere Bühne» soll 2021 eröffnet werden – mit einer Sommertheaterproduktion. Alle zwei Jahre stampft das Sommertheater eine Bühne und eine Beiz aus dem Boden. Wie 2011, als es in ebendieser Bachturnhalle das Stück Titanic gespielt hat. Diesmal, zehn Jahre später, soll die Installation nicht mehr abgebaut werden.

Muss man bei der Lobbyistin Katharina Furrer also skeptisch sein? Das Einzige, das man ihr vielleicht vorwerfen kann, ist, dass sie nicht übers Theater hinaus wirkt. Und dass sie ihren Job vielleicht etwas zu gut macht: Ist das Theater zu nah an der Macht, ist es im Vergleich zu anderen Sparten vielleicht etwas übersubventioniert? Stellt man Katharina Furrer diese Frage, erklärt sie einem – faktenreich und ziemlich einleuchtend – warum dem nicht so ist. Da ist sie wieder, die Lobbyistin.

Bis in alle Ewigkeit wird sie ihren Job nicht machen. Die «mittlere Bühne» wird sie nur noch als Beraterin begleiten. Danach müssen andere ran, und da ist – natürlich – schon einiges aufgegleist. Gute, junge Leute sind installiert, werden von Furrer angeleitet, lernen, an welchen Stellschrauben es zu drehen gilt, um bei denen ernst genommen zu werden, die schliesslich über Anträge entscheiden.

Die Schaffhauser Theaterszene ist kerngesund und weit geachtet. Die «mittlere Bühne» ist dabei wohl so was wie Furrers spätes Meisterstück.