Der Immobilienmogul und ehemalige SVP-Kantonsrat Pius Zehnder hat angefangen, in Bargen ein Stück Paradies nach seinen Vorstellungen zu schaffen. Die Behörden sind ihm dabei absolut egal.
Da oben, über Bargen: Das ist Zehnder-Land. Und da hat nur einer etwas zu sagen: Pius Zehnder. Mehrere Parzellen Landwirtschaftsgebiet am Hügel gehören dem ortsansässigen Immobilienunternehmer und Landwirt. Und da steht ein Viehunterstand, wo der Grundbesitzer mit Stolz und Fürsorge seine Angus-Rinder hält und damit seinen Jugendtraum verwirklicht.
Nun sollen die Rinder zusätzliches Weideland bekommen: Letztes Jahr hat Pius Zehnder das angrenzende Flurstück «Grund» beim Dorf unten dazugekauft. «Eine Fügung des Schicksals», so der zurückgetretene SVP-Kantonsrat. Nun baut er einen Triebweg auf die Wiese hinunter für sein Vieh. Dieses wird sich beim Abstieg ins Tälchen an einem herrlichen Ausblick ergötzen können: Denn Pius Zehnder gestaltet das Gelände neu. Er renaturiert den Bach, der an der Strasse entlang ins Dorf führt. «Bis jetzt war da ein hässliches Rinnsal, völlig verwildert», so Pius Zehnder. Nun soll daraus ein schöner Bach mit Fröschen und anderen Viechern werden, inklusive eines kleinen Wasserfalls, der in einen Fischteich plätschert, welchen Zehnder dort tatsächlich anlegen will, gesäumt von Hecken und Obstbäumen.
Ein Stück Himmel auf Erden also. Das erfreut nicht nur die Rinder, sondern laut Zehnder auch die Bevölkerung, die auf der Flurstrasse wandelt. Und es erfreut Pius Zehnder selbst. Deshalb schafft er dieses Paradies überhaupt, sagt er: «Aus Freude an der Natur, an diesem schönen Fleck Erde».
Doch ganz so vollkommen ist die Idylle nicht.
Das Gelände ist im Moment eine Baustelle. Viele, viele Lastwagenfrachten mit Aushub hat Zehnder bereits angekarrt und am Bach aufgeschüttet, das Bachbett stellenweise auch schon mit dem Lehmaushub aufgefüllt und ausgekleidet, um es anzuheben.
Baubewilligung? Hat Zehnder nicht.
Für dieses Vorgehen in der Landwirtschaftszone braucht es mehrere Bewilligungen, die nicht so einfach zu bekommen sind. Das Baugesuch muss vom Gemeinderat an das kantonale Baudepartement weitergereicht werden, das ausserhalb der Bauzone zuständig ist. Erstens sind Terrainveränderungen in diesem Stil, hier sind es Aufschüttungen von über 200 m3, bewilligungspflichtig. Susanne Gatti vom Planungs- und Naturschutzamt sagt auf Anfrage, dass die Landwirtschaftszone dem schweizerischen Raumplanungsgesetz unterliege und es sehr gute Gründe brauche, wenn man das Gelände verändern wolle.
Und zweitens kommen die Eingriffe am Bach hinzu, die Zehnder vorgenommen hat und plant. Wasserbauliche Massnahmen sind heikel. Wenn an einem Gewässer etwas umgebaut oder umgegraben wird, ist das in jedem Fall bewilligungspflichtig, bestätigt der kantonale Gewässeraufseher Roland Schwarz.
Der Zorn des Pius Zehnder
Wieso hat Pius Zehnder kein Baugesuch eingereicht, als er vor rund zwei Monaten mit den Bauarbeiten anfing?
«Weil ich behördengeschädigt bin», sagt der SVP-Mann. Wenn es um die kantonale Verwaltung geht, lupft es ihm den Deckel.
Zornig, aber dennoch gut gelaunt steht er in seinem Gelände. Er traut den Expertinnen und Experten des Kantons, von denen der eine oder andere bereits hier war, nicht zu, sein Bauvorhaben zu begreifen. Ständig fuchtelt er mit einem Meterstab herum, als er am Bach entlang geht, um die bereits getätigten Arbeiten zu zeigen sowie das Wasserreservoir und die Quelle, die er neu fassen will.
Auf ein altes Güllefass ist mit wenigen Linien ein Plan gekritzelt, wie das Wasser von der Quelle ins Reservoir und zum Fischteich geleitet wird. Ist das der einzige Plan davon?
«Die Projektidee entsteht in meinem Kopf, für die Umsetzung brauche ich keinen Plan», so Pius Zehnder und stiefelt weiter.
