Der regionale Naturpark Schaffhausen soll die Wirtschaft im ländlichen Raum fördern. Ausgerechnet die Partei vom Land tut sich damit schwer.
Am Ende lachen sie alle, wenn auch teils ein bisschen gequält. Kurz nach Ende des Parteitages twittert der frühere SVP-Präsident Pentti Aellig ein Foto. Es zeigt ihn, den Naturpark-Gegner, wie er zwischen den Befürwortern Philippe Brühlmann und Ernst Landolt am Tisch sitzt. Die beiden Befürworter halten Aelligs Arme fest umklammert. Aellig schreibt dazu: «SVP-Parolenfassung Naturpark Schaffhausen. 15 Ja, 47 Nein, obwohl Regierungspräsident Landolt und Gemeindepräsident Brühlmann Pentti Aellig daran hindern wollten, Nein zu stimmen.» Alle drei scheinen sie es lustig zu haben, während sie in die Handykamera grinsen.
Manch eine Partei gibt sich Mühe, gegen aussen einen möglichst geschlossenen Auftritt an den Tag zu legen. Sie wissen weshalb: Die Medien stürzen sich besonders gerne auf Abweichlerinnen und Abweichler. Der einstige CVP-Präsident Christophe Darbellay forderte von seinen Parteimitgliedern deshalb schon: «Entweder dahinterstehen oder schweigen». Die Schaffhauser SVP hingegen zelebriert innerparteiliche Auseinandersetzungen regelrecht.
Einer geht schon vor der Debatte
Es ist Montagabend, draussen vor dem Restaurant Schützenhaus auf der Breite, kurz vor acht Uhr abends. Es fieselet. Während Kantonsrat Samuel Erb schnellen Schrittes mit einem grossen Nein-Plakat unter dem Arm geklemmt ins Schützenhaus marschiert, gönnt sich Erich Schudel noch eine Zigarette. Derweil macht sich einer bereits aus dem Staub: SVP-Fraktionschef Peter Scheck verlässt das Schützenhaus. Die Fraktionssitzung hat er bereits hinter sich. Nun hat er offensichtlich keine Lust mehr auf die anstehende Diskussion. Das lässt Scheck durchblicken, ohne das so wortwörtlich zu sagen. «Mit einem Nein verhindert ihr den Naturpark nicht», schiebt der Fraktionschef noch an Parteikollege Schudel nach und bläst den Dampf seiner E-Zigi in die nasskalte Luft. Dann ist er weg.
Drinnen, im grossen, warmen Saal im ersten Stock, verteilt Denise Graf Propagandamaterial für den Gaumen: Glacebecher mit den Sorten Wiiguetzli und Traube, natürlich ausgestattet mit dem Naturpark-Label. Selbst die Gegnerinnen und Gegner greifen zu. Unter anderem, weil noch einige mit Glaceschlecken beschäftigt sind, verzögert sich der Beginn der Parteiversammlung. Mit 15-minütiger Verspätung begrüsst Parteipräsident Walter Hotz schliesslich die anwesenden Mitglieder und «die allseits beliebte AZ» (Gelächter im Saal). Dann beginnt das Wortgefecht.
SVP Oberhallau dafür
«Du hast genau 15 Minuten Zeit», sagt Walter Hotz, als Hansueli Graf nach vorne schreitet. Der 57-jährige Schnauzträger ist Kantonsrat und Gemeindepräsident der 444-Seelen-Gemeinde Oberhallau. Er weibelt für die Ja-Parole.

Der Naturpark biete «ganz en Huufe Highlights», sagt Graf. Er erwähnt die zahlreichen Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung und die Chance zur besseren Vermarktung von Schaffhauser Produkten. Schliesslich betreibe der Naturpark «Wirtschaftsförderung für den ländlichen Raum», er müsste «Natur- und Wirtschaftsförderungspark» heissen, sagt Graf. 173 regionale Produkte wie Würste und Weine seien schon mit dem Naturpark-Label zertifiziert worden, fünf davon hätten es bereits in den Coop geschafft.
Detailliert zählt Graf auch die Ziele des Naturparks auf, darunter die «Erhaltung und Aufwertung von Natur und Landschaft», eine stärkere regionale Wertschöpfung – «damit das Geld in der Region bleibt», sagt Graf – und eine bessere einheimische Energieversorgung, beispielsweise durch Biomasse. Das entspreche auch dem Parteiprogramm der SVP, sagt Graf und zitiert aus dem Dokument: «Die SVP begrüsst die private Forschung und Realisierung von Projekten im Bereich neuer erneuerbarer Energien wie Erdwärme, Wind- und Solarenergie sowie Biomasse…» – Graf legt eine ganz kurze Pause ein – «… ohne neue Subventionen oder Abgeltungen.»
«Jo genau», brummelt ein missmutiges Parteimitglied leise, aber doch deutlich hörbar vor sich hin.
SVP Beggingen dagegen
14 Autominuten nördlich von Grafs Gemeinde, in Beggingen, leben 32 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als in Oberhallau. Und vor allem leben dort mehr Naturpark-Gegner. Die Gemeinde, die den höchsten Steuerfuss des Kantons hat und pro Kopf am meisten Finanzausgleich-Gelder kassiert, leistet erbitterten Widerstand gegen den Naturpark. Einen Beitritt hat sie als einzige Klettgauer Gemeinde neben Siblingen bis heute abgelehnt. Dabei könnte man meinen, gerade Beggingen hätte ein Wirtschaftsförderungsprojekt nötig.
