Die Ständeratskandidaten Christian Amsler und Patrick Portmann treffen sich am Stammtisch. Während Amsler von «Reproduktionsverantwortung» redet, fordert Portmann «mehr Liebe». Prosit!
Keine Wahrheit ist so hart wie das Massivholz eines Stammtischs. Im Restaurant «Frohsinn» in Buchthalen ist der Tisch kaum weniger hart – und dennoch sehr freundlich. Dafür sorgt die Wirtin Heike Möckli seit 33 Jahren. An diesen Stammtisch, wo die Schweizer Demokratie fast so tief wie der Zigarettenrauch eingewachsen ist, luden wir die beiden Herausforderer für die Schaffhauser Sitze im Ständerat, Christian Amsler und Patrick Portmann. Sie treten gegen Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos) an.
Als Erstes taucht Christian Amsler im «Frohsinn» auf; er bittet Heike Möckli um ein Panaché. Amsler, 54 Jahre alt, wurde 2009 in den Schaffhauser Regierungsrat gewählt. Zuvor war der FDP-Politiker Gemeindepräsident von Stetten. Mit kurzer Verspätung erscheint auch Patrick Portmann, die Nachwuchshoffnung der Schaffhauser SP. Der 30-jährige Pflegefachmann sitzt seit 2016 im Kantonsrat, wo er auch der Geschäftsprüfungskommission angehört. Er bestellt ein Glas Wasser.
Im Gespräch halten wir uns an das Stammtisch-Gesetz: Auf platte Fragen folgen tiefgründige Antworten.
AZ Willkommen am Stammtisch der AZ. Ohne Ärger geht hier nichts. Worüber haben Sie sich heute aufgeregt?
Christian Amsler Heute war ich zum Talk im Schaffhauser Fernsehen eingeladen, zusammen mit Thomas Minder. Er weigerte sich jedoch, mit mir zu diskutieren, und sagte kurzfristig ab. Das ist nicht sehr demokratisch.
Patrick Portmann Im Moment habe ich Ferien. Aufgeregt habe ich mich über nichts.
Das klingt ein wenig langweilig.
Portmann Naja, ich habe gelesen, wie viel Regenwald in den letzten Jahren abgeholzt wurde. Das macht einen echt betroffen.
Am Stammtisch gehört es sich, die Kleidung zu kommentieren. Herr Amsler, Sie tragen den Pin eines Service-Clubs.
Amsler Ja, von Kiwanis, wo ich langjähriges Mitglied bin. Eine ganz lässige Gemeinschaft mit über 50 Kollegen.
Herr Portmann, ein Polo-Shirt bei Ihnen. Kommen Sie vom Golfen?
Portmann Über meine Aaleggi habe ich mir nicht gross Gedanken gemacht. Krawatten trage ich nie. Auch in einem Wahlkampf muss man sich selber bleiben.
Ja, zum Wohl. Christian Amsler, Sie wohnen in Stetten. Dort gibt es nicht mal mehr eine Beiz. Ein Dorf ohne Stammtisch ist ein totes Dorf. Dabei sind die Steuern enorm tief.
Amsler Ihre Aussage ist nur halbwegs richtig. Die Sonne, wo ich früher, als Feuerwehroffizier, gerne und oft eingekehrt bin, ist zwar zu. Aber wir haben das Hoch-Zwei-Lädeli. Dort bin ich Genossenschafter Nummer eins. Beim dazugehörigen Café gibt es so etwas wie einen Stammtisch.
Was ist schiefgelaufen in Stetten, Patrick Portmann?
Portmann Tiefsteuerstrategien haben noch nie etwas Gutes hinterlassen. Und in einer Welt, wo die Hochfinanz, respektive das Geld, über allem steht, bekommt das auch die Gastronomie zu spüren. Die typische Dorfbeiz, die ausstirbt, hängt im Grossen und Ganzen mit der Ökonomisierung der Gesellschaft zusammen. Alle Gemeinschaften leiden darunter.
Amsler Natürlich ist Stetten eher ein Schlafdorf, das hat aber nichts mit den Steuern zu tun. Und es stimmt schon: Zeit zu haben und an einen Stammtisch zu sitzen, ist etwas verloren gegangen in dieser vollgepackten und freizeitdominierten Welt. Das bedaure ich. Diese Kultur gehört zur Demokratie.
«Wir haben auch eine Reproduktionsverantwortung.»
Christian Amsler
Die Stammtische vertrocknen überall, nicht nur in Stetten. Was hält denn die Schweiz noch zusammen?
