Filzvorwurf gegen FDP-Vize

1. Juli 2019, Jimmy Sauter
Die Idylle trübt: Um Renovierungsarbeiten im Freudental wird heftig gestritten. © Peter Pfister

Ein Streit um Umbauarbeiten eskaliert, es kommt zu Klagen vor Gericht. Mittendrin: die Vizepräsidentin der FDP Stadt, die auf wundersame Weise unbeschadet davonkommt.

Er hat seinen Traum verwirklicht. Ein kleiner Bauernhof im Grünen, Schafe, Truthähne, Hasen, Schweine, Wald drum herum. Einen Begegnungsort für Familien mit Kindern wolle er schaffen, sagt Thomas Disch.

Disch, 52 Jahre alt, ist vor dreieinhalb Jahren aus Zürich nach Schaffhausen gezogen. Kürzlich hat er als erster Mann die Bäuerinnenschule abgeschlossen. Nun will er im Schaffhauser Freudental einen möglichst autarken Ökohof aufbauen. Erworben hat er das Land und einen Teil des Hauses (Stockwerkeigentum) im April 2016 für rund eine Million Franken.

Mit der Tochter der früheren Besitzerin, die gleichzeitig ein Architektur- und Bauberatungsbüro bzw. eine Generalunternehmung führt, sind laut Disch Umbau- und Renovierungsarbeiten im Umfang von 100 000 Franken vereinbart worden – per Handschlag. Schriftliche Verträge seien nie abgeschlossen worden.

Damit begann die Geschichte eines grossen Streits, der die Gerichte noch heute beschäftigt. Und eine Geschichte, die beim Zürcher Thomas Disch Zweifel säte, ob hier in Schaffhausen alles mit rechten Dingen zu- und hergeht. Disch glaubt, dass er Opfer eines Schaffhauser Komplotts wurde.

Teurer als geplant
Die Bauarbeiten seien mehr als doppelt so teuer geworden als ursprünglich vereinbart, erzählt Thomas Disch im Gespräch mit der AZ. Dies sei ihm aber erst mitgeteilt worden, als ihm die Rechnungen zugeschickt wurden. «Hätte ich gewusst, dass es so viel teurer wird, hätte ich mich dagegen gewehrt, dass die Arbeiten ausgeführt werden. Ich habe der Generalunternehmerin immer gesagt: ‹Wenn das im Budget drin ist, dann machen wir es.›»

Einen Teil der zusätzlichen Kosten hat Disch nachträglich trotzdem bezahlt, das belegen die Akten, die der AZ vorliegen. «Aber nochmals 100 000 Franken zusätzlich, das konnte ich nicht bezahlen.»

Ein Teil der Rechnungen blieb unbezahlt, mindestens fünf Schaffhauser Handwerkerbuden schauten in die Röhre. Die betroffenen Firmen liessen das aber nicht einfach so auf sich sitzen und verklagten den 52-jährigen Zürcher. Total knapp 60 000 Franken forderten sie ein.

Klagen werden abgewiesen
Die Klage der ersten Firma gegen Thomas Disch wurde im August 2018 vom Kantonsgericht abgelehnt, die Klagen von zwei weiteren Handwerkerbuden sind im letzten Dezember mit deutlichen Worten des Gerichts sogar regelrecht abgeschmettert worden. Und Anfang dieses Monats blieb schliesslich auch eine vierte Klage erfolglos.

Die Unternehmen konnten nach Ansicht des Kantonsgerichts nicht nachweisen, dass sie von Disch Aufträge erhalten haben. Konkret konnten «keinerlei detaillierte Angaben zum eigentlichen Vertragsabschluss» gemacht werden, schreibt das Kantonsgericht in den Urteilen.

Das Kantonsgericht holt gar zum Gegenschlag aus und kritisiert die unterlegenen Firmen: «Es kann nicht angehen, dem Gericht mehrere mögliche, sich widersprechende Varianten zu präsentieren, damit dieses in einem Beweisverfahren die allenfalls zutreffende Version ermittelt.»

Thomas Disch gewinnt allerdings nur teilweise: Eine Gegenklage wird ebenfalls abgewiesen und seine Anwaltskosten werden vom Gericht nicht vollständig angerechnet. Mehrere Tausend Franken muss Disch selber berappen. Ausserdem würde sich eine Firma weigern, die Gerichtskosten zu vergüten, sagt Disch.

Zwei der fünf Fälle sind inzwischen rechtskräftig. Eine dritte Klage ist ebenfalls abgewiesen, aber noch nicht rechtskräftig. Die vierte Firma hat sich entschieden, den Fall vor Obergericht weiterzuziehen. Der fünfte Fall ist derzeit sistiert.