Aus Beggingen kommt auch Erich Schudel, 35-jährig, Postangestellter, Parteipräsident der Ortssektion. Vor seinen Parteikolleginnen und -kollegen sagt Schudel, man habe bis jetzt schon sehr viel Geld für den Naturpark ausgegeben (siehe Kasten). Und er kritisiert: Bis 2027 sollen 4,3 Millionen Franken nur für «Management und Kommunikation» aufgewendet werden. «Ja, für die Kommunikation wird viel Geld ausgegeben, das sieht man ja zurzeit in den Zeitungen», sagt Schudel in Anspielung auf Inserate, die für ein Ja am 17. November werben.

Schudel erinnert auch daran, was der Naturpark angekündigt habe: Bis 2016 hätte ein sogenanntes «Schaffhauser Haus» aus lokalen Baumaterialien stehen sollen. «Das Thema ist heute noch offen», sagt Schudel.
Sein Fazit: «Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist unter aller Kanone.» Es würde mehr bringen, wenn der Kanton mit den 300 000 Franken «einfach irgendwelche Betriebe subventionieren würde».
Der Regierungsrat schweigt
Die Diskussion ist eröffnet. Als Erster meldet sich Ex-Parteipräsident Pentti Aellig zu Wort. «Ich habe gelesen, die Projekte seien sehr erfolgreich und in den Gemeinden sei die Steuerkraft angestiegen», sagt Aellig. «Wenn etwas so erfolgreich ist, dann braucht es auch keine Förderung. Für mich ist der Naturpark ein reiner Subventionsjäger.»
Aellig kritisiert auch, dass bei einem Nein geplant sei, die benötigten Gelder einfach weiterhin dem Generationenfonds zu entnehmen. «Das bringt mich auf die Palme. Ich finde es unfair, den Generationenfonds zu plündern.» Die grosse Mehrheit der knapp 70 anwesenden Parteimitglieder quittiert seine Rede mit Applaus.
Nacheinander melden sich drei weitere Gegner, die von einer «Geldvernichtungsorganisation» und «Volksverarschung» sprechen und ihre «Steuergelder verdampfen» sehen. Ein weiterer Begginger, Gemeindepräsident Peter Werner, warnt: Es könne auch teurer werden als 300 000 Franken pro Jahr.
Das Parkgesetz sieht in der Tat vor, dass der Kanton sich dazu verpflichtet, die Beiträge der Gemeinden um das 2,5-Fache aufzustocken. Aktuell zahlen die Gemeinden 120 000 Franken, der Kantonsbeitrag liegt also bei 300 000 Franken. Den Betrag zu deckeln, lehnte der Kantonsrat explizit ab, damit ein Spielraum bestehen bleibt.
Als Nächster meldet sich der Neuhauser Kantonsrat Arnold Isliker. Er spannt einen weiten Bogen und bringt den sogenannten Flüsterbelag auf Strassen ins Spiel, den man auch in Neuhausen verwende, weil man damit noch Gelder aus Bundesbern abholen könne. «Wir sind ein Volk von Subventionsbezügern geworden!», bilanziert er.
Die Befürworterinnen und Befürworter sind schweigsamer. Der zuständige Regierungsrat Ernst Landolt, der sich in einem Flyer des Naturparks für ein Ja ausspricht, wird sich den ganzen Abend über nicht zu Wort melden. Vielleicht, weil ihm sein eigener Parteipräsident in einem an diesem Montag eingereichten politischen Vorstoss «Behördenpropaganda» vorwirft.
Schliesslich weibelt der Thaynger Gemeindepräsident Philippe Brühlmann für ein Ja: «Ich bin eigentlich auch ein Kritiker gewesen», sagt er, aber: «Der Park ist da, so oder so. Jetzt müsst ihr das ausnutzen wie es nur geht.» Seine Gemeinde bezahle jährlich 22 000 Franken, habe aber «fast das Vierfache herausgeholt».
Ein anderes Parteimitglied sieht das gar nicht so: «Da isch es Schlimmschte für en SVPler, wäme ghört, mir holed Gäld ab!»
Auch Kantonsrat Thomas Stamm kann mit seinem Vorschlag, Stimmfreigabe zu beschliessen, keinen Punkt landen. Samuel Erb kontert sogleich: «Stimmfreigabe, das machen die Linken, aber nicht wir.» Erneut brandet im Saal Applaus auf.
Einen letzten Versuch, die Versammlung von einem Ja zu überzeugen, unternimmt Virginia Stoll. Ein Nein zum Naturpark sei auch ein Nein zum ländlichen Raum: «Das steht der SVP schlecht an», wirft sie ein. Erfolglos. Das Resultat der Abstimmung ist eindeutig. Die SVP, die auf dem Schaffhauser Land so stark ist wie alle anderen Parteien zusammen, lehnt das Wirtschaftsförderungsprojekt für den ländlichen Raum ab.
Parteipräsident Walter Hotz schliesst das Traktandum Naturpark mit der Bemerkung: «Ich habe befürchtet, dass es hitziger zu und her geht». Gegen 22 Uhr ist der Parteitag schliesslich zu Ende. Die grösste Überraschung: Nicht ein einziges Mal wurde die EU erwähnt.