Kein Deutschschweizer Kanton gibt weniger Geld für den Sport aus als Schaffhausen. Jetzt streicht der Kanton auch noch die Beiträge an junge Spitzensportlerinnen und -sportler.
«Es ist uns bewusst, dass wir uns damit nicht nur Freunde machen», sagt Fredi Meyer und legt eine kurze, nachdenkliche Pause ein. «Wir haben das nicht gerne gemacht.» Aber: «Die Mittel sind begrenzt.»
Bisher hat der Kanton Schaffhausen junge, einheimische Spitzensportlerinnen und -sportler, beziehungsweise deren Eltern, mit Beiträgen von ein paar wenigen Tausend Franken pro Jahr unterstützt.
Konkret hat er im Jahr 2018 22 Nachwuchshoffnungen mit insgesamt knapp 60 000 Franken aus dem kantonalen Sportfonds unter die Arme gegriffen. Jetzt aber fliesst kein Geld mehr. Das hat der Schaffhauser Regierungsrat entschieden. Der Antrag auf Streichung der Beiträge an die Eltern kam von der Sportfonds-Kommission des Kantons und ihrem Präsidenten Fredi Meyer.
Hohe Kosten für die Eltern
Letztes Wochenende in Biel: Lukas Britschgi wird zum zweiten Mal hintereinander Schweizer Meister im Eiskunstlauf. Nun träumt der 21-Jährige von einer Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Peking 2022.
Dass der junge Eiskunstläufer Talent hat, weiss auch die Sportfonds-Kommission. Sie hat ihn deshalb 2018 wie 21 andere junge einheimische Sportlerinnen und Sportler mit einem kleinen finanziellen Beitrag unterstützt.
Zu den Nachwuchshoffnungen, die vom Kanton gefördert wurden, gehört auch Tatiana Miccoli. Die 19-jährige Taekwondo-Sportlerin hat im Mai an den Weltmeisterschaften in Manchester teilgenommen. Ihr Ziel sind die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris. Für 2020 habe es noch nicht gereicht, sagt ihr Vater Moreno Miccoli. Damit es mit der Olympia-Teilnahme klappt, müsse Tatiana an internationalen Turnieren in Europa und der ganzen Welt teilnehmen. Das System funktioniere ähnlich wie beim Tennis: Kämpfe bestreiten und Punkte sammeln, um auf der Weltrangliste vorwärtszukommen. «Das kostet viel Geld. Die Reisekosten betragen mehrere Tausend Franken pro Turnier», sagt der Vater. Ohne die Unterstützung des Kantons werde es sicher schwieriger, alles bezahlen zu können, meint Moreno Miccoli.
«Es darf nicht sein, dass nur noch Kinder von vermögenden Eltern Spitzensport betreiben können»
Nicole Russenberger, Mutter
Auch die Familie Russenberger hat 2018 Beiträge vom Kanton erhalten. Gleich zwei Kinder der Russenbergers betreiben Spitzensport (Wanja/Radsport und Noëlle/Kunstrad). Die Mutter Nicole Russenberger sagt: «Der Beitrag des Kantons ist ein kleiner Zustupf, über den wir sehr froh sind.» Reisekosten, Velos, Material und Lager kosten mehrere Tausend Franken im Jahr. Nicole Russenberger meint deshalb: «Es ist schade, wenn es diese Unterstützung nicht mehr gibt. Es darf nicht sein, dass nur noch Kinder von vermögenden Eltern Spitzensport betreiben können.»
Abkehr vom «Giesskannen-Prinzip»
Warum hat die Sportfonds-Kommission bei der Regierung beantragt, die Beiträge an die Eltern zu streichen?
