Schaffhausen hat eine Monopoly-Edition. Zu kaufen gibt es den Munot, Schleitheim, das Stars in Town und viel Werbung – wir zocken.
Irgendwie sind die Reichen immer die Onkel. Selten Väter, Mütter sowieso nicht. Und weil fast niemand so einen reichen Onkel hat, setzen viele ihre Hoffnungen auf das Glück. Mögen die Würfel gnädig fallen – es ist Zeit für Spiele.
Nicht nur, aber sicher auch, weil der Jahreswechsel vor der Tür steht. Wenn die Verwandtschaft und all die nicht sehr wohlhabenden Onkel zu Besuch kommen, sind Brettspiele eine beliebte Möglichkeit, langweiligen Unterhaltungen aus dem Weg zu gehen. Und weil das Spiel um Geld, Häuser, Hotels, Strassen und Plätze das Adrenalin erheblich ansteigen lässt, kramen viele ein altes Monopoly aus dem Schrank hervor. Oder ein neues. Denn Monopoly, das 1904 unter dem Namen The Landlord’s Game erfunden wurde, gibt es in allen erdenklichen Versionen: von der Weltedition, die erdumspannende Allmachtfantasien nährt, bis zum Star Wars-Special, in welchem das gesamte Universum zur Disposition steht. Und weil der Verlag sich bestens auf Kapitalisierung versteht, kam kürzlich eine feministische Edition heraus – Ms. Monopoly –, wo Frauen mehr Geld als Männer verdienen und man in Erfindungen von Frauen investiert.
Von der Region für die Region
Seit kurzem können sich die Schaffhauserinnen und Schaffhauser einen vielleicht lang gehegten Traum erfüllen und sich den Munot, den Rheinfall oder, seien wir extravagant, gleich die ganze Altstadt von Stein am Rhein kaufen. Just auf das Weihnachtsgeschäft brachte die Unique Gaming Partners das Schaffhauser Monopoly auf den Markt. Die Liechtensteiner Firma individualisiert Spiele nach dem B2B-Prinzip, Business to Business, für Unternehmen, die ein besonderes Werbegeschenk möchten. Und das funktioniert auch für Städte und Regionen. Bereits 25 Versionen sind für die Schweiz erhältlich, das Spiel bleibt sich dabei immer treu: Raffen, was geht, und alle anderen in den Ruin treiben, bis einem alles gehört.
In der Schaffhauser Edition heisst das bei der Gemeinde Buch anfangen – für günstige 60 Monopolydollar zu haben – und beim Rheinfall aufhören, der 400 Dollar kostet. Dazwischen trifft man auf richtige Schnäppchen, wie das Kloster Allerheiligen für 100 Dollar und die Stadt Schaffhausen, die wie Buch 60 Dollar kostet, und auf Überteuertes wie das Haus zum Thiergarten – sponsored by der Immobilien und Treuhandfirma IT3 – für 350 Dollar.
Sponsoring, das hat beim Regional-Monopoly viel Platz. Kein anderes Spiel würde sich dafür besser eignen: Die Felder wurden kurzerhand auch in der realen Welt monetarisiert und quasi als Werbefenster an interessierte Schaffhauser Unternehmen verkauft. Dabei sind beispielsweise der Bücher Schoch, die Papeterie Schwaninger, die Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein und Georg Fischer.
Und wie im Spiel gibt es verschiedene Möglichkeiten einer «Partnerschaft». Sowohl Unique Gaming Partners wie auch die von der AZ angefragten Firmen wollen nicht genau verraten, wie teuer eine solche ist, es soll sich aber um mehrere Tausend Franken handeln. Und weil die Werbetour vor dem Tourismus nicht Halt macht, gab es auch bei der Bebilderung ein Geschäft: Die Fotos wurden von der Organisation Schaffhauserland Tourismus geliefert, die dafür ihr Logo auf der Schachtel platzieren durfte.
Der grösste Partner sind wohl die Schaffhauser Nachrichten, die ihr Logo auf Gemeinschafts- und Ereignisfeldern und den entsprechenden Karten platziert haben. So gibt es Zeitungsmeldungen und Online-News, die eine Strafe oder eine Belohnung vorgeben. Die Leserinnen- und Leserbindung der etwas anderen Art geht dann so: «Sie sind zum Kantonsrat gewählt worden. Zahlen Sie jedem Spieler 50 Dollar» oder «Sie haben vergessen, das Munotglöcklein (sic!) zu läuten. Sie zahlen 100 Dollar», aber auch «Sie sind mit dem FC Schaffhausen aufgestiegen. Als Aufstiegstrainer erhalten Sie 100 Dollar» oder «Sie waren am Freilichtspiel No e Wili aktiv beteiligt und erhalten 100 Dollar».
Jegliche Interpretation über die Gewichtung der Aussagen sind natürlich den Spielerinnen und Spielern überlassen. So ist ein Werbegeschenk von der Region für die Region entstanden, eines, das jedoch nicht gratis zu haben ist. Die Verbundenheit mit Schaffhausen kostet im Einzelhandel stolze 69.90 Franken.
Fürs Geld zu wenig
Der Preis hält die Leute aber nicht vom Kauf ab. Die regionalen Versionen sind äusserst beliebt und schnell ausverkauft. Das womöglich auch, weil in den Werbepartnerschaften jeweils eine bestimmte Anzahl Spiele zur eigenen Verfügung enthalten ist. So werden manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Monopoly unter dem Weihnachtsbaum finden. Dass es sich auch um eine Werbeplattform handelt, scheint nicht zu stören, meinen Unique Gaming Partners auf Anfrage.
Aber was wäre das für ein Monopoly-Spiel, wenn es nicht die kleine Kapitalistin in uns wecken würde. Die Bilanz fällt ernüchternd aus: Für knappe 70 Franken ist zu wenig drin. Mehr Inspiration hätte man schon erwarten können. Und mehr Realitätsbezug. Wollen wir um Schaffhausen spekulieren? Let’s play.
Eine Schaffhauser Super-spezial-Edition à la AZ könnte so aussehen: Starten kann man als durchschnittliche natürliche Person, als KMU oder als Holding-Gesellschaft. Die Bank ist natürlich der Kanton, der gleich bei allen Steuern einzieht. Das KMU profitiert als juristische Person von einem besseren Tarif, die Holding startet bereits mit Subventionen.
Die Gemeinden sind nach ihrem Steuerfuss angeordnet. Je höher, desto teurer: eine Sternstunde für die sonst wegen den hohen Steuern gebeutelten Beggingen, Trasadingen und Oberhallau, wo man durch eine geschickte Immobilienstrategie kräftig abkassieren kann.
Wer sich die Klaiber Immobilien AG unter den Nagel reisst, hat grosse Chancen auf den Sieg, und bleibt man auf dem Stadion sitzen, winkt die Insolvenz. Spekuliert wird beim Stadthausgeviert und beim Spitalneubau.
Wer Glück hat, darf Klosterareal erwerben, und bei Pech steht man beim Galgenbuck im Stau. Die Renaturierung des Rheinufers bringt Extra-Geld ein, und Strafe zahlt man, wenn der Elektrobus stehen bleibt. Die natürliche Person, die arme Schluckerin, darf auf eine Lohnerhöhung hoffen (davon gibt es aber nur eine Karte), die Holding angelt sich von Steuerabzug zu Steuerabzug, und das KMU darf immerhin regelmässig auf dem Frei-Parken-Feld Pause machen.
So wie es wirklich ist, im kleinen Paradies.