Amsler Nicht nur Stammtische. Sondern Werte, Kulturen und gemeinsame Ziele. Vielleicht auch die Schweizer Nati oder das eidgenössische Schwingfest. Da haben alle Freude daran, egal ob SP- oder SVP-Mitglied.
Portmann Das Gemeinschaftliche ist uns wirklich etwas abhandengekommen. In einer Leistungsgesellschaft, in der es nur darum geht, immer mehr Gewinn zu erwirtschaften, leidet das Zwischenmenschliche. An Festen wie dem Stars in Town muss man dann Freude haben. Freude auf Knopfdruck. Dabei sollte man sich immer wieder erholen können, auch im Berufsalltag.
Amsler So pessimistisch kenne ich dich gar nicht, Paddy. Auch am Arbeitsplatz kann man doch ein gutes Klima schaffen.
Sie bezeichnen sich beide als gläubig. Was ist mit Gott, könnte er die Gesellschaft kitten?
Amsler Ich bin nicht tiefgläubig, doch die christliche Kultur kann eine Klammer sein. Aber wir leben in einer hektischen, globalisierten Welt. Auch neue Religionen kommen zu uns. Diese zu verteufeln, ist gefährlich.
In einem Interview beim Schaffhauser Fernsehen Mitte August sprachen Sie von «abendländischen Werten». Für manche explodiert das Abendland bereits, wenn man die Ehe für alle einführt. Wo stehen Sie?
Amsler Bei diesem Interview holte sich Paddy Szeneapplaus vom Publikum, weil er als einziger Ständeratskandidat für die Ehe für alle war.
Darum sind Sie jetzt vorsichtiger geworden?
Amsler Nein. Damals sagte ich «Jein» zur Ehe für alle. Wenn Sie mich jetzt direkt fragen, sage ich ganz klar Ja.
Warum jetzt und nicht vor vier Wochen?
Amsler Damals war ich etwas vorsichtiger. Ich habe versucht, mich in der Mitte zu positionieren. Zwischen Paddy und Hannes Germann, der klar dagegen ist. Aus liberaler Sicht muss man unbedingt für die Ehe für alle sein. Aber, das sage ich ganz direkt, wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch eine Reproduktionsverantwortung haben. Es wäre schwierig, wenn es nur noch die Ehe für alle gäbe und das Leben nicht mehr weiterginge.
Reproduktionsverantwortung – nehmen Sie die wahr, Herr Portmann?
Portmann In der gleichgeschlechtlichen Ehe muss es möglich sein, Kinder zu adoptieren. Es spielt keine Rolle, ob ein Kind zwei Mamis oder zwei Papis hat. Ich wünsche mir einfach, dass es geliebt wird. Wir brauchen, um auf Gott zurückzukommen, unbedingt mehr Liebe.
Bleiben wir bei den bewusstseinserweiternden Substanzen. Haben Sie schon mal gekifft?
Portmann (nickt)
Amsler Ja, einmal in meiner allerjüngsten Jugend. Eine ganz schlechte Erfahrung.
Soll man Cannabis legalisieren?
Amsler Ich bin dagegen. Man könnte damit zwar viel gegen die Kriminalisierung tun. Aber in meinem Umfeld musste ich die andere Seite von Cannabis erleben. Diese Droge ist nicht zu unterschätzen.
Portmann Ich bin für eine absolute Legalisierung. Seit 15 Jahren arbeite ich in der Gesundheitsbranche, und ich wünsche mir, dass man vermehrt medizinisches THC einsetzen darf. Heute werden zum Beispiel ohne Ende Psychopharmaka verabreicht. Experten sagen, dass man damit nur noch Grautöne wahrnehme, weder Freude noch Leid. Auf medizinisches THC hingegen reagierten Patientinnen sehr positiv.
Amsler Hier haben wir null Differenz, aber du beantwortest die Frage nicht.
Portmann Wie ich sagte: Ich bin für die Legalisierung. Ich kiffe selber ab und zu. Im Gegensatz zu Alkohol empfinde ich es als sehr angenehmes Genussmittel. Danach habe ich nie Kopfschmerzen. Das Problem ist, dass der THC-Gehalt immer stärker wird. Mit einer staatlichen Kontrolle könnte man das eindämmen. Das Wichtige ist der Jugendschutz, um Psychosen vorzubeugen. Aber all die Leute, die gelegentlich Cannabis konsumieren, wie andere ein Glas Bier trinken, sollte man nicht kriminalisieren.
«Wir brauchen unbedingt mehr Liebe.»
