Schaffhauserin, Single, sucht – Drei Frauen um die 30 erzählen aus ihrem Sexleben.
Desirée
Bei mir läuft nichts. Flaute. Ich habe viel weniger Sex, als ich gerne hätte. Ich möchte schon auch wieder eine Beziehung und irgendwann Kinder, aber das alles lieber morgen als heute. Meine Familie fragt gefühlt alle drei Tage nach, na, was macht die Liebe. Langsam werden sie panisch, dass ich keinen abbekommen könnte. Ich muss schon aufpassen, dass ich mich davon nicht anstecken lasse, denn ich kann im Moment eigentlich bestens auf einen festen Freund verzichten.
Nicht aber auf Sex. Je älter ich werde, desto mehr Lust habe ich. Wahrscheinlich, weil ich jetzt endlich weiss, was ich mag und was ich will. Und doch kommt es leider fast nie dazu. Männer reagieren immer ungläubig, wenn ich ihnen das erzähle. «Du könntest doch irgendwen auf der Strasse anquatschen», fantasieren sie dann. Aber ich will halt nicht irgendwen. Auch nicht, wenn es «nur» um Sex geht. Früher konnte ich mir das nicht eingestehen, weil ich dachte, das hätte etwas mit Unabhängigkeit zu tun, aber heute muss ich sagen: Guten Sex habe ich eigentlich nur dann, wenn Gefühle im Spiel sind. Und damit meine ich nicht mal, dass ich verknallt sein muss, mein Interesse muss einfach geweckt sein, und das geht fast nur, wenn mir jemand schon ein paarmal aufgefallen ist und sich bereits eine Spannung aufgebaut hat zwischen uns. Das ist in Schaffhausen ein Vorteil, weil man sich hier immer wieder über den Weg läuft und die Auswahl halt natürlich begrenzt ist.
Was hingegen eher vorkommt, ist, dass ich von einer Frau bei der ersten Begegnung völlig geflasht bin. Es ergibt sich zwar kaum, dass ich mich mit einer Frau sexuell einlasse, in Schaffhausen leider praktisch nie, aber ich bin da viel schneller hingerissen als bei Männern. Es sei denn, der Typ ist einfach unglaublich hot oder mir gerade alles egal.
Tinder, OkCupid und all die anderen Dating-Apps sagen mir nicht zu. Wer weiss, vielleicht werde ich mal wieder so verzweifelt nach einem Mann suchen, dass ich eins einschalte, endgültig gelöscht habe ich die Apps nicht. Aber grundsätzlich ist Online-Dating für mich viel weniger erfolgversprechend, als wenn ich am Wochenende in den Ausgang gehe, wo man innerhalb von Sekunden weiss, ob man sich gegenseitig gefällt. Tinder benutze ich in Schaffhausen grundsätzlich nicht, es ist nun mal das populärste App, und da möchte ich mir in Schaffhausen nicht die Blösse geben. Allgemein finde ich es in der Kleinstadt nicht ideal, online zu daten: Die meisten App-User wohnen ja in Zürich oder in den anderen grösseren Städten. Einerseits bevorzugen diese Leute natürlich ein Gspusi in unmittelbarer Nähe, da muss man sich bei dem bestehenden Überangebot schon ein bisschen ins Zeug schmeissen, um als Schaffhauserin mithalten zu können. Und andererseits fehlt mir selbst die Motivation, für jedes erste Date mit einem Fremden extra nach Zürich zu fahren. Ich weiss, ich habe zu hohe Ansprüche.
Manchmal sprechen wir unter Freundinnen zum Spass wirklich über Männer, als wären sie Ware. Aber ganz so cool sehe ich es eigentlich nicht in Schaffhausen. Diese Stadt macht mich paranoid. Ich habe hier sehr stark das Gefühl, dass ich mich mit möglichst niemandem einlassen sollte, weil sich das rumsprechen würde. Ich lasse mich auch tatsächlich mit kaum jemandem ein von hier. Und wenn doch, fühlt es sich an, als hätte ich kurz die Kontrolle verloren. Es ist mir erstens unangenehm, wenn Menschen aus meinem Umfeld Bescheid wissen könnten, mit wem ich im Bett war, und zweitens will ich nicht, dass mein Ruf Schaden nimmt. Ich finde es dumm, dass ich insgeheim so denke, aber es ist schwierig, das abzulegen.
Gianna
Am Anfang hatte ich das Singleleben sehr genossen. Ich fand es schön, machen zu können, was ich will, und mich nach niemandem richten zu müssen. Aber seit einiger Zeit sehne ich mich wieder nach einer Beziehung, auch wenn ich nicht mit meinen Freundinnen tauschen wollte, die bereits Kinder haben.
Ich habe gerne Sex, aber im Zweifelsfall verzichte ich lieber. Das Bedürfnis, nur um der Sache willen mit jemandem zu schlafen, habe ich nicht. Erst, wenn mir ein Mann richtig gut gefällt, entsteht das Verlangen. Einfach vergnügen kann man sich ja auch mit sich alleine. Klar, es ist blöd, dass gerade gar nichts läuft, aber was ich am meisten vermisse, ist sowieso das Rundherum; das Kuscheln, die Nähe. Eine längerfristige Affäre wäre sicher auch okay, vielleicht ergibt sich daraus ja etwas Ernstes. Was ich hingegen echt nicht fühle, sind One-Night-Stands, da kommst du doch nicht auf deine Kosten.
