Medien einfach erklärt

27. November 2018, Kevin Brühlmann
Schaffhauser Medien: vom Lumpenproletariat zum Code­namen Rösli Weber. Peter Pfister
Schaffhauser Medien: vom Lumpenproletariat zum Code­namen Rösli Weber. Peter Pfister

Glosse Die Schaffhauser AZ wird 100 und tut so, als wäre sie die wichtigste Zeitung überhaupt. Doch was ist mit dem Rest der Schaffhauser Medienlandschaft? Eine alphabetische Auslegeordnung.

Klettgauer Bote. «Wilchingen möchte eine eigene Spitex, der Fluglärm im Klettgau ist nicht gravierend, und die Rocket Girls Youngsters waren an der WM in Graz!» – So klingt es, wenn die Landzeitung ihre neuste Ausgabe online ankündigt. Klarer Fall von effekthascherischem Blockbuster-Journalismus.
Auflage: 3000 Ex. Erscheint dreimal wöchentlich. Börsenwert: 5 Hornkühe.

Radio Munot. «Contemporary adult» – So wird das Programm offiziell eingestuft. Klingt ein bisschen nach Biedermeier-Sex. Besser als gar nichts.
Reichweite: 40 140 Hörerinnen und Hörer. Programmzeiten: 6 bis 24 Uhr. Börsenwert: Unter 4 Augen.

Radio Rasa. «Easy Riser» – Eine Morgensendung von 6 bis 9 Uhr im Alternativradio. Klassischer Fall von «am Volk vorbei machen», sicher wieder so eine EU-Vorschrift! Eigentlich müssten die Rasa-Leute Ländler spielen, damit sie wenigstens von den Bauern beim morgendlichen Stallrundgang gehört werden. Dabei könnte man sich gleich über fette Subventionen austauschen.
Reichweite: je nach THC-Gehalt. Programm­zeiten: je nach Mondstand. Börsenwert: 1 gebrauchter Plattenspieler.

Schaffhauser AZ. «Schlechter Klatschspaltenjournalismus!» – Ein Lob, das die AZ-Redaktion per Postkarte aus Beggingen erhielt. Paradox. Denn liest das Wochenblatt überhaupt irgendjemand ausserhalb des urbanen Rucola­gürtels, wo man sich das linke Lumpenproletariat noch leisten kann?
Verkaufte Auflage: 2041 Ex. Erscheint donnerstags. Börsenwert: 1 Polizeikommandant.

Schaffhauser Bock. «Schaffhausens stärkste Zeitung», wie man sich selber bezeichnet, wurde lange immer als unnötiges Altpapier verschrien. Zu Unrecht. Nimmt man die Hochglanz-Werbeprospekte heraus, ist der Bock – gerade im Winter – erstklassiges Heizmaterial. Und Verleger Giorgio Behr ist es zu verdanken, dass man sich seit Jahren für Randständige einsetzt: Der Bock ist der grösste Entwicklungshelfer für den Handballsport.
Auflage: 49 530 Ex. Erscheint dienstags. Börsenwert: 400 Millionen Franken.

Schaffhauser Fernsehen. «Das Blocher-Prinzip, Folge 585» – Sie zuckt noch immer, die Unterlippe vom Herrliberg, wenn auch etwas müder als auch schon. Verpassen ist schwer, die Sendung wird stündlich wiederholt. Wobei neue Folgen sowieso nur dank wechselnder Krawatten von Wiederholungen zu unterscheiden sind. Und sonst? Manchmal gibt es noch eine Kochsendung. Und Gölä war auch mal da.
Reichweite: bis Herrliberg. Programmzeiten: 18 bis 18:30 Uhr (danach Werbesendung, inkl. Teleblocher). Börsenwert: 1 Anker-Gemälde.

Schaffhauser Nachrichten. «Intelligenzblatt» – Der Name ist Programm; die SN waren schon immer die Klügsten unter den Klugen. Richtige Einserschüler, wie die Deutsche sagt. Immer alle beim Herrn Lehrer anschwärzen und sich auf die Seite der Starken schlagen. Und gleichzeitig schöne Werbeaufsätze verfassen, die teure Autos, Uhren, Krawatten zeigen, um dem Herrn Lehrer zu gefallen. Kurz: Die SN, das Blatt der kleinen Leute. Unverzichtbar.
Verkaufte Auflage: 17 509 Ex. Erscheint täglich. Börsenwert: 1 Selbstbestimmung.

Steiner Anzeiger.
«Rösli Weber aus Ramsen wird 99», «Steinerin gewinnt Jahrmarktwettbewerb», «Rachel Rothmund macht Menschen glücklich» (mit Essen), «Bettina Hitz gewinnt Scheck» – Der Steiner sieht aus wie eine feministische Postille aus den 1970er-Jahren («Das Private ist politisch!»). Der Frauenanteil im Blatt erreicht Quoten, die für gewöhnliche Medien unerreichbar sind, nämlich so viel, wie der Frauenanteil draussen in der Realität beträgt, also 50 Prozent. Man erkennt, da hat jemand eine Mission. Codename: Rösli Weber.
Verkaufte Auflage: 1073 Ex. Erscheint dienstags.
Börsenwert: 0,0000001 % der Windler-Stiftung.

Thaynger Anzeiger. «Gemeindeleben» und «Eheleben» – Die Rubriken im Thaynger decken die Existenz des bürgerlichen Menschen in ihrer ganzen Breite ab. Ein haarsträubender Fehler. Die Leserinnen und Leser interessieren sich doch vor allem dafür, was jenseits der Existenz liegt. Und das sind die Todesanzeigen. Ob die Winzeler, genannt Zwetschgen-Winzeler, schon ins Gras gebissen hat und ob, vergelt’s Gott, der Bührer, genannt Chalberer, endlich unter der Erde liegt.
Verkaufte Auflage: 860 Ex. Erscheint dienstags. Börsenwert: 3 Flädlisuppen.