Umgeblättert

11. Dezember 2019, Nora Leutert
Etwa 20 bisherige Publikationen werden weiterhin über den Meier Buchverlag zu haben sein. © Peter Leutert

Auf leisen Sohlen und mit einem etwas merkwürdigen letzten Wurf hat sich der Meier Buchverlag aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Warum ging ihm der Atem aus?

Sang- und klanglos ist der Meier Buchverlag Ende Juni vom Platz getreten. Der Buchverlag der Meier+Cie AG besteht formal zwar weiterhin, integriert in den Verlag der Schaffhauser Nachrichten, gibt aber keine Unterhaltungs- oder Sachliteratur mehr heraus. Dies wurde in der Tageszeitung nur am Rande vermeldet.

Und auch das letzte Buch aus dem Meier Buchverlag, das vor wenigen Tagen Vernissage feierte, setzt keinen besonders ambitionierten Abschluss, sondern hinterlässt eher Ratlosigkeit. Aber dazu später.

Angefangen hat alles mit grossem Enthusiasmus: In den 90er-Jahren wurde der schon lange zuvor bestehende Buchverlag des Hauses Meier durch das Ehepaar Neininger neu aufgebaut. Norbert Neininger hatte die Leitung des Buchverlags 1991 übernommen und als er drei Jahre später zum Chefredakteur der Schaffhauser Nachrichten berufen wurde, löste ihn Gattin Marie-Christine ab, zuvor Buchverlags-Mitarbeiterin und Sonderbeilagen-Redaktorin.

Sie und ihr Mann seien der Meinung gewesen, dass zu einem grossen Medienhaus auch ein Buchverlag gehöre, erzählt Marie-Christine Neininger heute.

Christoph Blocher hat abgeraten
Marie-Christine Neininger trieb den Verlag in den kommenden Jahrzehnten engagiert voran, ging auf die Leute zu, nutzte ihr grosses Netzwerk und konzipierte viele eigene Buchprojekte, die sie mit Schaffhauser Autoren umsetzte, wie etwa das aufwendig und schön gestaltete Buch Schaffhauser Märchen.

Aufsehenerregend war die Herausgabe der beiden Bücher über Christoph Blocher, einen Freund des Hauses. Eine verlegerische Entscheidung, die von Christoph Blocher rückblickend als «mutig» gewürdigt wurde, er habe dem Meier Verlag damals davon abgeraten.

Der Meier Buchverlag verlegte nicht jedes Pamphlet: Viele Anfragen für Buchprojekte habe sie aus Qualitätsgründen auch ablehnen müssen, sagt Marie-Christine Neininger.

2015 gab Neininger mit ihrer Pensionierung die Verlagsleitung an ihren Stellvertreter Daniel Haberthür weiter. Dieser stand allerdings selbst bereits nur wenige Jahre vor seiner Pensionierung. Innovative und langfristige Pläne hatte man für die Zukunft des Buchverlags wohl eher nicht.

Wirtschaftlichkeit
In den vergangenen Jahren wurde das Meier’sche Verlagsprogramm querbeet erweitert. Nach der Einschätzung von Georg Freivogel vom Bücherfass hat der Meier Buchverlag in den letzten drei, vier Jahren an Profil und Priorität für das Hause Meier verloren und sich mehr in Richtung eines Zahlverlags entwickelt, der in erster Linie als Dienstleister der zahlenden Autoren respektive Kunden auftritt.

Die Verträge des Meier Buchverlags waren mit jedem Autor komplett unterschiedlich geregelt: Es gab laut Verlag kein Standardmodell dafür, ob die Autoren die Buchproduktion selbst zu berappen hatten oder wie hoch ihre Gewinnbeteiligung war und welche Dienstleistungen sie vom Buchverlag bezogen. Es ging nach den Eigeninteressen des Verlags oder auch nach den finanziellen Zuschüssen, die Stadt und Kanton oder Dritte beisteuerten.