Es hat mir einfach auch abgelöscht, ständig auf mein Äusseres reduziert zu werden. Das stresst mich auch so krass an den ganzen Dating-Apps wie Tinder: Es geht einzig darum, ob man ein einigermassen hübsches Gesicht, einen einigermassen guten Körper hat. Der Rest ist scheissegal. Typen, die du dort kennenlernst, sind vielleicht interessiert, aber du bist so ersetzbar, dass sie oft nicht wirklich Aufwand betreiben wollen, um die Sache weiterzuführen. Oder sie bekommen plötzlich Schiss, dass man sie einengen will, während sie selbst ihrerseits mega anhänglich und emotional sind. Im Moment bin ich echt desillusioniert. Ich weiss nicht, wann mich zuletzt jemand auf eine anständige und nicht idiotisch anzügliche Weise angesprochen hat. Ich gehe eher in Zürich oder Winterthur aus. Was mir auffällt, ist, dass ich im Schaffhauser Ausgang immer das Gefühl habe, dass alle jünger sind als ich. Oder dann sind sie vergeben, die guten Typen sowieso.
Die Kleinstadt ist für mich kein Problem, ich habe lange woanders gewohnt und kenne nicht jeden hier. Es ist grundsätzlich aber wohl schon so, dass das Image von Frauen, die sich sexuell ausleben, auch heute noch schnell Schaden nimmt.
Lena
Ich bin zufrieden damit, wie es jetzt ist. Ich will gerade keinen festen Freund, und ansonsten läuft es mit den Typen gerade ganz gut. Klar, es ist ein Auf und Ab. Man lebt halt auch anders als Single, risikofreudiger, intensiver vielleicht. Im Ausgang hat man mehr Motivation, länger zu bleiben, etwas zu erleben. Dabei ist man unterbewusst konstant auf der Suche. Nach was? Egal, nach Liebe, nach Sex. Ich nehme, was kommt.
Ich treffe im Moment jemanden, bei dem schwanke ich gerade zwischen: Er törnt mich an, er törnt mich ab. Im Moment ist der Sex noch gut. Aber kann sein, dass das bald in Ekel umschlägt. Das passiert manchmal einfach so, wenn man von einem Typen nicht hundertprozentig überzeugt ist: Man schläft zwei-, drei-, viermal miteinander, und dann, ganz plötzlich, denkt man sich, nein Mann, ich will nicht mehr. Ein Schlüsselmoment, und ist er noch so unbedeutend: Ich kann es nicht mehr.
Für mich ist eine Affäre dann gut, wenn es zwischenmenschlich stimmt, vielleicht aber nicht für etwas Ernstes reicht. Es braucht bei mir aber sowieso extrem viel, bis ich einen zum Freund haben will, da bin ich überkritisch. Emotionale Nähe kann man ja auch in einer Affäre haben.
Es gibt Phasen, wo es mir egal ist, keinen Sex zu haben. Etwa, wenn ich voll mit dem Job beschäftigt bin. Ich hatte auch schon ein Jahr lang keinen Sex und habe mich bestens an die Enthaltsamkeit gewöhnt. Aber tust du es einmal wieder, kommst du auf den Geschmack, so ist es doch immer.
Ich habe mir weder in Schaffhausen noch sonst wo je Gedanken gemacht, dass Sex verwerflich sein könnte. Ich bin eine emanzipierte Frau und ich mache, was ich will. Das Gefühl, dass das nicht okay sei, haben mir dann erst Männer gegeben. Das hat mich eine Zeitlang auch voll auf den Psycho gebracht.
Klar, in Schaffhausen werden gewisse Kollegenkreise tabu, wenn man mit jemandem etwas gehabt hat. Das wäre sonst schon unangenehm. Schaffhausen ist halt klein. Als wir jünger waren, war es sicher einfacher, in Schaffhausen jemanden kennenzulernen. Alle Gleichaltrigen waren damals im Ausgang, das ist heute anders. Ich sehe hier im Alltag schon Männer auf der Strasse, die vielleicht easy wären. Aber denen begegnet man dann abends nie, oder sie gehen halt nicht in Schaffhausen aus. Dating-Apps habe ich schon ausprobiert und wieder gelöscht, das war mir zu blöd. Per se fand ich es aber kein Problem, Tinder in Schaffhausen zu nutzen. Wenn man jemandem auf Tinder begegnet, ist der ja genau im selben Boot, wieso sollte ich mich vor ihm schämen.
Ich glaube, der Grund, dass es mir im Moment so gut geht, ist, dass ich meine Erwartungen an mein Beziehungsleben runtergeschraubt habe. Ich bin mich damit am Abfinden, dass ich vielleicht niemandem begegne, mit dem ich eine Familie gründen kann.
Eine Zeitlang war ich deswegen voll im Stress, weil ich mich immer wieder fragte, was ist, wenn es nicht funktioniert? Wenn ich Kinder haben will und ich niemanden dafür finde? Dabei ist es mir nur um des Mannes willens doch egal, ich habe nicht das Bedürfnis, zwischen 30 und 40 Jahren unbedingt die ganz grosse Liebe zu finden, wieso auch. Wenn tatsächlich etwas Stress macht, dann schon die eigene Fruchtbarkeit. Aber dennoch: Die Vorstellungen, die einem die Gesellschaft eingibt, dieses Familien-Musterbeispiel, dem alle nachstreben, das kann dich als Frau doch kaputtmachen, wenn du zu sehr daran glaubst und es dann vielleicht nicht erreichst und plötzlich zu alt bist für Kinder. Im Moment bin ich einfach froh, dass ich mich von diesen Zwängen lösen konnte und das machen kann, was ich will und was mir Spass macht.
Alle Namen geändert