Ein linksgrünes Bündnis fordert die Ausdehnung der Fussgängerzone Altstadt auf den «Platz» und das Neustadtquartier.
«20 Jahre Parkplatzfrieden – Danke für nichts». Mit diesem Slogan werben diverse Organisationen und Parteien wie der WWF, die AL und die Grünen für den Parking Day 2019, zu dessen Rahmenprogramm ein vorübergehend autofreier Platz gehört. Von Freitag bis Mittwoch sind auf dem Platz, der ab Januar 2020 Walther-Bringolf-Platz heissen wird, diverse Veranstaltungen wie der Bau eines Turmes, ein Klimatheater und Kuchenverkäufe geplant.
Mit der Aktion verbunden ist die politische Forderung, dass der Platz inklusive der umliegenden Strassen und das Neustadtquartier autofrei werden sollen. Damit greifen die Organisatorinnen und Organisatoren eine altbekannte Forderung wieder auf. Die Ausdehnung der Fussgängerzone ist in der Stadt seit Jahrzehnten politischer Zankapfel.
Nach der schrittweisen Einführung einer Fussgängerzone in der Altstadt schlossen Politik, Gewerbe- und Umweltverbände 1999 schliesslich den sogenannten «Parkplatzfrieden»: Unterirdische Parkhäuser sollten die oberirdischen Parkplätze schrittweise ersetzen.
Das Originaldokument des «Parkplatzfriedens» hat der WWF nun veröffentlicht, ebenso weitere Informationen zur Gruppe «Lebensraum Altstadt» und zum für sechs Tage verkehrsbefreiten Platz.
In einer «Vision 2005» anerkannte auch der damalige Baureferent der Munotstadt, Kurt Schönberger (SVP): «Die ausgedehnte Fussgängerzone erreicht alle innerstädtischen Plätze. Freier Platz, Herrenacker, Platz, Kirchhofplatz und Münsterplatz wurden in den letzten Jahren neu gestaltet und vom Verkehr weitgehend beruhigt.»
Der WWF beklagt «Wortbruch»
Dazu kam es bekanntlich nicht. «Die damals gemachten Versprechungen wurden nicht umgesetzt. Viele der Organisationen, die den Parkplatzfrieden 1999 unterzeichnet haben, stehen heute nicht mehr dazu. Das ist doch Wortbruch», kritisiert deshalb WWF-Geschäftsführer Simon Furter. «Es sind zwar neue, unterirdische Parkhäuser entstanden, oberirdisch sind aber kaum Parkplätze verschwunden.»
Die Zahlen untermauern Furters Aussagen: Laut Parkplatzkataster der Stadt Schaffhausen gab es im Jahr 2000 2300 Parkplätze, wovon 1600 öffentlich waren. Bis 2014 stieg die Zahl auf einen Höchstwert von 3060 (davon öffentlich: 1915), unter anderem wegen der neu entstandenen Parkhäuser Herrenacker und Bahnhof. In den letzten drei Jahren blieb die Anzahl Parkplätze nahezu unverändert bei 3052.
«Das sind zu viele, vor allem auf den schönen Plätzen der Altstadt», findet Simon Furter. Ideen, wie man dem Anliegen nach einer grösseren Fussgängerzone zum Durchbruch verhelfen könne, blieben aber rar. Man prüfe, eine Volksinitiative für einen autofreien Platz zu lancieren. «Wir sind überzeugt, dass wir die nötigen 600 Unterschriften schnell beisammen hätten», sagt Furter. Ihm wäre es aber lieber, der Stadtrat würde das Heft von sich aus in die Hand nehmen und «dem Parkplatzfrieden nach 20 Jahren endlich zur Realisierung verhelfen».
Der Stadtrat wie auch das Stadtparlament werden sich demnächst zu einem autofreien Platz positionieren müssen. Die SP hat bereits Anfang September ein Postulat mit der entsprechenden Forderung eingereicht. Der Ball liegt also beim Stadtparlament, insbesondere bei den entscheidenden Stimmen der politischen Mitte um die Grünliberalen, und beim Stadtrat, der eine Ausdehnung (oder Reduktion) der Fussgängerzone gar in Eigenregie beschliessen könnte.
Bis dato hat sich der Stadtrat für eine «schrittweise Weiterentwicklung des Platzes» ausgesprochen. Jetzt blickt Stadtrat Simon Stocker gespannt auf die autofreien Tage am Platz und die kommende Debatte: «Das Postulat ermöglicht uns nun, alle Bedürfnisse abzufragen und eine Lösung vorzuschlagen, die möglichst mehrheitsfähig ist.» Stocker kann sich beispielsweise den «Kirchhofplatz als Riesenspielplatz» vorstellen.
FDP gegen Parkplatzabbau
Allerdings dürfte bei jedem Schritt in Richtung Parkplatzabbau mit Widerstand der Freisinnigen zu rechnen sein. FDP-Grossstadtrat Diego Faccani kündigt gegenüber der AZ bereits an, das Postulat der SP abzulehnen. Faccani fürchtet, dass ein Abbau von Parkplätzen den Gewerbebetrieben in der Altstadt schadet und aus der Alstadt «ein Museum» wird. Mit Verweis auf Studien in Fribourg und Rapperswil wurde schon 1999 vermutet, dass ein Parkplatz pro Jahr einen Umsatz von 100 000 Franken generiert. Zudem wirft Faccani ein, dass mit dem Abbau von städtischen Parkplätzen Einnahmen aus Parktickets fehlen würden und dadurch weniger Geld aus dem Parkplatzgebührenfonds an den öffentlichen Verkehr fliesse.