Zum 40. Jubiläum wollte die Fassgenossenschaft Innovation. Bekommen hat sie von den jungen Kunstschaffenden des Lindenforums Kreativität in ihrer reinsten Form.
Kommt man in die Jahre, wird das Gemüt in den meisten Fällen sanfter. Vielleicht ist es Einsicht, die ruhigere Tage ins Land ziehen lässt, aber vielleicht auch Absicht, weil man das eben so macht. Obwohl es niemand gerne zugibt.
Gemächlichkeit. Sie hat auch die Fassgenossenschaft erfasst, die dieses Jahr ihr 40. Jubiläum feiert. Fast schon etwas wehmütig schaut man zurück und weiss, dass die stürmischen Zeiten vorbei sind. Schlimm ist das eigentlich nicht, und doch, der Wunsch nach neuer Aufruhr ist da. Zumindest was die Kunst angeht.
Etwas Innovatives, etwas, das alle überraschen sollte. Das war das Ziel der Genossenschaft, erklärt die Lichtdesign-Künstlerin Angelika Dreher, die sich für das Fass auf die Suche nach einem geeigneten Konzept machte: «Zum Jubiläum wollten wir den Blick auch nach vorne richten. Und waren der Meinung, dass es im Fass nicht allzu bequem werden darf», meint Dreher und lacht herzlich. Schliesslich sei ein Geburtstag auch da, um neue Ideen zu präsentieren und vergessene abzustauben. Fündig wurde die Künstlerin beim Lindenforum.
Die Schule für Gestaltung in Lohn bietet Jugendlichen, die vor der Berufswahl stehen, die Möglichkeit, ein Jahr lang gestalterisch zu experimentieren. Was jeweils dabei herauskommt, gleicht einer Wundertüte, deren Inhalt sich an keine Konventionen hält. Für das Fass und seinen Wunsch nach Erfrischung genau das Richtige.
Pure Irritation
So machten sich die Schülerinnen und Schüler ans Werk. Nach einer ersten Besichtigung des Ortes, den sie für sich einnehmen sollten, wurde sechs Monate lang gearbeitet: Schweiss und Tränen flossen in Strömen, Beliebtes wurde zuerst verfolgt, um dann später kläglich verworfen zu werden, die Geduld aller auf die Probe gestellt. Wie sehr sich die Jugendlichen ins Zeug gelegt haben, konnte man an der Vernissage erleben. Typisch verlegen, aber auch ein bisschen stolz standen sie da und stellten ihre Arbeiten vor, die eigentlich für sich sprechen.
Sie schreien sogar. Und das ist gut so. Schrill, bunt, irritierend: Jede Ecke des Hofes und der Beiz wurde aus ihrer alltäglichen Funktionalität herausgerissen und in Beschlag genommen. Zum Beispiel die Toiletten im oberen Stock. Gemütlich soll es sein, finden Jennifer Berger, Lea Frey und Sabrina Forster, die mit «In the Jungle» aus dem Damenklo eine Wohlfühloase gemacht haben. Plötzlich tritt Frau in ein Dickicht aus Blättern ein, das fast jede Sicht versperrt. Wer auf dem stillen Örtchen nach dem Anblick der Schönheit Ausschau hält, muss sich durchkämpfen oder lässt es einfach.
Nebendran bei den Herren gleicht die Toilette einer rosaroten Kaugummi-Blase. Überall sind Poster und Stickers von Boyband- und Popstars zu sehen, sorgfältig komponiert von Maxine Leibacher. Schliesslich geht es bei den Männern ja auch meistens um das Selbstbild, sollen sie sich doch damit auseinandersetzen: «Boys boys boys» so weit das Auge reicht. Werden die Herren der Schöpfung beim Verrichten ihrer Notdurft wohl erröten? Die Provokation ist auf jeden Fall beabsichtigt.
Sie gelingt auch. Zart wie das Lichtspiel «Helios» von Evedin Fejzic, das den Eingang zur Beiz ziert, versteckt wie die Schlangen aus Metall – «for Heaven’s Snake» von Pascal Frei – oder brachial wie der Song «Heavy Listening», von allen eingespielt, ist der Gang durch die Ausstellung eine stetige Überraschung, die die Grenzen der Kunst sprengt und somit reine Kreativität ist.
Subversiv wie zu Anfang
Naiv, punkig und poppig zugleich: Die Jugendlichen – alle zwischen sechzehn und achtzehn Jahre alt – halten sich selbst nicht für Künstlerinnen und Künstler. Sie kümmern sich nicht um Regeln und fragen nicht nach dem Sinn, sondern machen das, worauf sie Lust haben. Eine in der Kunstwelt priviligierte Situation, die manche gestandene Kunstschafferinnen und Kunstschaffer womöglich überfordern würde.
Ihre Arbeit muss keinen Vorgaben und Erwartungen genügen und entspricht deshalb, auch wenn vielleicht nicht bewusst, genau der Subversivität, die das Fass in seinem Ursprung kennzeichnete. Das rüttelt den Ort auf und erfreut auch die Gäste, die sich sichtlich gerne auf der temporären Spielwiese aufhalten. Die Behaglichkeit macht auf jeden Fall Pause. Vielleicht ist es Einsicht oder, wahrscheinlicher, es ist Absicht.
Die Ausstellung des Lindenforums ist in den Räumlichkeiten der Fassbeiz bis am 6. August 2018 zu sehen.