Die Stadt hat ein neues Sparpaket, und niemand kann dagegen etwas machen, weil niemand weiss,
wo gekürzt wird. Sogar die GPK tappt im Dunkeln – bald entscheidet das Parlament.
Acht Millionen Franken. Finanzreferent Daniel Preisig steht im Stadtratssaal vor den versammelten Journalistinnen und Journalisten der Region und sagt diese Zahl: Kürzungen in der Höhe von acht Millionen Franken «gegenüber Rohbudget» seien nötig gewesen, um ein ausgeglichenes Budget zu erreichen.
Nur mit diesen acht Millionen und der Abschaffung des «Steuerrabatts», also einer faktischen Steuerfusserhöhung um drei Prozentpunkte, sei eine rote Null im Jahr 2019 möglich.
Es war eine freie Entscheidung Preisigs (oder des Gesamtstadtrats), der Öffentlichkeit die Summe der Kürzungen bekannt zu geben. Die Strategie dahinter ist klar: Mit dem Signal, dass man die Staatskosten tief hält, versucht man Mitte-Rechts die Steuererhöhung schmackhaft zu machen.
Ob Preisig dafür Verständnis schaffen konnte, wird sich an der Budgetdebatte Ende November erst zeigen. Zuerst löste er etwas anderes aus: Neugierde.
Wo wurde gespart? Preisig erklärte die acht Millionen mit dem Halbsatz, es handle sich um viele kleine Positionen «vor allem im Sachaufwand» und um Anschaffungen oder Unterhaltsarbeiten, die man noch ein wenig in die Zukunft verschieben werde. Er sprach von einem «Wallholzeffekt» und von «Opfersymmetrie».
Daniel Preisig schweigt
Acht Millionen Franken, das sind gut drei Prozent des budgetierten Gesamtaufwandes der Stadt im Jahr 2019. Zum Vergleich: Die Steuerrabatte der letzten drei Jahre kosteten die Stadt rund 6,6 Millionen Franken. Für die Prämienverbilligung gab sie im letzten Jahr knapp 7,4 Millionen Franken aus, dieses Jahr werden es gemäss Budget 9,6 Millionen Franken sein.
Alle Fragen dazu, wo gekürzt wurde, beantwortet Daniel Preisig nicht. «Grund dafür ist, dass damit die Vertraulichkeit der Lösungsfindung im Stadtrat faktisch aufgehoben würde», schreibt er der «az». Er will auch nicht bekannt geben, wie sich die Summe auf die Departemente verteilt.
Anfragen bei den Referaten treffen auf eine Mauer: Preisig hat sie angewiesen, keine Angaben zu den Kürzungen zu machen. Die anderen Stadträte mussten auch ihren Fraktionen gegenüber schweigen.
Selbst gegenüber der Geschäftsprüfungskommission (GPK), die das Budget bereits behandelt hat, hat der Finanzreferent keine Details genannt. «Wir wissen nicht, was gekürzt wurde», sagt GPK-Präsident René Schmidt (GLP).
Von Schmidt erfährt die «az» immerhin, wie die Kürzungen zustande kamen: Die Referate gaben wie jedes Jahr ihre Budgetvorschläge ein. Der Stadtrat erstellte daraus, ebenfalls wie jedes Jahr, ein Rohbudget. Dann aber beschloss er, dass die Ausgaben zugunsten einer ausgeglichenen Rechnung gesenkt werden mussten, und erteilte folgende Weisung: 13 Prozent des Sachaufwandes müssen eingespart werden. Das enstpricht annähernd den acht Millionen Franken.
