Preisigs Sauna

26. Juli 2018, Marlon Rusch

Schon als Grossstadtrat kämpfte Daniel Preisig – selbst begeisterter Saunierer – für eine «Wellness-Oase» – in der Rhybadi. Doch das Stimmvolk wollte davon nichts wissen. Jetzt, als Stadtrat, macht er Ernst.

Vielleicht war es ja der Trotz, der aus Grossstadtrat Daniel Preisig sprach, damals, im Hochsommer 2012, nachdem die Stimmbevölkerung die Sanierung und Aufwertung der Rhybadi mit 9’800 zu 3’500 Stimmen bachab geschickt hatte. Damals sagte Preisig, nach der Abstimmung seien Eingriffe bei der Rhybadi kein Thema mehr: «Wenn die Rheinuferaufwertung weitergehen soll, dann oberhalb der Rheinbrücke, etwa beim Salzstadel.»

Obwohl Preisig die Rhybadi aufwerten wollte, war er gegen die Vorlage – sie ging ihm viel zu wenig weit. Was er wollte, hatte er schon zwei Jahre zuvor in ein Postulat mit dem klingenden Titel «Ganzjährig nutzbare Rhybadi: Wellness-Oase mit Munotblick!» geschrieben. Er träumte von Infrarot-Kabinen, von Massageräumen, von privatwirtschaftlichem Engagement. Preisig brennt fürs Finnische Schwitzen, das ist längst stadtbekannt. Und er sagte: «Wellness ist keine Frage der Parteipolitik, Saunafans gibt es in allen politischen Lagern.» Und: «Mit einer Wellness-Anlage könnte die Bilanz des Rhybadi-Sommerbetriebs verbessert werden.» Das Parlament fand die Idee sympathisch. Das Postulat wurde mit 24 zu 8 Stimmen erheblich erklärt. Nun war es am Stadtrat, zu handeln.

Zu diesem Zeitpunkt war die Rhybadi sowieso längst sanierungsbedürftig. Bereits Jahre vor Preisigs Vorstoss wurden zwei Architekten des Architekturforums «sch-ar-f» vom Stadtrat beauftragt, ein Nutzungskonzept auszutüfteln.

Also wurden vier Varianten der Sanierung erarbeitert – von der reinen Sanierung bis zum Ganzjahresbetrieb mit integriertem Wellness-Bereich. Der Stadtrat entschied sich für die Variante «Midi», einen 815’000 Franken teuren Kompromiss. Eine Sauna und Behandlungsräume waren vorgesehen. Aber eben wie bis anhin, irgendwo unter ferner liefen – keine Glaswände im Spitz, kein Munotblick, eben keine richtige Wellness-Oase, wie sie Preisig vorschwebte.

Und: Selbst gegen die Variante «Midi» formierte sich erbitterter Widerstand. Die Unterschriften für ein Referendum um Kantonsrat Matthias Freivogel waren in Windeseile gesammelt. Schliesslich kam es zu besagter Abstimmung, in der klar wurde: die Schaffhauserinnen und Schaffhauser wollen in der 140 Jahre alten Badi keine Experimente.

Nächster Anlauf
Seither floss viel Wasser durch das «älteste Kastenbad der Schweiz». Daniel Preisig ist heute selbst Stadtrat und als Finanz­referent für die städtischen Liegen­schaften zuständig. Auch für die Rhybadi. Und diese Sauna, sie will ihm nicht aus dem Kopf.

Schon als die Stadt die Pacht für die rudimentär sanierte Rhybadi 2016 nach der Pensionierung des langjährigen Bademeisters Bert Schneider öffentlich ausgeschrieben hatte, wurde die Sauna wieder Thema. Von den neuen Pächtern wurde gewünscht, dass sie auch ein Winterkonzept ausarbeiten – «zum Beispiel eine Sauna».

Mit der Rhybadi GmbH, die schliesslich den Zuschlag bekam, ging ein Ruck durch das etwas verstaubte Bad. Seit die jungen Leute das Ruder übernommen haben, kommen mehr Leute, es gibt mehr Kultur, es gibt mehr Leben. In erster Linie jedoch im Sommer.

Im Winter lockten bislang nur vereinzelte Veranstaltungen wie Flohmärkte in die Rhybadi. Mehr Events sind geplant, die neuen Pächter gehen Schritt für Schritt vor und machen damit gute Erfahrungen.

Sie sind nicht verpflichtet, eine Sauna einzurichten. Doch genau das sollen sie jetzt tun.

Kürzlich erschien der neue «Blickfang», das Mitarbeitermagazin der Stadt. Dort schreibt Stadtrat Preisig beiläufig: «Ganz besonders freue ich mich auf die neue Rhybadi-Sauna und hoffe, dass sie für viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser zum neuen Lieblingsort der Entspannung wird.»

Was war passiert?

Ein Versehen, sagt Preisig am Telefon. Den Text habe er bereits im April geschrieben, und damals habe er gedacht, bei Erscheinen des «Blickfang» sei die Sauna in trockenen Tüchern. Nun jedoch sei eigentlich noch nichts spruchreif. Dennoch: Er sei optimistisch, dass das klappe auf die Wintersaison 2018. Nach den Sommerferien wolle er offiziell kommunizieren, schliesslich brauche ein solches Unterfangen Vorlauf. Erstmal würden jetzt gezielt Abklärungen getroffen mit den Betreibern, der Rhybadi GmbH. Mehr könne er derzeit noch nicht sagen.

Gibt es eine Nachfrage?
Die Rhybadi GmbH gibt sich ebenfalls bedeckt. Man befinde sich in Gesprächen mit der Stadt, in ein paar Wochen wolle die Rhybadi-Crew entscheiden, ob sie – zusammen mit der Stadt – für den Winter eine Sauna einrichten werde und könne.