Die falsche Person verklagt
Thomas Stössel, Fachanwalt für Bau- und Immobilienrecht und Vertreter von Thomas Disch, sagt gegenüber der AZ, dass solche Streitigkeiten zwischen Eigentümer und Handwerkerfirmen – Arbeiten werden teurer als vereinbart, es gibt keine schriftlichen Verträge – immer wieder vorkommen. Stössel sagt aber auch: «In solchen Fällen verklagen die Firmen normalerweise nicht den Eigentümer, sondern das Planungsbüro, welches ihnen den Auftrag erteilt hat, weil grössere Erfolgsaussichten bestehen.»

Rechtsexperten hätten die FDP-Vizepräsidentin statt den Bauherrn verklagt.

Zwei weitere juristische Fachpersonen aus dem Bau- und Immobilienrecht haben vier der fünf Fälle (der letzte Fall lag zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor) sowie die Urteile des Schaffhauser Kantonsgerichts für die AZ begutachtet. Myriam Schuler, Rechtsanwältin in Baden, sagt: «In diesem Fall wäre es wohl erfolgversprechender und einfacher gewesen, die offenen Beträge beim Planungsbüro einzufordern.» Ein anderer Anwalt aus Zürich kommt ebenfalls zum Schluss, dass in diesem Fall wohl besser das Planungsbüro statt der Eigentümer verklagt worden wäre.

Stellt sich die Frage: Wieso haben das die vier Schaffhauser Firmen nicht getan?

Die prominente Planerin
Für Thomas Disch ist klar: Es liegt an der Generalunternehmerin und ihren Verbindungen in der Schaffhauser Politszene.

Die Inhaberin des Planungsbüros und Tochter der früheren Eigentümerin ist Britta Schmid, Vizepräsidentin der FDP Stadt Schaffhausen, Vorstandsmitglied beim kantonalen Hauseigentümerverband und bis kürzlich Präsidentin der Baugenossenschaft Legeno, die den städtischen Wettbewerb um das Wagenareal gewonnen hat.

Auf Facebook ist Schmid mit Schaffhauser Politikerinnen und Politikern aus Stadt- und Kantonsregierung befreundet. Und laut der Website ihrer Firma s + p Schmid Partner AG hat die Architektin bereits Umbauarbeiten bei einer kantonalen Amtsstelle, einem städtischen Schulhaus und den lokalen Medien Schaffhauser Nachrichten und Radio Munot geplant.

Die Verbandelung von Schmid mit der Politik wurde bereits einmal in Thayngen beanstandet (siehe AZ vom 4. Mai 2017). Dutzende Einsprachen gingen gegen ein Bauvorhaben der städtischen FDP-Vizepräsidentin ein, weil ihr Bauprojekt überdimensioniert sei. Dennoch hat der Thaynger Gemeinderat, dessen Hochbaureferent ebenfalls Mitglied der FDP ist, eine Baubewilligung erteilt. Der frühere Thaynger Gemeindepräsident, Bernhard Müller, kritisierte dies damals und sagte: «Das hätte man zu meiner Amtszeit sicher anders gemacht.» Schmid wies Filzvorwürfe zurück.

Bei zwei involvierten Anwaltskanzleien sind Vorstandsmitglieder des Hauseigentümerverbandes (HEV) tätig. Auch Britta Schmid ist Vorstandsmitglied des HEV.
Grafik © Andrina Gerner

Das Netzwerk dahinter
Thomas Disch vermutet nun, die Schaffhauser Firmen hätten es sich nicht mit der bestens vernetzten Architektin verscherzen wollen und hätten sich davor gefürchtet, künftige Aufträge zu verlieren, wenn sie Schmid verklagen. Hingegen sei er, der zugezogene Zürcher, das bessere «Opfer» gewesen. Disch kann sich sogar vorstellen, dass sich die Firmen und Britta Schmid untereinander abgesprochen hätten.

Ein Zeichen dafür sei, dass der Anwalt des Handwerkerbetriebs, der den Fall nun vor Obergericht bringt, ein bekannter Politiker der gleichen Partei ist, der Britta Schmid angehört: der FDP. Dieser freisinnige Anwalt wiederum ist Teil einer Zwei-Mann-Kanzlei. Der zweite Anwalt dieser Kanzlei ist wie Britta Schmid Vorstandsmitglied des kantonalen Hauseigentümerverbandes.

Kommt hinzu: Eine zweite Schaffhauser Firma liess sich von einem Anwalt einer Kanzlei vertreten, bei der auch der Präsident des Hauseigentümerverbandes tätig ist.

