Man suchte eine 35-jährige Frau und fand mit Walter Hotz einen doppelt so alten Mann. In der Volkspartei gibt es kaum Frauen und wenige Junge – das Personalproblem der SVP sollte auch andere Parteien nachdenklich stimmen.
Es war eine Überraschung, als Pentti Aellig im Juni seinen Rücktritt als SVP-Präsident bekannt gab: Erst vor eineinhalb Jahren war er in den Kantonsrat gewählt worden, erst seit 2017 bezeichnete er sich nicht mehr als «Interimspräsident».
Doch eigentlich hätte sein Rücktritt niemanden überraschen sollen: Eher widerwillig hatte er die Parteileitung im Jahr 2014 übernommen. Sein Vorgänger Werner Bolli hatte schon seit Jahren zurücktreten wollen und blieb nur im Amt, weil man niemanden fand. Aellig sprang in die Bresche, und für ihn war immer klar, dass er die Parteileitung nach den Wahljahren 2015 und 2016 bald wieder abgeben würde.
Jetzt wiederholt sich die Geschichte: Im Juni kündigt Aellig seinen Rücktritt an und sagt über die Nachfolge: «Meine Idealbesetzung wäre eine 35-jährige Frau.» Eine Findungskommission telefoniert sich durch die 1200 Mitglieder starke Partei, doch es findet sich lange niemand, der das «aufwändige und wenig dankbare Amt» (Aellig) übernehmen will – schon gar keine Frau, schon gar kein Mitglied unter 50.
Also kommt Walter Hotz zum Zug, er wird am vergangenen Montag ohne Gegenkandidatur oder -stimmen von der Parteiversammlung gewählt. Wieder springt einer in die Bresche: Walter Hotz sagte der «az» im Juni, er stünde «als letzte aller Optionen» zur Verfügung, um die Partei «interimistisch» zu leiten. Die Suche nach einer geeigneten Nachfolge zählt Hotz bereits jetzt zu seinen Aufgaben, auch er will die Partei vor allem erfolgreich durch die nächsten Wahlen steuern.
Alt und männlich
Zugegeben: Jede Partei hat irgendwann Mühe, die Leitung zu besetzen, das hat wohl mehr mit der Art der Aufgaben als mit der SVP zu tun. Es gibt in Schaffhausen kaum eine Partei, bei der man kein Personal- oder Generationenproblem verorten könnte.
Dennoch ist die erfolglose Suche nach einem Präsidenten oder einer Präsidentin ein deutlicher Hinweis auf ein tiefer liegendes Problem: Die SVP ist besonders alt, und die SVP ist besonders männlich. Dass ein 71-jähiger Politveteran die Leitung übernimmt, ist symptomatisch.
Parteiversammlung am Montagabend: Der grosse Saal im «alten Schützenhaus» ist voll, rund 70 Mitglieder sind gekommen. Der Altersdurchschnitt dürfte gegen 60 sein, die «az» zählt acht Frauen im Saal. Eine von ihnen ist Virginia Stoll, Kantonsrätin, Landwirtin, 54 Jahre alt. Sie sei «zwischen Zucchetti und Rüebli» auch für die Parteileitung angefragt worden, «aber das habe ich nicht so ernst genommen». Die andere SVP-Kantonsrätin, die Steiner Stadträtin Corinne Uhlmann, wurde ebenfalls angefragt, ausserdem zehn bis fünfzehn Männer.
In der 23 Stimmen starken Kantonsratsfraktion sitzen zwei Frauen, in der siebenköpfigen Parteileitung und im dreizehnköpfigen Kantonalvorstand ist Regierungsrätin Cornelia Stamm Hurter die einzige. Bei den letzten Kantonsratswahlen lag der Frauenanteil auf den SVP-Wahllisten bei einem Sechstel.
Nur zwei der acht Frauen an der Parteiversammlung sind unter 45. Zu sagen, man könne die jungen Frauen, die sich in der Schaffhauser SVP engagieren, an einer Hand abzählen, wäre grosszügig.
Das war nicht immer so. Nach den Wahlen 2012 – die Junge SVP erlebte ihren Höhepunkt mit drei Sitzen im Kantonsrat – trat Christian Ritzmann zurück und machte Platz für Barbara Hermann. Mit Manuela Schwaninger zusammen bildete sie eine Mehrheit in der Parlamentsdelegation der Jungen SVP. Mindestens fünf weitere Frauen waren zeitweise Mitglied im Vorstand der Jungpartei – doch heute besteht dieser wieder ausschliesslich aus Männern.
