Tanz in den Hallen

17. August 2018, Jimmy Sauter
Foto: Peter Pfister
Foto: Peter Pfister

Am Wochenende öffnet der neue Musikclub «Flügelwest» auf dem Kammgarnareal seine Türen. Der Stadtrat will damit unter anderem den Mosergarten entlasten. Ob das funktioniert, ist fraglich.

Luciano Di Fabrizio ist angespannt. Um Fragen zu beantworten, hat er keine Zeit. Ein paar Fotos aus dem Innern seines neuen Clubs lässt er zu, dann wendet er sich wieder dem Computer zu.

Im Erdgeschoss des Kammgarn-Westflügels wird noch gearbeitet. Am Freitag muss der Raum parat sein, dann wird die erste Party in Di Fabrizios neuem Party-Tempel «Flügelwest» gefeiert.

Der Geschäftsführer des Cuba Clubs hat die ehemaligen Garagen von der Stadt für drei Jahre gemietet, um darin unter anderem «Veranstaltungen, Food-Festivals, Flohmärkte und Ausstellungen» durchzuführen, wie es in der Pressemitteilung vom April heisst. Doch nun rennt die Zeit davon. Die «Summer Dream»-Party von Sebastian Waldmeier und Tobias Hunziker soll am Wochenende auf dem Kammgarnhof und im «Flügelwest» über die Bühne gehen. Das war so nicht geplant, sagt Sebastian Waldmeier gegenüber der «az». Der «Summer Dream» fand in den vergangenen Jahren in der Rhybadi statt. Weil die Stadt derzeit überprüft, ob die Statik der Rhybadi den Anforderungen von Grossanlässen noch genügt, mussten die Organisatoren kurzfristig umdisponieren.

Der Mietpreis bleibt geheim
Neben dem bereits eröffneten 1. Stock wird damit auch das Erdgeschoss des Kammgarn-Westflügels wiederbelebt. Das Vorgehen der Stadt in diesem Fall wirft allerdings ein paar Fragen auf.

Die Vermietung der Garagen an Luciano Di Fabrizio verlief im Gegensatz zur Vermietung des 1. Stockwerks fern der Öffentlichkeit. Eine Ausschreibung der Räumlichkeiten fand nicht statt. «Es gibt keine Ausschreibungspflicht», sagt der zuständige Stadtrat Daniel Preisig dazu. Luciano Di Fabrizio sei auf die Stadt zugekommen und habe angefragt, ob er die Garagen mieten könne, ergänzt er. Der Stadtrat hat eingewillt. Darüber, wie viel Luciano Di Fabrizio an Miete zahlen muss, wird geschwiegen. Preisig sagt einzig, es sei ein «angemessener Preis». Und: «Vertragsverhältnisse mit Privatpersonen gehören nicht an die Öffentlichkeit.»

Das war schon anders. Im Mai 2017 gab Daniel Preisig während der Debatte im Stadtparlament Details zur Zwischennutzung des 1. Stockwerks bekannt: Die Stadt verlangt 60 Franken Miete pro Quadratmeter. Das ganze Stockwerk umfasst 1600 Quadratmeter. Nachdem sich die Fraktionen laut Stadtrat «mehrheitlich positiv» äusserten, wurde schliesslich im Juni 2017 ein öffentlicher Informationsanlass durchgeführt. Die Stadt forderte, dass sich ein Verein bildet, der das gesamte Stockwerk mietet und die Weitervermietung koordiniert.

Nun hat der Stadtrat die Hälfte des Erdgeschosses, knapp 800 Quadratmeter, an einen einzigen Mieter vergeben.
Daniel Preisig sagt, die Situation sei diesmal eine andere. «Die Zwischennutzung im 1. Stockwerk ist eine Ausnahme, weil wir dort Spezialkonditionen gewähren. Unter dem Strich verlangt die Stadt nur die Nebenkosten.» Im Gegensatz zu den Mietern des 1. Stocks müsse Luciano Di Fabrizio sämtliche Umbauarbeiten in den Garagen selber bezahlen. Dazu gehört unter anderem die Installation von Toi­lettenanlagen. Ausserdem sei die Vermietung der Garagen für die Stadt «finanziell lukrativer» als jene des 1. Stockwerks.

Insgesamt – von sämtlichen Mietern des Kammgarn-Westflügels – rechnet Preisig mit Einnahmen von 150’000 bis 200’000 Franken pro Jahr. Gleichzeitig betont er, dass der finanzielle Aspekt nicht der Haupttreiber der Vermietungen sei, sondern die Aufwertung des Areals: «Es ist erfreulich, was derzeit rund um das Kammgarnareal entsteht.» Und: Es gebe noch weitere Räume zu mieten. Man könne ihn ungeniert anrufen, meint der Stadtrat.