Patrick Portmann
Trotzdem, Drogen sind ungut, das haben wir in der Schule gelernt. Es kann zu schlimmen Krankheiten kommen, und dann bezahlen wir alle dies via Krankenkassenprämien.
Portmann Der Alkohol ist jedoch das grösste Problem.
Andererseits ist man ja aus liberaler Sicht sowieso selbst schuld, wenn man krank wird.
Amsler Tatsächlich wird in unserem Parteibuch Eigenverantwortung hochgehalten. Aber alles geht so nicht auf. Hier braucht es eine gewisse staatliche Kontrolle.
Aber ein beliebtes freisinniges Mantra lautet: Der Markt reguliert sich selbst.
Amsler Mantra – wie auch immer. Es gibt noch viel schwierigere Fragen als die, die Sie ansprechen. Und zwar in ethischer Hinsicht. Wenn jemand mit 95 nochmals eine Herzoperation braucht, sagt man sofort Ja. Aber es ist verrückt, wie uns die Kosten im Gesundheitsbereich davonlaufen. Hier müssen wir Lösungen finden.
Und wo liegt die Lösung? Einfach die Maschinen abstellen?
Amsler Das ist die grosse Frage. Wenn man Anhänger des Lebens ist, darf man keine Minute darüber nachdenken. Selbstverständlich soll jemand weiterleben. Aber die Kosten explodieren. Ich habe hohen Respekt vor Ihrer Frage, ich kann sie nicht beantworten. Ich bin nicht derjenige, der über das Leben eines 95-Jährigen entscheidet.
Amsler: «Du redest ja wie der Minder.»
Portmann: «Nein, die Lobbyisten sind ein grosses Problem.»
Wer soll darüber entscheiden?
Amsler Der Patient und vielleicht seine Angehörigen, sicher nicht der Arzt, und schon gar nicht die Politik.
Portmann Sie könnte aber den Rahmen festlegen. Es kann nicht sein, dass Pharmakonzerne enorm viel Gewinn einfahren und extrem viel für Werbung ausgeben, statt in Forschung zu investieren. Da könnte die Politik einschreiten – wenn die Leute in Bern nicht zur Krankenkassen- oder Pharmalobby gehören würden.
Amsler Du redest ja wie der Minder.
Portmann Nein, das ist ein grosses Problem. Bei der Explosion der Krankenkassenprämien stellt sich die Frage, wie wir politisch Grenzen setzen können. Bei der Hirslanden kassieren die Chefärzte drei Millionen. Es kann doch nicht sein, dass wir das via Prämien mitbezahlen.
Die SP hat eine Initiative lanciert. Prämien sollen höchsten zehn Prozent des Einkommens betragen. Wäre das eine Option?
Amsler Nein, die Initiative unterstütze ich sicher nicht. In dieser Hinsicht bin ich ein Anhänger des Marktes. Das ist wie die Quotenregelung. Damit habe ich Mühe.
Portmann Man sieht ja, dass der Markt nicht funktioniert. Alles wird teurer, aber nicht besser für die Menschen. Es geht in Richtung Zwei-Klassen-Medizin.
«Gott würde Ja sagen zur KonzernverantwortungsInitiative.»
Patrick Portmann
Schön, aber wir reden hier über Details. Die SP will ja ohnehin alles diktieren und einen totalitären Klimanotstands-Staat ausrufen. Wie wollen Sie das anstellen, Genosse Portmann?
Portmann Den Klimanotstand müsste man auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene ausrufen. Der Klimawandel ist die grösste Herausforderung unserer Zeit. Das Totalitäre sehe ich überhaupt nicht. Man würde alle klimapolitisch relevanten Themen zuoberst auf die Traktandenliste setzen.
Amsler Ich halte nichts von Notstands-Übungen, schliesslich war ich Oberst bei der Armee. Damit will ich den Klimawandel aber nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Was kann die Politik gegen die Klimakrise tun?
Amsler Wir als Insel Schweiz können alleine nichts dagegen ausrichten. Aber wir sind eine Vorbildnation. Ich bin der Erste, der sagt: Wir müssen den ersten Schritt machen, auch wenn sie im Ausland über uns lachen.
Woran denken Sie konkret?
Amsler Zum Beispiel an einen Flugtarifzuschlag. Weiter an eine Benzinbesteuerung.
Portmann Soll man Inlandflüge verbieten?
Amsler Sicher nicht. Ich bin gegen Verbote. Der wichtigste Punkt ist: Wir, die überall Mauern bauen, wir müssen uns in allen internationalen Konferenzen einbringen. Und zwar weltweit. Wir müssen auch andere Nationen in die Pflicht nehmen. Es ist nicht nur damit getan, wenn wir uns selber kasteien.