JSVP-Präsident Michael Mundt sagt, zehn bis fünfzehn Prozent der Mitglieder seien weiblich, und wenn sich eine Frau engagieren wolle, werde sie unterstützt. Bürgerliche Anliegen, vermutet Mundt, und auch Pentti Aellig führt dies an, kämen bei jungen Frauen einfach weniger gut an.
Eine Frage der Kultur
Will eine Partei ernsthaft, dass sich Frauen engagieren, muss sie eine Kultur schaffen, in der sich Neumitglieder wohl fühlen. Der SVP scheint dies nicht zu gelingen – nicht mehr.
«Als ich zur SVP kam, gab es einige aktive Frauen, und Rosmarie Widmer Gysel war Präsidentin», erinnert sich Virginia Stoll. Sie steht gemäss einer Auswertung der «az» am linken Rand der SVP, nahe der CVP und wünscht sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Themen wie der Klimapolitik und mit Ideen aus anderen Parteien – das sei wichtig, um Neumitglieder, gerade Frauen, anzusprechen.
Doch bei der SVP, deren Parlamentsfraktion eigentlich sehr breit aufgestellt ist, hat der Pluralismus Grenzen.
Ein unliebsamer Vorstoss
Barbara Hermann war 2012 für die Junge SVP in den Kantonsrat gewählt worden. Kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit hatte sie das Postulat «Sicherheit auf dem Schulweg» eingereicht: «Sinnvollerweise» seien in Schulhausnähe vielerorts 30er-Zonen eingeführt worden, doch diese würden häufig nicht eingehalten. Hermann schlug vor, an Schulwegen häufiger Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen – nicht gerade eine typische SVP-Forderung. «Die ursprüngliche Formulierung rief in unserer Fraktion grossen Widerspruch hervor», sollte JSVP-Kantonsrat Erich Schudel später erklären.
2016 stellte sich Hermann zur Wiederwahl, als Bisherige auf dem ersten Listenplatz der JSVP im Wahlkreis Schaffhausen. Auf dem Wahlflyer der SVP erschien sie aber an dritter Stelle – hinter zwei Männern. Hermann verpasste die Wiederwahl.
Ihr Vorstoss wurde erst in der neuen Legislatur behandelt, als sie nicht mehr im Rat sass. Die Partei änderte den Text ab – mit Einverständnis der Postulantin, wie betont wurde. Nun sollte nur noch geprüft werden, inwieweit die Verkehrssicherheit auf dem Schulweg erhöht werden könne. Von Kontrollen war keine Rede mehr. Schudel sagte: «Das Ziel dieses Postulats ist weder eine zusätzliche Schikane des motorisierten Verkehrsteilnehmers noch ein höheres Bussenvolumen für die Staatskasse.»
Die mehrheitlich älteren SVP-Herren hatten dem Vorstoss einer jungen Frau alle Zähne gezogen. Barbara Hermann ist inzwischen aus der Partei ausgetreten und wollte sich nicht über diese äussern.
Manuela Schwaninger, die 2016 aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wahl antrat, glaubt aber nicht, dass es junge Frauen in der SVP besonders schwer haben: Alle Jungparteien hätten Schwierigkeiten, Leute zu finden, man fühle sich als Frau wohl in der SVP.
«Nur Poltern bringt nichts»
Virginia Stoll hingegen bedauert dass die die SVP heute «nicht nur eine männliche, sondern auch eine alte Partei» sei. «Vielleicht müsste man den Stil etwas ändern, nur Poltern bringt nichts.»
Poltern: Das kann die SVP. Dabei übersieht man leicht, wie selten sie eigene Ideen in den Politbetrieb einbringt. Auf nationaler Ebene sind Volksinitiativen das Erfolgsrezept der SVP, in Schaffhausen hat die Partei seit Beginn der vorletzten Legislatur, also in fünfeinhalb Jahren, nur eine Volksinitiative («Lehrpläne vors Volk») eingereicht. In der gleichen Zeit hat sie nur gerade 13 Vorstösse geschrieben – im Durchschnitt also einen Vorstoss alle fünf Monate. Viel häufiger schreibt die Parteispitze um Sekretär Mariano Fioretti und Walter Hotz wütende Stellungnahmen gegen die Regierung und linke Parteien und hält sich mit empörten Kleinen Anfragen im Gespräch.
Diese Politik ist gemacht von alten Männern, und sie ist kaum geeignet, junge Frauen in die Partei zu holen. Und bis auf weiteres bleibt die Schaffhauser SVP die Partei der alten Männer. Frauen und Junge haben so einen schweren Stand und bleiben der Partei nicht lange erhalten. Ob Walter Hotz der Richtige ist, um dieses Problem anzugehen?