Kurt Blöchlinger ist per sofort zurückgetreten. Warum, bleibt unklar. Über die Hintergründe wurde Stillschweigen vereinbart.
Es war eine überraschende Meldung, die am Mittwoch, 31. Oktober 2018, um 9 Uhr morgens bei den Medien eintraf: Der Kommandant der Schaffhauser Polizei tritt zurück. Und das mit sofortiger Wirkung.
Schon am gleichen Tag war Kurt Blöchlinger offenbar nicht mehr im Büro. Man könne keinen Kontakt zu ihm herstellen, hiess es auf Nachfrage der «az» bei der Medienstelle der Schaffhauser Polizei.
Über die Gründe, die zur plötzlichen Trennung nach fast zehnjähriger Zusammenarbeit geführt haben, gibt es keine Angaben. Lediglich fünf Sätze beinhaltet die Medienmitteilung der Schaffhauser Staatskanzlei:
Der Kommandant habe entschieden, eine «neue berufliche Herausforderung anzunehmen», heisst es darin. Und weiter: «Auf Wunsch des Kommandanten wurde er von seinen Aufgaben freigestellt. Über die Einzelheiten der Vertragsauflösung wurde Stillschweigen vereinbart.»
Die Stelle wird nun ausgeschrieben. Vorerst übernimmt der erste stellvertretende Kommandant, Ravi Landolt, interimistisch die Leitung der Schaffhauser Polizei. Darüber, dass kein geordneter Übergang stattfindet, zeigen sich Kantonsrätinnen und Kantonsräte aus den vier grössten Fraktionen auf Nachfrage der «az» «irritiert».
Die Degradierung der Eva Leu
Kurt Blöchlinger hatte seit knapp zwei Jahren zunehmend mit Gegenwind zu kämpfen. In der «az» hatten mehrere Personen anonym ausgesagt, dass unter Kommandant Blöchlinger innerhalb des Korps der Schaffhauser Polizei ein Klima von Willkür und Angst geherrscht habe. Blöchlinger und die seinerzeit zuständige Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel (SVP) hatten diese Vorwürfe stets dementiert. (Zum Artikel hier entlang.)
Lange Zeit traute sich nur der pensionierte Polizist Jörg Schwarzer, der rund 35 Jahre lang für die Schaffhauser Polizei im Dienst stand, mit seinem Namen öffentlich den Kommandanten zu kritisieren. In einem Leserbrief schrieb Schwarzer unter anderem: «Ich kenne den Führungsstil des Polizeikommandanten aus eigener Erfahrung, habe ich doch anlässlich meines persönlichen Gesprächs bei meiner Pensionierung beim Personalamt auf gewisse Missstände hingewiesen.»
Zuletzt hatte sich aber auch Eva Leu, die nach knapp 40 Jahren im Dienst der Schaffhauser Polizei in Frührente ging, im «Schaffhauser Bock» über eine kurz vor der Pensionierung erfolgte Degradierung beklagt: «Dass dieser Grad gegen Ende meiner Laufbahn hin wegen einer Pensenreduktion und der Abgabe von Führungsaufgaben nach unten korrigiert wurde, empfand ich als ungerecht und tief verletzend», sagte Leu Mitte September dem «Bock».
Diese Degradierung sorgte hinter den Kulissen offenbar für Unmut. Regierungspräsident Christian Amsler (FDP) will auf Nachfrage der «az» zum konkreten Fall Eva Leu keine Stellung nehmen. Er sagt aber: «Persönlich bin ich grundsätzlich der Meinung, dass Degradierungen nur vorgenommen werden sollen, wenn schwerwiegende Verstösse wie Straftaten oder ein unehrenhaftes Verhalten stattgefunden haben. So kenne ich es aus der Armee.»
Möglicherweise stellt diese Episode, so unbedeutend sie auf den ersten Blick erscheinen mag, den letzten Tropfen dar, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Den definitiven Beweis, dass unter Kommandant Blöchlinger bei der Schaffhauser Polizei nicht alles rund lief, erbrachte ein Gerichtsverfahren. Eine Person, die sich gegen den Kommandanten gewehrt hatte, wurde von Kurt Blöchlinger fristlos entlassen – zu Unrecht, wie das Schaffhauser Kantonsgericht vor knapp einem Jahr festhielt. Der Kanton musste dem Geschassten ausstehende Löhne und Anwaltskosten in der Höhe von 33’000 Franken bezahlen.
Neue Chefin am Werk
Im vergangenen Jahr wurde Kommandant Blöchlinger zudem von einem von der Regierung einberufenen externen Staatsanwalt einvernommen. Es ging um zwei Bussen einer Privatperson im Umfang von 12’000 Franken, die der Kanton übernommen hatte.
Der Bericht des Sonderstaatsanwalts Hans Maurer zeigte jedoch, dass die Zahlungen offiziell von der damaligen Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel beschlossen wurden. Das Verfahren gegen Blöchlinger wurde eingestellt. (Den Bericht finden Sie hier.)
Obwohl der Kommandant dadurch entlastet wurde, scheint er inzwischen den Rückhalt der Regierung verloren zu haben. Die frühere Chefin, Rosmarie Widmer Gysel, die Blöchlinger stets den Rücken freihielt, ist im März abgetreten. Dass die Klettgauerin und Kurt Blöchlinger sich besonders gut verstanden, ist ein offenes Geheimnis.
Jetzt hat Cornelia Stamm Hurter den Posten als Polizeidirektorin übernommen. Und nun scheint ein anderer Wind zu wehen: Das Budget 2019 und der Finanzplan bis 2022 des Kantons offenbaren zumindest, dass der Netto-Aufwand der Schaffhauser Polizei gegenüber dem Budget 2018 sinken soll. Ausserdem sollen die Ausgaben für sogenannte Assessments, externe Bewertungen von Angestellten, reduziert werden. In der Vergangenheit hatte die Firma der Ex-Freundin von Kurt Blöchlinger Aufträge für Assessments bei der Schaffhauser Polizei erhalten.