Benzin-Gebühren, Zuschläge, Öko-Steuer – am Schluss werden doch die kleinen Leute, die hier am Frohsinn-Stammtisch sitzen, zur Kasse gebeten.
Amsler Jeder ist selber dafür verantwortlich, ob man sich etwas leisten kann oder nicht.
Aber diejenigen, die eh schon weniger haben, trifft es härter.
Amsler Hier vom armen Mann zu reden, klingt fast schon sozialistisch. Es spielt doch keine Rolle, ob jemand viel oder wenig im Portemonnaie hat. Es wird einfach zu viel geflogen. Die Preise sind zu tief. Heute kann man für 40 Euro nach Barcelona fliegen. Das ist purer Wahnsinn. Ich habe keine Mühe, wenn man eine Öko-Steuer von 100 Euro draufknallt.
Portmann Die Unruhen um die Gilets Jaunes in Frankreich haben gezeigt, dass man Kompensationen einleiten muss. Leute, die auf ein Auto angewiesen sind und sich nicht den neusten Tesla leisten können, dürfen nicht zu den Leidtragenden werden. Man könnte zum Beispiel das Kindergeld erhöhen. Aber Christian hat schon recht: Die Fliegerei ist zu billig. Der Zug nach Barcelona kostet 320 Franken. Den ÖV sollte man europaweit stärker forcieren.
Amsler Man darf aber nicht vergessen: Die Flugindustrie hat sehr viel gemacht. In den letzten 20 Jahren wurden Treibstoffverbrauch sowie Schadstoff- und Lärmemissionen um 50 Prozent gesenkt. Wenn du, Paddy, verlangst, Inlandflüge zu verbieten: Was ist mit unserer Luftwaffe, mit der Rega?
Portmann Aber Christian, das steht ausser Debatte. Es kann nicht sein, dass man für zig Milliarden den Neat-Tunnel baut und immer noch Flüge von Zürich nach Lugano anbietet.
Etwas Konkretes wäre die Konzernverantwortungs-Initiative, über die im November abgestimmt wird. Sie will Schweizer Firmen zwingen, Menschenrechte und gewisse Umweltstandards im Ausland einzuhalten.
Amsler Im Grundsatz finde ich die Initiative gut. Leider ist sie überpowert; sie greift massiv in Unternehmen ein. Ich gehe schwer davon aus, dass die FDP sie hochkant ablehnen wird.
Portmann Gott würde Ja sagen zur Konzernverantwortungs-Initiative.
Amsler Grosse Worte, Paddy!
Darf Gott überhaupt abstimmen?
Portmann Das ist eine der wichtigsten Initiativen überhaupt. Es geht um christliche Werte. Ich wünschte mir, dass die Schaffhauser Regierung und die Wirtschaftsförderung klare Vorgaben darüber erstellen, welche Firmen man hier ansiedeln will. Es gibt Berichte von NGOs, die zeigen, dass eine Tochterfirma von Unilever riesige Regenwaldflächen in Indonesien zerstört und darauf Palmöl-Plantagen erstellt hat.
Amsler Selbstverständlich hat die Wirtschaft eine riesige Verantwortung. Ich gehe aber davon aus, dass Konzerne, die in die Schweiz ziehen, sauber sind. Das sehe ich bei Wirtschaftsbesuchen. Ich frage jeweils nach – und bin beeindruckt, wie hoch die Standards der Firmen sind. Zu Unilever und Indonesien: Das ist ein wichtiger Arbeitgeber bei uns, wir müssen primär froh sein, wenn so ein Konzern zu uns kommt. Mit der Initiative würden wir uns ins eigene Fleisch schneiden.
Portmann Aber du hast doch von der Schweiz als Vorbildnation geredet.
«Ich empfehle uns beide zur Wahl.»
Christian Amsler
Fassen wir platt zusammen: 30 Jahre nach dem Mauerfall hat der Kapitalismus gesiegt. Ende gut, alles gut?
Amsler Das war aber sehr platt (lacht). Sicherlich ist nicht alles gut; es gibt gewisse Ungerechtigkeiten. Daran müssen wir arbeiten. Leider ist unser System sehr polarisiert. Man fetzt sich. Als Vertreter der Mitte versuche ich, Brücken zu bauen. Wobei ich Paddy nicht als polarisierenden Linken wahrnehme.
Ist das eine Wahlempfehlung für Patrick Portmann?