Feuerwehr, Friedhöfe, Bildung
Das Budget 2019 basiert in Grundzügen auf der jüngsten vorliegenden Rechnung, derjenigen des Jahres 2017. Vergleiche sind allerdings sehr schwierig, weil das Budget 2019 erstmals mit dem neuen Rechnungslegungsmodell HRM2 erstellt wurde. Das führt dazu, dass Positionen anders heissen, zusammengeführt oder aufgeteilt wurden. Der Stadtrat schreibt dazu sogar: «Durch die Änderung des Kontenplanes ist die Vergleichbarkeit zum Vorjahr im Jahr der Umstellung nicht gegeben.» Dank Erläuterungen in einem Anhang zum Budget gelingt es dennoch bei manchen Positionen, Vergleiche anzustellen und einem Teil der Einsparungen auf die Schliche zu kommen.
Feuerwehr: Unter deren Sachaufwand fallen Positionen wie Löschwasser, Unterhalt der Fahrzeuge, Neuanschaffungen von Ausrüstungsgegenständen und vieles mehr. Im Vergleich mit dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2017 ist der Sachaufwand aber um 138’000 Franken oder 20 Prozent tiefer. Vergleicht man nur mit der Rechnung 2017, ergibt sich eine Kürzung um zwölf Prozent. Die Zahl ist plausibel, doch weil die im Rohbudget eingesetzten Beträge nicht bekannt sind, sollte sie mit Vorsicht genossen werden – dies gilt auch für die folgenden Beispiele. Dass aber die Feuerwehr vom Sparkurs betroffen ist, darf als sicher gelten.
Friedhöfe: Hier ergibt die gleiche Rechnung, bezogen auf Unterhaltsausgaben, Einsparungen von 14’500 Franken oder 13 Prozent. Wurde bei den Fahrzeugen der Friedhofsverwaltung gespart? Oder beim Gebäudeunterhalt oder bei der Grabstätte für frühverlorene Kinder? Erneut: Genau wissen wir es nicht, genau wissen es auch die GPK und das Parlament nicht.
Bereich Alter, am Beispiel des Alterszentrums Kirchofplatz: Hier ist der budgetierte Sachaufwand um 150’000 Franken oder acht Prozent kleiner als 2017. Es scheint sicher, dass auch hier Einsparungen vorgenommen wurden. Ob sie beispielsweise die Heizkosten, die Ernährung oder den Unterhalt betreffen, ob die Anschaffung von neuen Betten oder Rollatoren verschoben wurde, wissen wir nicht.
Kürzungen im Bildungsbereich gibt es mit Sicherheit, sie können aber nicht nachvollzogen werden, weil der Aufwand insgesamt steigt, was Einsparungen gegenüber dem Rohbudget unsichtbar macht.
«Kein Sparpaket»
Finanzreferent Daniel Preisig gibt nicht bekannt, welcher Anteil der acht Millionen Franken beim Sachaufwand eingespart wurde. Er verwehrt sich der Bezeichnung «Sparpaket»: «Ein Sparpaket liegt vor, wenn bisherige Aufwände gekürzt werden. Der Gesamtaufwand steigt von 248.6 Mio. Fr. (Budget 2018) auf 252.6 Mio. Fr. (Budget 2019). Bei verwaltungsinternen Anpassungen am Rohbudget sprechen wir von Budgetanpassungen.» Weiter erläutert der Finanzreferent: «Der vom Gesamtstadtrat in Auftrag gegebene Budgetkürzungsauftrag war nötig, weil das Rohbudget ein grosses Defizit aufwies und der Stadtrat ein ausgeglichenes Budget präsentieren wollte. Dies entspricht auch unserem gesetzlichen Auftrag.»
Die Geschäftsprüfungskommission hat die Beratung des Budgets bereits abgeschlossen und beantragt nur kleinste Änderungen. Am 27. November wird das Stadtparlament darüber entscheiden.
In der Zwischenzeit hat die Methode des Stadtrats, pauschal ein paar Millionen Kürzungen in Auftrag zu geben, auf Kantonsebene Schule gemacht: Nach entsprechenden Forderungen aus der GPK (dort sitzt für die SVP: Daniel Preisig) hat die Regierung erstmals ihr Budget korrigiert und schlägt nun Einsparungen in der Höhe von 4,5 Millionen Franken vor.