Mehrere Gründe habe es dafür gegeben, sagt Kommissionspräsident Fredi Meyer. Erstens habe die Vergabe der Beiträge bisher nach folgendem Prinzip funktioniert: Wer wusste, dass es diese Art der Unterstützung gibt, stellte ein Gesuch, dem die Kommission in der Regel, gemäss internen Kriterien, zugestimmt habe. Wer allerdings nichts von dieser Möglichkeit wusste und keinen Antrag stellte, habe auch kein Geld erhalten. Hätten aber noch mehr Eltern mit berechtigten Ansprüchen ein Gesuch eingereicht, hätte die Kommission ein Problem bekommen, sagt Fredi Meyer: «Um alle zu unterstützen, reichen die Mittel des Sportfonds nicht aus. Und nur Einzelnen zu helfen sehen wir als unfair an.»
Es werde aber nach wie vor eine Nachwuchsförderung durch den Sportfonds geben, sagt Meyer. Die Kommission will ein neues Konzept entwickeln, wie die Gelder des Sportfonds zukünftig verteilt werden sollen. «In Zukunft könnten zum Beispiel vermehrt Projekte, Vereine und Leistungszentren statt einzelne Sportlerinnen und Sportler unterstützt werden.»
Zweitens gebe es kaum mehr Kantone, die eine solche individuelle Nachwuchsförderung mittels Beiträgen an die Eltern gewähren. Das liege auch daran, dass der Verband Swiss Olympic empfohlen habe, dass die Kantone nicht mehr nach dem «Giesskannen-Prinzip» einzelne Sportlerinnen und Sportler fördern, sondern vermehrt die Infrastruktur unterstützen.
Ist also Swiss Olympic (der Dachverband des Schweizer Sports und auch das Nationale Olympische Komitee der Schweiz) daran mitschuldig, dass die Eltern von Kindern, die vielleicht dereinst die Schweiz an Olympischen Spielen vertreten werden, keine Gelder mehr vom Kanton erhalten?
«Nein, dem ist nicht so», sagt Alexander Wäfler, Leiter Medien und Information von Swiss Olympic. «Die Erfahrung von Swiss Olympic zeigt jedoch, dass es effizienter ist, wenn die direkte finanzielle Unterstützungen für nationale Top-Athletinnen und Top-Athleten, die im Elite-Alter und auf dem Weg an die Weltspitze sind, von nationalen Institutionen erbracht wird. Nachwuchstalente mit internationalem Potenzial sollten finanziell ebenfalls national unterstützt werden.»
Die Hauptaufgaben der Kantone sieht Swiss Olympic hingegen «in der Optimierung der Rahmenbedingungen, etwa im Bereich der Infrastruktur sowie der Förderung der regionalen und nationalen Leistungszentren, insbesondere durch die Unterstützung der Nachwuchstrainerinnen und -trainer». Die direkte finanzielle Unterstützung an Eltern von jungen Athletinnen und Athleten gehöre nicht zum Aufgabenbereich von Swiss Olympic. Wäfler verweist stattdessen an die Schweizer Sporthilfe, die Athletinnen und Athleten direkt unterstützt.
«Um alle zu unterstützen, reichen die Mittel des Sportfonds nicht aus»
Fredi Meyer, Präsident Sportfonds-Kommission
Die Schweizer Sporthilfe wiederum sagt, man könne nicht alle jungen Sportlerinnen und Sportler unterstützen. «Auch unsere Mittel sind nicht unbeschränkt», sagt Mediensprecherin Nadja Venetz. Daher begrüsse es die Sporthilfe grundsätzlich, wenn auch die öffentliche Hand einen Beitrag an die Athletinnen und Athleten leistet.
Einige junge Schaffhauserinnen und Schaffhauser wie Tatiana Miccoli sind bei der Sporthilfe dabei, die grosse Mehrheit der Athletinnen und Athleten, die 2018 Beiträge vom Kanton erhalten haben, hingegen nicht.
Sportfonds-Mittel für die Kadetten
Nun stellt sich allerdings die Frage: Hat es im Sportfonds des Kanton Schaffhausen tatsächlich kein Geld mehr für die Elternbeiträge? Oder ist es einfach eine Frage der Prioritäten?