Konkurrenz für die anderen?
Wie der Club «Flügelwest» zu einer Aufwertung des Kammgarnareals beitragen wird, ist derzeit erst grob abzusehen. Neben dem «Summer Dream» und einer Afterparty am Kammgarn-Hoffest eine Woche später sind gemäss der Facebook-Seite des «Flügelwest»-Clubs und dem Veranstaltungsportal Nordagenda noch keine weiteren Veranstaltungen geplant.

Was kommt danach? Diese Frage stellen sich auch die anderen Konzert- und Partyveranstalter vor Ort, der Verein Kultur im Kammgarn KiK und das TapTab.

Kammgarn-Mitarbeiter Pascal Bührer geht davon aus, dass sich an den Wochenenden künftig mehr Personen auf dem Kammgarnareal aufhalten werden als bisher, «da es sich für Partygänger, die gerne eine Auswahl an Klubs haben, eher lohnt, das Areal zu besuchen».

Inwiefern der «Flügelwest» zu einem grös­seren Besucherandrang für alle ortsansässigen Clubs oder zu einem verschärften Konkurrenzkampf führen wird, sei derzeit noch schwer abzuschätzen. «Ende Jahr werden wir wohl mehr wissen», sagt Bührer.
Gespräche mit Luciano Di Fabrizio hätten bereits stattgefunden, allerdings erst nachdem die Stadt den Deal mit dem Geschäftsführer des Cuba Clubs abgeschlossen hatte. «Es ging in erster Linie um ein Kennenlernen», sagt Bührer. Dabei sei vereinbart worden, dass sich beide Veranstalter permanent über die gegenseitigen Anlässe austauschen. «Grundsätzlich finden wir eine Belebung des Areals begrüs­senswert. Wir waren aber sehr enttäuscht, dass sich der Stadtrat für eine kommerzielle anstelle einer kulturellen/experimentellen Zwischennutzung entschieden hat», ergänzt Bührer.

Gewissermassen wie vor einer Blackbox fühlt sich TapTab-Präsident René Albrecht. «Wir wissen schlicht nicht, was da kommt», sagt er. Aus diesem Grund habe man beschlossen, Luciano Di Fabrizio demnächst an eine TapTab-Sitzung einzuladen. Albrecht würde es begrüs­sen, wenn man sich gegenseitig über das Programm informiere, um zu vermeiden, dass ähnliche Veranstaltungen am gleichen Abend stattfinden. «Grundsätzlich werden wir wie bisher versuchen, ein abwechslungsreiches und spannendes Programm zu bieten, unabhängig davon, was im ‹Flügelwest› geschieht», sagt er.

Grundsätzlich gelten für den neuen Club die gleichen Regeln wie für die anderen in der Ausgehzone: Ab 0.30-Uhr gilt eine Türsteherpflicht. Fest steht jedoch: Im Gegensatz zu den öffentlichen Gassen vor Kammgarn, Taptab, Orient, Cuba Club und Tabaco wird der Bereich vor dem neuen «Flügelwest»-Club nicht mittels Videokameras überwacht. Das bestätigt Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit der Stadt, gegenüber der «az». Eine Ausweitung der Videoüberwachung sei auch nicht geplant.

Unrealistischer Plan
Nicht nur in Sachen Videoüberwachung scheint der Stadtrat noch nicht zu Ende gedacht zu haben, was der neue Club mit sich bringt. Gemäss Medienmitteilung vom April plant die Stadt, «Veranstaltungen vom Freien in die neuen Räumlichkeiten zu verlegen und damit die Lärmproblematik für Anwohnerinnen und Anwohner zu entschärfen». Auf Nachfrage der «az» nennt Daniel Preisig Veranstaltungen, die bisher im Mosergarten stattgefunden haben. «Es ist anzunehmen, dass einige Organisatoren, die bisher Veranstaltungen im Freien gemacht haben, das zusätzliche Raumangebot nutzen werden», sagt Preisig.

Ob die Stadt dieses Verlagerungsziel erreichen kann, erscheint allerdings mehr als fraglich, zumal die Miete für den «Flügelwest» deutlich höher ist:

Gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten» sagte Luciano Di Fabrizio im April, er verlange für seine neue Halle zwischen 1000 und 3000 Franken Miete. Der Mosergarten kostet zwischen 50 und 500 Franken. Selbst Romeo Bettini muss einräumen: Vor diesem Hintergrund werde es schwierig, Veranstalter dazu zu bewegen, vom Mosergarten in den «Flügelwest»-Club zu wechseln, obwohl damit die Lärmbelastung für die Anwohner reduziert werden könnte, «was sicher begrüs­senswert wäre», so Bettini.

Auf die Frage, ob die Stadt Luciano Di Fabrizio Vorgaben gemacht hat, zu welchem Preis er die Halle weitervermieten darf, will sich Preisig nicht äussern.

Christoph Schmid, Geschäftsführer von Radio Rasa, welches seit über zwei Jahrzehnten jeden Sommer das Rasafari-Festival im Mosergarten veranstaltet, winkt bereits ab: Es sei für das Rasa «keine Option», das Festival künftig nach drinnen in den «Flügelwest» zu verlegen.