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Ein Meisterwerk
Ein Kommentar von Mattias Greuter
Dem städtischen Finanzreferenten Daniel Preisig gelingt gerade ein Meisterstück finanzkonservativer Politik, das die Stadt nachhaltig verändern wird. Und niemand wehrt sich.
Einer Stadt, die sehr oft Vorlagen des Stadtrats ablehnt und die mit überwältigender Mehrheit gegen ein Sparpaket des Kantons gestimmt hat, drückt er im Geheimen wiederkehrende Einsparungen in der Höhe von acht Millionen Franken auf – ohne politischen Widerstand. Proportional zum ganzen Aufwand der öffentlichen Hand ist das sogar etwas mehr als die im Jahr 2016 von der Bevölkerung abgelehnten ESH4-Massnahmen des Kantons.
Wie ist das möglich?
Zunächst: Daniel Preisig sagt, es handle sich mitnichten um ein Sparpaket, sondern um einen ganz normalen Budgetprozess. Der funktionierte so: Als die verschiedenen Bereiche der Stadt ihre Rohbudgets eingereicht hatten, waren die Ausgaben für Daniel Preisig, schon immer ein Verfechter des schlanken Staates, zu hoch. Er schaffte es, den Stadtrat davon zu überzeugen, folgende Weisung an die Verwaltung ergehen zu lassen: Acht Millionen müssen gekürzt werden. Dies geschah durch kleine Kürzungen bei allen möglichen Positionen und durch das Verschieben von Investitionen in allen Departementen.
Wie es Daniel Preisig geschafft hat, im angeblich linksgrün dominierten Stadtrat eine Mehrheit für Kürzungen in der Bildung und im Sozialwesen zu gewinnen, bleibt sein Geheimnis. Und das der mindestens zwei weiteren Stadträte, die damit einverstanden waren.
Das Budget muss noch durch das Parlament. Die vorberatende Geschäftsprüfungskommission hat den Sparkurs schon abgesegnet. Hier kommt der zweite und wichtigere Teil von Preisigs Meisterstück zum Zug: Niemand im Parlament weiss, was genau gespart wird, niemand kann die Zahlen für 2019 mit denen des Vorjahres vergleichen. Der Grund dafür ist die zeitgleiche Einführung des neuen Rechnungslegungsmodells HRM2. Wozu das gut ist, ist an dieser Stelle nicht besonders wichtig, aber es führt dazu, dass die gleichen Gelder anders verbucht werden – im Budget fehlen jeweils die Zahlen der Vorjahre zu den einzelnen Ausgaben, weil die Positionen schlicht nicht vergleichbar sind. Dafür kann Daniel Preisig nichts. Aber sein Sparpaket kommt zum perfekten Zeitpunkt – es kann schlicht niemand überprüfen, was genau gekürzt wurde. Wie soll eine Parlamentarierin sich mit Anträgen gegen Einsparungen wehren, von denen sie keine Kenntnis haben kann?
Dritter und letzter Akt des Meisterstücks: Die Kürzungen betreffen nicht nur das nächste Jahr, sondern alle zukünftigen Budgets. Dies, weil jeweils auf Basis der Rechnung des vorletzten Jahres budgetiert wird – und wenn die Basis die gestutzte Rechnung 2019 ist, wird das Budget 2021 die gleichen Kürzungen enthalten. Sogar wenn man nächstes Jahr da und dort mehr Geld ausgeben muss als geplant – via Nachtragskredit –, bleibt die Kürzung für folgende Jahre erhalten.
Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Preisigs heimliches Sparpaket die Ratsdebatte fast oder gänzlich unbeschadet überlebt. Die SVP sollte, statt mit dem Budgetreferendum zu drohen, ihrem Stadtrat Daniel Preisig für diesen Meilenstein konservativer Austeritätspolitik auf die Schulter klopfen.