Amsler (lacht) Für uns beide. Auf dem Wahlzettel soll zuoberst der Name Amsler stehen. Reden wir Klartext hier am Frohsinn-Stammtisch: Wir haben zwei SVP-Ständeräte in Bern, das ist definitiv zu viel. Hannes Germann schätze ich sehr, aber Thomas Minder ist rechter als jeder Rechte. Jetzt muss halt auch die Linke über ihren Schatten springen und den Amsler auf den Zettel schreiben.
Im Ständerat, der «chambre du socialisme», wie es der SVP-Knappe Thomas Aeschi formulierte, würden Sie dann den Kapitalismus überwinden, Herr Portmann?
Portmann (überlegt) Mit einem Systemwechsel – etwa hin zum Kommunismus – kann ich nichts anfangen. Ich vertrete eine soziale Marktwirtschaft mit ökologischen Grundsätzen. Die direkte Demokratie der Schweiz ist eines der besten Systeme überhaupt.
Aber im SP-Parteiprogramm ist noch immer das Ziel von der «Überwindung des Kapitalismus» festgehalten.
Portmann Das kolportieren die Medien.
Nein, dieser Satz steht im Programm.
Portmann Dazu gehört aber mehr. Zum Beispiel die Mitsprache in Unternehmen.
Es spielt ja sowieso keine Rolle, worüber wir hier diskutieren. Weil: Früher oder später werden wir in der EU landen und untergehen. Das ist der Geheimplan, den SP und FDP aushecken – sagt Christoph Blocher im neusten Wahlkampf-Video der SVP. Da hockt er in einem Bunker, und die Apokalypse zieht auf.
Amsler Es gibt keinen Geheimplan. Von Videos mit Blocher halte ich sowieso nichts. Und wenn er mit Glocke und Stumpen herumläuft: Das ist nicht zukunftsgerichtet.
Das heisst, die Schweiz sollte der EU beitreten?
Amsler Nein. Wir müssen den bilateralen Weg sichern. Und zwar mit einem Rahmenabkommen, das das Verhältnis zur EU längerfristig regelt. Wenn man wie ein naives, zwängelndes Kind à tout prix gegen das Abkommen ist, ist man nicht von der Welt von heute. Für unsere Wirtschaft, vor allem auch für unsere Jugend, muss man in die Zukunft schauen.
Würden Sie das Rahmenabkommen mit der EU sofort unterzeichnen?
Amsler Nein, gewisse Nachbesserungen braucht es noch. Aber da ist der Bundesrat dran, auch wenn die beiden Güggel Maurer und Cassis noch etwas streiten.
Portmann Du hast recht, die SVP ist sehr rückwärtsgewandt. Es kann nicht sein, dass wir wieder anfangen, nationalistisch zu denken – wie in vielen europäischen Ländern mit rechtskonservativen Bewegungen. Diese Entwicklung macht mir Angst.
Was ist mit dem Geheimplan «EU-Beitritt»?
Portmann Ich stehe für das Rahmenabkommen ein. Allerdings dürfen wir nicht einfach Ja und Amen sagen. Im Moment ist das Abkommen aus Arbeitnehmersicht schlecht. Es darf nicht zu Lohndumping kommen. In einem Grenzkanton wie Schaffhausen ist Lohnschutz enorm wichtig. Es braucht mehr Kontrollen, gerade auf Baustellen.
Nochmals: Wollen Sie der EU beitreten?
Portmann Ich bevorzuge den bilateralen Weg. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich einen EU-Beitritt ablehnen.
Es wird langsam spät, und das Panaché steigt zu Kopf. Wir sollten nach Hause. Unser Vorschlag: Derjenige mit dem höheren Wahlkampfbudget übernimmt die Rechnung. Einverstanden?
Amsler Mein Budget beträgt etwa 40 000 Franken, davon stammen 10 000 von mir. Hinzu kommen Mandatsbeiträge, Privatspenden und Beiträge von gewissen Verbänden.
Von welchen Verbänden?
Amsler Das lege ich nur offen, wenn es alle anderen Parteien auch tun.
Portmann Für den National- und Ständeratswahlkampf gibt die SP insgesamt zwischen 60 000 und 65 000 Franken aus. Für mich also um die 20 000. Finanziert ist das hauptsächlich über Mitglieder- und Mandatsbeiträge. Zudem unterstützt uns der Verband Swiss ICT, der im Bereich der IT-Bildung tätig ist, mit 10 000 Franken. Selber investiere ich wohl 2000 bis 3000 Franken.
Amsler (zückt die Brieftasche) Also gut, ich übernehme die Rechnung.