Die Dementi
Gegenüber der AZ dementieren drei der fünf Firmen – darunter jene, die Schmids Parteifreund als Anwalt engagiert hat –, dass es zwischen ihnen und der Planerin irgendwelche Absprachen gegeben habe. Auch der Anwalt von Britta Schmid bestreitet dies. Ein Unternehmen will sich nicht zu laufenden Verfahren äussern.

Weiter weisen zwei Schaffhauser Firmen darauf hin, dass die Bau- und Handwerksarbeiten im Haus von Thomas Disch ausgeführt worden seien und dieser den alleinigen Nutzen dieser Arbeiten hatte. Er habe sich auch für die «100 Prozent perfekte Arbeit» bedankt.

Beim Hauseigentümerverband HEV laufen die Fäden zusammen. © Peter Pfister

Der Geschäftsführer einer Firma, deren Klage gegen Bauherr Disch bereits rechtskräftig abgewiesen wurde und die den Zürcher deshalb für seine Anwaltskosten entschädigen musste, schreibt der AZ, man habe «mangels vertraglicher Grundlage» nicht gegen Britta Schmid vorgehen können: «Aufgrund der ganzen Verhandlungen war davon auszugehen, dass die Architektin den Bauherrn vertrete und über die entsprechenden Vollmachten verfügte, um in seinem Namen zu handeln (ein üblicher Vorgang auf dem Bau).» Erst nach der Ablehnung der Klage gegen Thomas Disch habe man sich überlegen können, Britta Schmid auf Schadenersatz zu verklagen. Man habe jedoch «wegen des erneuten Prozessrisikos darauf verzichtet». Dies, obwohl die Firma «wegen der unklaren Abmachungen zwischen Bauherr und Architektin einen erheblichen Schaden davongetragen» habe.

Bedroht und beleidigt
Die letzten offenen Streitereien klären die Gerichte. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende.

Thomas Disch sagt, als er wieder einmal einen Handwerker benötigt habe, sei er von diesem übelst beleidigt worden. «Offenbar hat sich dieser Fall herumgesprochen», konstatiert Disch. Ausserdem sei er zuhause von einer weiteren Person belästigt worden: Ein Mann sei in seine Scheune eingebrochen und habe ihn bedroht.

Die AZ hat Britta Schmid Fragen zu den Rechtsstreitigkeiten gestellt. Sie selbst möchte sich nicht äussern, lässt aber über einen Anwalt ausrichten, dass sie alle Vorwürfe bestreitet.

Das hat «mit Filz (…) nicht einmal am Rande zu tun».
Anwalt von Britta Schmid

Weder habe Britta Schmid mit der angeblichen Drohung zu tun, noch habe sie sich mit den Firmen, die Disch verklagt haben, in irgendeiner Form abgesprochen, schreibt der Anwalt. Dass ein Parteikollege eine der Firmen vertritt, habe «mit Filz (…) nicht einmal am Rande zu tun», so Schmids Anwalt weiter: «Jede prozessbeteiligte Partei hat Anspruch auf freie Wahl ihres Rechtsanwalts, wobei sie in aller Regel einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin wählt, dem oder der sie fachlich und persönlich besonders vertraut.»

Ausserdem: «Vorliegend vertreten die (anwaltlich beratenen) Handwerker offenbar die Rechtsansicht, dass ihnen selber Ansprüche gegenüber Herrn Disch zustehen. Andernfalls hätten sie – bei bestehendem Kostenrisiko im Falle einer Prozessniederlage – ja nicht geklagt. Mir persönlich sind keine Rechtsanwälte bekannt, welche wider ihr eigenes besseres Wissen und auf ihr berufliches Haftungsrisiko hin aussichtslose Prozesse einleiten. Und diese gerichtlichen Schritte sind ohne irgendein Zutun meiner Klientin erfolgt.»

Der Anwalt von Thomas Disch, Thomas Stössel, geht davon aus, dass sein Klient auch vor Obergericht gewinnen wird. «Ich hätte von Anfang an auf einen Prozess gegen meinen Mandanten verzichtet, zumal das Risiko viel zu hoch war, die Beweise fehlten und die Streitwerte viel zu tief waren», sagt er.

Schadlos überstanden
Am Ende gibt es die Verlierer: die Firmen, deren Klagen bis dato erfolglos waren, und Thomas Disch, der einen Teil der Anwaltskosten selber zahlen musste und nun in Handwerkerkreisen offenbar Persona non grata ist.

Einzig Britta Schmid, die nach Ansicht der beiden Rechtsexperten hätte verklagt werden sollen, blieb anscheinend ohne Schaden.