Marlon Rusch über das seltsame Öffentlichkeitsverständnis der Schaffhauser Linken. Ein Kommentar.
Die Episode um die türkisch-islamische Moschee und den Krieg in Syrien mag man unterschiedlich beurteilen. SVP-Mann Kurt Reuter spricht von «Wölfen im Schafspelz», der interreligiöse Dialog hingegen sagt, man würde Muslime völlig zu Unrecht unter Generalverdacht stellen (lesen Sie unser Interview im Print). Das linke Narrativ: alles halb so schlimm, der Verein hat halt ein Kommunikationsproblem.
Eigentlich zeigt die Episode aber: es sind vor allem die Linken, die ein Kommunikationsproblem haben.
Immer wieder wird der AZ von links vorgeworfen, mit unseren Recherchen würden wir, die linke Zeitung, den Rechten Argumente liefern. Erst kürzlich wieder wollte uns ein SP-Mann davon abbringen, dass wir über die gescheiterten Sparmassnahmen bei der Archäologie schreiben (AZ von vergangener Woche), weil die Rechten so darauf aufmerksam gemacht würden, dass sie erneut sparen könnten (als ob wir die Einzigen wären, die das Kantonsbudget lesen…).
Zu unserer Bus-Recherche (ebenfalls AZ von vergangener Woche) meinte ein anderer SP-Mann, wir würden den Klimaschutz nicht ernst nehmen. Und was wurden wir von der AL angefeindet für unsere Geschichte über «die Linke und Stalin» (AZ vom 8. August).
Das linke Motto bei unangenehmen Themen lautet: Totschweigen. Lieber nicht darüber reden. Nur ja keinen Staub aufwirbeln.
Nachdem wir also über diese kriegsverherrlichenden Einträge auf Facebook geschrieben haben und darüber, dass SP-Grossstadtrat Ibrahim Tas abgetaucht ist, kündigten mehrere Linke, Mitglieder des interreligiösen Dialogs ihr AZ-Abo. Die Begründung: Die AZ hat keine Haltung mehr, sie ist keine Gegenstimme mehr zu den «SN», sie wirft alle Muslime in einen Topf.
«Haltung», «Gegenstimme» – nun gut, das sind grosse Begriffe, darüber kann man diskutieren. Das tun wir auch gern. Aber wie man darauf kommt, wir würden alle Muslime in einen Topf werfen, können wir nicht nachvollziehen (auch hier blieb eine Antwort auf die Nachfrage übrigens aus).
Als wir SP-Fraktionspräsident Urs Tanner anfragten, ob die SP eine Haltung habe zur Nicht-Kommunikation ihres Parlamentariers Ibrahim Tas, kündigte immerhin Tanner ein Statement an: eine offizielle Fraktionserklärung in der nächsten Parlamentssitzung.
An dieser Sitzung vom vergangenen Dienstag verlas dann aber zuerst SVP-Mann Kurt Reuter («Wölfe im Schafspelz») eine Fraktionserklärung und geisselte die Linken wütend dafür, dass sie ihn als Rassisten bezeichnen würden, etwa weil er die KSS-Badeverordnung so anpassen wollte, dass Burkinis und Wasserpfeifen verboten würden. Auch die AZ kritisierte Reuter übrigens, weil wir in einem Kommentar schrieben, die SVP betreibe «menschenverachtende» Politik.
Reuters Tirade war ziemlich peinlich, aber immerhin weiss ich von der SVP, wo sie steht.
Von SP-Mann Tanner wurde an besagtem Abend dann nämlich doch
keine Fraktionserklärung verlesen – «die Fakten liegen auf dem Tisch». Lieber nicht darüber reden. Nur ja keinen Staub aufwirbeln. Auch Grossstadtrat Ibrahim Tas reagierte nicht auf Reuters Angriff.
Wenn die Rechten dann wieder mit der alten Leier kommen, die Linken würden die «Ängste der Bevölkerung» nicht ernst nehmen, sind die Linken mit ihrer Strategie des Schweigens daran ein Stück weiter selber schuld.