Christoph Blocher 1995 mit «SN»-Chef Rapold, im HIntergrund Marie-Christine Neininger, an der Vernissage der Blocher-Biografie «Liebi Fraue und Manne». © Bruno + Eric Bührer

Ein gutes Geschäft macht der Verlag wohl mit dem kürzlich erschienen Bestseller über die Bombardierung Schaffhausens. Für das Buch, mit welchem die Stadt den Historiker Matthias Wipf zum 75. Gedenkjahr beauftragte, zahlte sie dem Meier Buchverlag 9 000 und dem Autor 21 000 Franken, wovon die Stadt als Gewinnbeteiligung fünf Prozent ab der zweiten Auflage zurückbekommt, also bisher gerade mal 730 Franken.

Zusammenarbeit mit den Autoren
Einige Autoren schauen zufrieden auf die Zusammenarbeit mit dem Meier Buchverlag zurück, aber natürlich hat diese nicht immer für jeden ideal gepasst. Fischerei-Experte Heiner Matzinger, Autor des Buchs Der letzte Lachs am Rheinfall (2017), meint etwa, als er sein Buch veröffentlichen wollte, sei der Meier Buchverlag für ihn die richtige Lösung gewesen. Dies auch, weil er eine breite Öffentlichkeit ansprechen und mit seinem Buch zeitnah fertig werden wollte.

Ein paar Dinge aber hätte er damals in der Zusammenarbeit vermisst, wie ein Klima von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen sowie Sorgfalt und Transparenz bei den Entscheidungen. Heute – sollte er sich nochmals nach einem Verlag umsehen müssen – wäre es ihm womöglich wichtiger, sich als Autor bei einem Verlag auch gut aufgehoben zu fühlen, resümiert Heiner Matzinger. Damit das Buch dann auch wirklich zu dem Ereignis werde und zu dem Auftritt komme, wie man es sich persönlich wünsche.

Copy-Paste, Copy-Paste
Wegen der Pensionierung von Buchverlagsleiter Daniel Haberthür und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Buchbranche wurde der Buchverlag nun im Juli in den Verlag der Schaffhauser Nachrichten integriert.

Bei der letzten Publikation, die noch abzuschliessen war und die nun erschienen ist, handelt es sich um das Sachbuch Hochstapler und Politiker des pensionierten Unternehmers und engagierten Hobbyhistorikers Stefan Sigerist. Das Buch porträtiert illustre Persönlichkeiten und Skandale. Es ist im Grunde allerdings eine Zusammenstellung aus Wikipedia-Artikeln, teilweise sind ganze Sätze kopiert. Die Internetquellen werden im Anhang auch angegeben und der Autor erklärt, darauf angesprochen, das Buch verfolge keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern wolle einfach unterhalten.

Dem Meier Buchverlag ist, das zeigt sich auch an diesem letzten Buch, der Schnauf ausgegangen.

In Zukunft werden im Meier Buchverlag, der neu direkt von Verlagsleiter Stefan Wabel verantwortet wird, vor allem Unternehmenspublikationen wie etwa Kundenmagazine herausgegeben. Also Aufträge, die von A bis Z finanziert sind und kein finanzielles Risiko mit sich bringen.

Losgelöst davon, wie Stefan Wabel sagt, gründete das Haus Meier vor zwei Wochen auch eine Agentur für Kommunikation und Webentwicklung und öffnet sich damit ein neues Geschäftsfeld für Dienstleistungen. Zukünftige Synergien der Agentur mit dem Meier Buchverlag in seiner neuen Form seien natürlich möglich, so Stefan Wabel.

Wird es von nun an also gar keine Belletristik und andere regionalen Bücher mehr aus dem Hause Meier geben? Der Verlagsleiter lacht und meint: «Wenn die AZ zu ihrem nächsten Jubiläum wieder ein Buch herausgeben will, bei uns anklopft mit der Bereitschaft, dies zu finanzieren, dann würden wir uns das natürlich überlegen.» (Das letzte Jubiläumsbuch hat die AZ im Eigenverlag am Platz herausgegeben.)

Vom bisher grössten Schaffhauser Buchverlag kommt in Zukunft aber im Grunde kein kulturelles Engagement mehr, sondern PR, Werbung und Marketing.