Etwas kommunikativer ist der städtische Sportkoordinator Roger Köppel. Und er sagt schon einleitend: «Diese Sauna hat nichts mit dem zu tun, was die Bevölkerung 2012 nicht wollte.» Es wäre falsch, die beiden Projekte zu verknüpfen. Doch auch Köppel bleibt vage. Er sagt etwa: «In der ersten Saison wollte man niemanden zur Winternutzung zwingen.» Er sagt auch: «Wenn sich die Pächter querstellen, kann man da keine Sauna machen.» Handkehrum formuliert er den Gedanken, dass man den Pachtvertrag der Rhybadi GmbH theoretisch anpassen und in eine reine Sommerpacht umwandeln könnte. Doch das wolle die Stadt eigentlich nicht.

Eines der Grundprobleme des Projekts ist, dass sich das Bad aus vielerlei Hinsicht ganz und gar nicht für eine Sauna eignet. Das bestätigt implizit auch Köppel. Wenn man keine schäbige «Wald-und-Wiesen-Sauna» wolle, werde es sehr schnell sehr teuer. Es bräuchte Umbauten, es bräuchte Baubewilligungen, es bräuchte viel Zeit. Mit den derzeitigen Abklärungen wolle man auch der Frage nachgehen: Lohnt sich das überhaupt?

Finanziell wird es das laut Köppel nicht. Mit einer Sauna lege man ein wenig drauf, sagt er, dafür würde man aber wohl einen grossen Mehrwert bekommen.
So kann man rechnen. Mit der Sauna lässt sich aber sicher kein Sommerbetrieb quersubventionieren, wie es Grossstadtrat Preisig damals vorschwebte.

Der Status quo sieht so aus: Die Stadt will ein Pilot-Projekt lancieren, klein, günstig, und dann erstmal schauen, wie es ankommt. Denn ausser Stadtrat Preisig selbst hat bisher niemand öffentlich den Wunsch nach einer Sauna geäussert.

Gesucht, so Köppel, sei ein Aussenstehender, der unter der Flagge der Rhybadi GmbH diese Sauna betreibt. Die Pächter selber haben dafür offenbar keine Kapazität. Doch die Gespräche seien, wie gesagt, auf gutem Weg.

«Das Ganze klingt nach dem persönlichen Wunsch eines Stadtrats, das ist mir klar», sagt Köppel. «Doch so ist es nicht.»

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Zwängerei in der Rhybadi

Ein Kommentar von Marlon Rusch

Stadtrat Daniel Preisig hat einen Kraftort. «Ich persönlich lade meine Batterien gern bei 90°C auf – bei einem Saunaaufguss», schreibt er in der neusten Ausgabe des «Blickfang», des Mitarbeitermagazins der städtischen Angestellten.

Doch während Hobbys für die meisten Menschen Privatsache sind, macht Preisig seines gerade zum Beruf.

Wenn im kommenden Winter eine Sauna in der Rhybadi steht, was sehr wahrscheinlich ist, geht das eins zu eins auf ihn zurück. Er träumt heute noch genauso von dieser Sauna wie vor sechs Jahren als Grossstadtrat. Doch heute sitzt Preisig in der Exekutive, sogar im richtigen Referat, und hat plötzlich einen viel längeren Hebel.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe durchaus Sympathien für die Idee, in der Rhybadi zu saunieren. Ausserdem bin ich der festen Überzeugung, dass die heutige Rhybadi-Crew fähig wäre, die Idee attraktiv umzusetzen.

Und ich möchte an dieser Stelle auch nicht nochmals ausbreiten, was alles gegen eine Sauna in der Rhybadi spricht. Dieses Thema wurde vor sechs Jahren so ausführlich und so kontrovers diskutiert, dass darüber ein 450 Seiten starkes Buch mit dem Titel «Ja zum Rhybadichnorz» erschienen ist. Seither hat sich nicht viel geändert.

Was irritiert, ist einzig die Rolle von Stadtrat Daniel Preisig.

Von Preisigs Partei haben wir den Begriff «Volkswille» gelernt. Wenn «die da oben» nicht das tun, was das Volk ihnen aufgetragen hat, macht die SVP mobil. Und als 2016 die umstrittene Durchsetzungsinitiative zur Abstimmung kam, sagte Preisig gegenüber der «az»: «Initiativen müssen auch so umgesetzt werden, wie sie vom Volk beschlossen wurden.»

Damals ging es darum, kriminelle Ausländer mit einem Automatismus ausschaffen zu können. Jetzt geht es um eine Sauna. Und Preisig scheint es mittlerweile nicht mehr ganz so wichtig zu sein, was das Volk vor einigen Jahren mit überraschend hoher Mehrheit beschlossen hatte: dass man die historische Rhybadi belassen solle, wie sie ist.

Das Bedürfnis, in der Rhybadi zu saunieren, hat bisher niemand geäussert. Niemand ausser Preisig selber. Und die Kompetenz, in der Rhybadi eine Sauna einzurichten, hat auf dem Papier einzig und allein die Pächterin Rhybadi GmbH. Wenn sie eine andere Idee hat für eine interessante Winternutzung, darf sie diese umsetzen. Die Stadt hat sich bewusst entschieden, das Bad erstmals zu verpachten. Das bedeutet unternehmerische Risiken – aber auch unternehmerische Freiheiten.

Doch nun schreibt Preisig im «Blickfang» höchstselbst, dass in der Rhybadi künftig eine Sauna stehen wird. Er schreibt das, noch bevor die Rhybadi GmbH überhaupt darüber beraten konnte. Das ist schlicht dreist.

Die Sauna wird kommen. Weil Stadtrat Preisig saunieren will. Er ist selbst «einer von da oben» geworden.