Zehnder hat den Amtsweg nach all den Jahren im Bau- und Immobiliengeschäft satt und handelt nun lieber auf eigene Faust, ohne irgendwelche Expertinnen oder Experten hinzuziehen, sei es vom Landwirtschaftsamt oder etwa vom Interkantonalen Labor – beispielsweise bezüglich des Aushubs, der auf das Gelände und in das Bachbett geschafft wurde.
Er habe schliesslich Maurer gelernt, so Zehnder, und verfüge über genügend Erfahrung, um eine Bachrenaturierung zu bauen, ohne Experten fragen zu müssen.
Und wenn das jeder machen würde, die Landschaft nach eigenem Gutdünken umgestalten?
«Es macht es ja niemand», ruft Pius Zehnder aus. «Du findest keinen einzigen Menschen ausser mir, der Geld in die Hand nimmt für etwas Ökologisches und Schönes für die Allgemeinheit. Wir Idealisten sterben aus, weil man uns Steine in den Weg legt.»
Keiner sagt was
Pius Zehnder agiert offenbar als Allmächtiger auf seinem Land. Wie kann es so weit kommen, dass hier einer einfach in einer hochsensiblen landschaftlichen Zone gleich am Dorfrand herumfuhrwerkt, und kein Mensch sagt etwas?
Als Baupolizei zuständig und aufsichtspflichtig ist die Gemeinde. «Das ist etwas unglücklich gelaufen», räumt der Bargemer Gemeindepräsident Michael Mägerle, auf das Bauprojekt angesprochen, ein. Wieso er nicht einen sofortigen Baustopp ausgesprochen hat, bevor die Arbeiten so weit vorgerückt waren, wird dabei nicht klar. Nun hat der Gemeindepräsident mit Zehnder jedenfalls abgemacht, dass dieser nichts mehr am Bach macht, solange er keine Bewilligung hat.
Weil er sonst nicht weiterkommt, hat Zehnder doch noch ein Baugesuch eingereicht, am 12. April öffentlich ausgeschrieben: Zwecks Grundbachvitalisierung und Aufwertung.
Dass er eine Busse einfangen könnte, weil er schon eher mit den Bauarbeiten begonnen hat?
Das sei ihm egal, so Zehnder. Einen Teil des Bachbetts habe er extra vorgängig ganz fertiggestellt, damit auch wirklich jeder verstehe, was er vorhat. «Jetzt kann jeder Beamte, der involviert ist, mit seinem E-Bike hier hinradeln und sich das anschauen», so Zehnder.
Ökologische Ziele?
Bleibt die Frage, ob Zehnder diese Arbeit wirklich nur der Natur und der Bevölkerung zuliebe macht.
Wie es aussieht, wird durch die Lehmaufschüttung und Anhebung des Bachbetts die Strasse breiter, die hoch zur Angus-Rinder-Haltung führt, welche Zehnder dereinst gerne zum Zuchtbetrieb ausbauen würde. Dass es bei dem Projekt darum geht, die Strasse zu verbreitern, bestreitet Pius Zehnder. Es sei lediglich ein positiver Nebeneffekt, dass die Strasse befestigt werde, die demnächst auch geteert werden soll. Er mache das alles, weil er Freude an der Natur habe.
Ob die Natur daran auch Freude hat, ist eine andere Frage. In der ökomorphologischen Kartierung von Bund und Kanton wurde Zehnders Bach eigentlich als «naturnah, natürlich» klassifiziert.
Gleich neben der Parzelle von Pius Zehnder, auf der anderen Seite der Strasse, ist Naturschutzgebiet. Hier bemüht sich Pro Natura um ökologische Aufwertung.
Vanessa Wirz von Pro Natura Schaffhausen sagt auf Anfrage, dass sie das unsorgfältige Vorgehen auf dem Nachbarland schon etwas erschrecke. «Ich zweifle daran, dass die Terrainveränderungen durch die Zufuhr von so viel neuem Material nötig und ökologisch sinnvoll sind», erklärt Vanessa Wirz. «Was wir an dem Projekt vermissen, sind Abklärungen, was die ökologischen Ziele sind und wie man sie erreichen kann: Welche Arten gibt es in dem Bach? Und wie kann man das Gewässer optimal anlegen, damit diese profitieren?»Es sei beispielsweise möglich, dass mit den Aufschüttungen Larven der geschützten und gefährdeten Feuersalamander zerstört wurden.
Auch wenn Pius Zehnder die Umgestaltung seines Landes betrachtet und sieht, dass es gut ist: Vielleicht ist es doch nicht so gut.