Drei Väter mit unterschiedlichen Familienmodellen sind sich einig: Für den Vaterschaftsurlaub ist es höchste Zeit. Und zwei Wochen sind zu wenig.
«Man kommt schon manchmal an seine Grenzen», sagt Marcel Steinemann. «Zum Beispiel, wenn Nils gewickelt werden muss und Elia mit Spielzeugtraktoren um sich wirft.» Nils ist drei Monate, Elia zwei Jahre alt. Papa Marcel sagt, die ersten Monate nach der Geburt eines Kindes seien sehr intensiv. Wenn Elia findet, Nils bekomme die ganze Aufmerksamkeit, macht er «Seich». Und Nils, der Säugling, ist Herausforderung für den Vater: «Was machst du als Mann, wenn er den Schoppen und den Nuggi nicht will und nur noch schreit?»
Diese Situationen muss Marcel Steinemann «nur» in Teilzeit bewältigen. Er arbeitet 80 Prozent als Kundenmaler, am Freitag ist er für Haushalt und Familie zuständig. Ein noch kleineres Pensum kam für den Chef nicht in Frage. Gerade geht die letzte Woche des Mutterschaftsurlaubes für seine Partnerin Rahel Wenger zu Ende. Sie wird aber noch zuhause bleiben, bis Nils etwa sechs Monate alt ist, und das Team im eigenen Blumengeschäft nur gelegentlich als Aushilfe unterstützen. Das Ziel ist, später auf 40 Prozent zu erhöhen.
Ein «Papi-Tag» ist zu wenig
Elia, der bereits einen Tag pro Woche in der Krippe verbringt, kippt für das Foto die ganze Briobahn auf den Teppich. Nils wird auf Papas Arm bald quengelig, das Beruhigen klappt bei Mama besser. Als er zur Welt kam, hatte Marcel Steinemann nur einen freien Tag – heute das vom Gesetz erlaubte Minimum. Steinemann nahm sich zusätzlich zwei Wochen Ferien.
Heute kommt er nach der Arbeit möglichst früh nach Hause für den «Schichtwechsel». Trotzdem sagt er: «Ich habe das Gefühl, ich verpasse etwas.» Andere Väter haben ihm erzählt, dass sie es bereuen, in den ersten Kinderjahren Vollzeit gearbeitet zu haben. Dazu kommt: Die Zeit füreinander, die Zeit als Paar ist «auf Eis gelegt»: Getrennte Schlafzimmer, Elia schläft bei Papa, Nils bei Mama.
Die beiden sind sich sicher, wenn der Vater nach der Geburt mehr Zeit für das Kind hat, verändert sich die Dynamik in der Familie. Sie kennen Väter, die ihre Kinder nicht ins Bett bringen können, weil sie am Anfang vor lauter Arbeit nie dabei waren. Nur ein «Papi-Tag» unter der Woche, das findet Marcel Steinemann eigentlich zu wenig. Manche seiner Arbeitskollegen, die 100 Prozent arbeiten, sind trotzdem neidisch auf ihn.
Der einzige Vater auf dem Spielplatz
Neid von Kollegen hat Neckys Leuzinger noch nie erlebt. Eher dumme Sprüche. «Sie glauben, ich sitze den ganzen Tag nur herum. Am Anfang ging mir das nahe.» Leuzinger ist Hausmann, ein Wort, das er mag. Während seine Frau zur Arbeit fährt, macht er Frühstück für drei Kinder und schaut, dass alle Zähne geputzt werden. Dann geht Jada, die Zehnjährige, zur Schule. Jaxon ist fünf und fährt seit kurzem selbstständig mit dem Trottinett in den Kindergarten. Etana, zweieinhalb, bleibt zu Hause, «sie hilft beim Zmittagkochen», sagt Papa Neckys. Wenn er mit ihr auf den Spielplatz geht, ist er meist der einzige Vater.
Diese Aufgabenteilung, mit der Familie Leuzinger in der Minderheit ist, war nicht so geplant. «Früher hätte ich nie im Leben gedacht, dass ich mal Hausmann werde», sagt er, «das Bild vom Vater, der das Geld nach Hause bringt, wurde mir als gesellschaftlicher Standard vorgelebt, so habe ich mir eine Familie vorgestellt.»
Die Entscheidung zu einem anderen Familienmodell wurde den Leuzingers aufgezwungen. Einen Tag vor der Geburt von Jaxon erhielt Neckys Leuzinger von der Druckerei Augustin die Kündigung. Seine Frau Cinthia verdiente bei der Post ohnehin mehr, und eine gut bezahlte Arbeitsstelle war für ihn ausser Sicht. Zudem war Cinthia Leuzinger es gewohnt, viel zu arbeiten: Für ihre erste Tochter Jada aus einer früheren Beziehung war sie jahrelang alleinerziehend, mit einem Arbeitspensum von 80 Prozent und Ganztagesbetreuung ausser Haus.