850 000 Franken hat der Kanton 2018 für den Sport ausgegeben, unter anderem für Sportmaterial. Beiträge erhielten beispielsweise die Schaffhauser Hornussergesellschaft, der Ruderclub Schaffhausen – und die Kadetten.
Ausgerechnet die Kadetten, die vom reichsten Schaffhauser Giorgio Behr gesponsert werden, erhalten einen Beitrag aus dem Sportfonds?
Kommissionspräsident Fredi Meyer sagt: «Es ist in der Kommission immer wieder ein Thema, ob der Profisport unterstützt werden soll.» Aber: «Die positiven Wirkungen des Spitzensports auf den Breitensport sind unbestritten, darum ist dessen Unterstützung indirekt auch eine Unterstützung der Basis. Diese Gelder sollen auch bewusst für die Nachwuchsabteilungen eingesetzt werden.» Ausserdem schliesse das Sportfondsreglement die Unterstützung des Profisports nicht aus. «Wenn wir das tun würden, wäre das Willkür», sagt Meyer.
Weiter sei es auch ein Entscheid aufgrund politischer Regierungs- und Repräsentationspflichten: «Man kann nicht an eine Meisterfeier der Kadetten gehen, ohne ein Geschenk dabeizuhaben. Unsere regionalen Spitzensportler und Vereine tragen den Namen Schaffhausen in die weite Welt, und dies ist unterstützungswürdig.»
Im Kantonsvergleich abgeschlagen
Unabhängig davon, wer Gelder aus dem Sportfonds erhält, ist auch klar: Allgemein zeigt sich der Kanton Schaffhausen bei der Sportförderung knausrig.
Der kantonale Sportfonds wird mit Abgaben von Swisslos, dem Lottospielanbieter in der Deutschschweiz, gespiesen. Allerdings fliessen nicht alle Gelder von Swisslos in den Sportfonds, der Kanton teilt die Gelder vor allem dem sogenannten Lotteriefonds zu, mit dem unter anderem kulturelle und soziale Projekte mitfinanziert werden. Konkret fliessen 82 Prozent der Gelder in den Lotteriefonds, nur 18 Prozent in den Sportfonds. Das ist schweizweit einer der tiefsten Werte, kein einziger Deutschschweizer Kanton liegt darunter. Einzig die Westschweizer Kantone geben mit 16,7 Prozent noch etwas weniger für den Sport aus.
Diese Zahlen kennt auch Fredi Meyer. «Ich weiss, dass wir am Schwanz der Rangliste stehen. Das ist so.» Mittelfristig könne es für die Kommission deshalb durchaus eine Option sein, bei der Regierung einen Antrag zu stellen, damit der Anteil für den Sport erhöht wird.
Der zuständige Regierungsrat Christian Amsler scheint dafür offen zu sein: «Wir werden uns Gedanken machen, ob wir in Zukunft am Schaffhauser Verteilschlüssel eine kleine Änderung vornehmen wollen», sagt er.
Fredi Meyer sagt aber auch: Man müsse sich klar sein, dass bei einer Erhöhung des Anteils der Lottogelder für den Sport vielleicht andernorts Abstriche gemacht werden müssten. «Es ist wie oft ein Verteilkampf.»
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Wer bekommt Geld aus dem Sportfonds?
2018 hat der Kanton Schaffhausen 850 000 Franken für den Sport ausgegeben. Der grösste Teil (490 000 Franken) floss in 38 Infrastuktur-Projekte. So erhielt der Tennisclub Uhwiesen ebenso einen Beitrag für die Teilsanierung seines Clubhauses wie die Gemeinde Beringen für den Bau eines Spielplatzes. Weiter flossen 100 000 Franken an total 55 Anlässe wie die Pferdesporttage Griesbach, den Schaffhauser Triathlon oder die Kantonalen Gerätemeisterschaften des Schaffhauser Turnvereins. Zusätzliche 100 000 Franken gingen an diverse Sportkurse, unter anderem von Pro Senectute, dem Schaffhauser Fussballverband oder dem Kantonalschützenverband. Die gesamte Liste finden Sie hier.