Ein Kommentar von Mattias Greuter zur Funiciello-Karikatur der «SN».
Eine gute Karikatur kann auf einen gesellschaftlichen Missstand hinweisen. Am letzten Samstag haben die «Schaffhauser Nachrichten» bewiesen: Eine schlechte Karikatur kann das auch.
Der Missstand: Sexismus ist überall. Auch in Zeitungsredaktionen, auch in den Köpfen von Karikaturisten.
Die Karikatur: Juso-Präsidentin Tamara Funiciello als hässliche, keifende und BH-schwingende Furie, die sich über Sexismus nur aufregt, weil Männer nicht an ihr interessiert sind. Ein altes antifeministisches Stereotyp, das engagierte Frauen ständig ertragen müssen. Pascal Coffez’ Darstellung trägt exakt die gleiche Botschaft wie die üblen Hasskommentare gegen Tamara Funiciello, die im Internet zahlreich zu finden sind: Die ist nur neidisch, weil hässlich und untervögelt.
Mehr noch: Mit dem Abdruck der echten Handynummer nahmen Coffez und die «SN» in Kauf, die Flut von direkten Beleidigungen und Drohungen noch zu vergrössern, welche über Tamara Funiciello hereinbrach, nachdem sie auf einen problematischen Songtext hingewiesen hatte.
Der Schaffhauser Frauenstammtisch reagierte mit heftiger Kritik, der sich viele Frauen und wenige Männer mit Leserbriefen und Facebook-Posts anschlossen. Mehrere überregionale Medien griffen das Thema auf und baten «SN»-Chefredaktor Robin Blanck um Stellungnahme. Er sah in der Karikatur kein Problem, denn es sei nicht um eine Verunglimpfung von Tamara Funiciello gegangen, sondern um Einmischung der Politik in die Kultur. Er argumentierte mit der Kunstfreiheit und fand sogar den Abdruck der Handynummer in Ordnung, wenn auch nicht nötig, wie er einräumte. Die Krönung von Blancks Verteidigung: Ein Charlie-Hebdo-Vergleich, bei dem er die empörten Feministinnen als «extremistische Kreise» bezeichnete.
Eine Bemerkung vorweg: Natürlich geht es in der Zeichnung auch um die Verunglimpfung von Tamara Funiciello, ihre Darstellung lässt daran nicht den geringsten Zweifel.
Selbstverständlich dürfen Karikatur und Satire grundsätzlich alles. Und selbstverständlich darf man eine sexistische Zeichnung abdrucken; ein Verbot hat auch niemand gefordert.
Ob man sie hingegen drucken will, liegt in der freien Entscheidung der Zeitung. Sie kann sie genauso ablehnen wie eine Kolumne oder einen Leserbrief, denn sie trägt für ihren Inhalt die Verantwortung.
Die «Schaffhauser Nachrichten» haben am letzten Samstag direkt unter einen Kommentar zu den gewalttätigen Auswirkungen von Sexismus eine zutiefst sexistische Karikatur gesetzt. Nicht gegen die Meinungs- und Kunstfreiheit, sondern gegen diese Entscheidung richtet sich die Kritik: Die Redaktion der «Schaffhauser Nachrichten» hat versagt.