Die Diskussion erübrigte sich, und Neckys Leuzinger wurde gerne Hausmann. «Dafür wurde ich lange belächelt. Heute sage ich: Ich ziehe meinen Hut vor den vielen, vielen Frauen, die Familie und Haushalt fast allein managen.» Dennoch würde er gerne wieder in einem Teilzeitpensum zu arbeiten beginnen, um den Anschluss an die Berufswelt nicht zu verlieren. Doch in den ersten Jahren blieb er lieber zu Hause, als nur für die Kosten eines Krippenplatzes zu arbeiten.
Seine Rolle als zu Hause bleibender Vater gefällt ihm nach anfänglicher Skepsis sehr gut. «Es ist wirklich geil, ich kann es nicht oft genug sagen.» Jaxon nickt: «Cool.»
Jaxon und Etana ins Bett bringen? Das war von Anfang an kein Problem, Jay-Jay hat seine Tricks entwickelt. Das Tragetuch, der Sitzball, der so schön schaukelt, «I See Fire» von Ed Sheeran. «Ich weiss nicht, wie meine Bindung zu den Kindern wäre, wenn ich nur am Abend und am Wochenende zu Hause wäre», sagt er nachdenklich. «Wie viele Väter verpassen die ersten Schritte, das erste Wort ihrer Kinder?»
Zum Ausgleich spielt Leuzinger an drei Abenden pro Woche Fussball. Mit den Jungs über die Familie zu sprechen, sei schwierig, weil fast alle voll berufstätig sind. «Ich würde mich gerne mit anderen Hausmännern austauschen – aber ich kenne keine.» Neckys Leuzinger ist stolz auf sein Vollzeit-Papa-Dasein: «Ich rate allen Vätern: Nehmt euch Zeit für eure Kinder. Schaut, dass ihr einen oder zwei Tage allein mit ihnen zu Hause seid.»
«Einer von diesen neuen Vätern»
Zwischen den Modellen «Ernährer» und «Hausmann» gibt es Abstufungen: Geteilte Erziehungsarbeit wird allmählich zur Norm. Mütter wie Väter wollen weder auf Zeit mit den Kindern noch auf die Karriere verzichten. «Wir hatten von Anfang an den Anspruch einer Fifty-fifty-Lösung», sagt Fabian Berger, während er prüft, ob seiner Tochter Liv die grelle Sonne nicht in den Kinderwagen scheint. «Jede berufstätige Mutter wird gefragt, wie sie Arbeit und Familie unter einen Hut bringt. Mich fragt das niemand, das nervt mich ziemlich.»
Berger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter. Neben seinem 70-Prozent-Pensum, ein Teil davon am Abend und zu Hause, ist er an zwei Arbeitstagen für den Haushalt und die sieben Monate alte Liv zuständig. Ihre Mutter Mirjam Böhm arbeitet als stellvertretende Stadtarchivarin von Schaffhausen 80 Prozent und hat unter der Woche einen «Mami-Tag». «Wir sind privilegiert», sagt Berger und meint damit, dass die Grossmutter einen Tag übernimmt und Liv einen weiteren Tag in der Krippe verbringt.
Sein Arbeitgeber habe ihm gesagt: Es gibt Deadlines, manchmal musst du 150 Prozent leisten. «Ich sagte: Das kann ich aber nicht mehr, wenn ich Vater bin.» Er forderte ein Gespräch und setzte seine Rechte durch: Bei elterlichen Pflichten kann niemand zu Überstunden gezwungen werden. «Das hat mein Arbeitgeber akzeptiert. Er sagte: ‹Gell, du bist jetzt halt einer von diesen neuen Vätern.›» Eine Bezeichnung, die Fabian Berger nicht stört. Er war mit seiner Freundin im Geburtsvorbereitungskurs und hat Beraterliteratur gewälzt, nahm zusätzlich zu zwei Wochen Vaterschaftsurlaub nochmals zwei Wochen Ferien.
Vorbild: Skandinavien
Fabian Berger lenkt den Kinderwagen in eine Gasse mit Bsetzisteinen: Er weiss, dass Liv vom Ruckeln gleich einschlafen wird. Der 31-jährige Vater erzählt, dass er und seine Freundin versuchen, dass beide Elternteile alle notwendigen Fähigkeiten erlernen: «Das braucht Zeit.» Als er merkte, dass das Zubettbringen bei ihm weniger gut funktionierte, suchte er Rat bei der Väterberatung.
Er sei nicht der Typ für das Modell «alleiniger Ernährer», sagt Berger. Eine möglichst gleichberechtigte Aufgabenteilung entspricht nicht nur seinem Naturell, sondern auch seinen politischen Werten: «Heute werden nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter in eine bestimmte Rolle gedrängt. Dass ich nicht allein für das Einkommen verantwortlich bin, erlebe ich als Befreiung.» Er fordert Elternzeit und Betreuungsangebote nach skandinavischem Vorbild. Die Schweiz, sagt Berger zum Schluss, sei in Sachen Familienpolitik ein Entwicklungsland.