Die Chefs im Schaffhauser Gartenbau zimmerten ohne die Unia einen GAV für die ganze Branche. Nun sagt die Regierung: Die Unia muss Vertragspartnerin werden. Lassen die Chefs den Deal jetzt platzen?
Im Garten des Restaurants «Alter Emmersberg» sitzt Tom Hauser entspannt vor einem Kaffee. Später wird er sich auch noch ein Bier genehmigen. Nicht, weil er einen strengen Arbeitstag als Gärtner hinter sich hat, sondern weil er einen grossen Sieg im Arbeitskampf feiern kann. Heute, fünf Jahre nach dem Gärtnerstreik, gibt der Schaffhauser Regierungsrat ihm, seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern und der Gewerkschaft Unia recht. Ein Gesamtarbeitsvertrag mit anständigen Löhnen wird allgemeinverbindlich erklärt. «Das ist sensationell», freut sich Tom Hauser, eine der zentralen Figuren in der Organisation des Gärtnerstreiks von 2013.
Vor fast genau fünf Jahren traten rund 80 Gartenbauangestellte aus neun Betrieben in den Streik, nachdem die Arbeitgeber Lohnverhandlungen mit ihnen und ihrer Gewerkschaft Unia abgebrochen hatten. Sie forderten höhere Löhne und einen für die ganze Branche im Kanton verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Vor dem Streik betrug der Mindestlohn 3450 Franken im Monat.
Nach fünf Tagen unterschrieben alle bestreikten Chefs eine Vereinbarung, welche den Mindestlohn in ihren Betrieben deutlich auf 4200 Franken anhob. Als mit Stamm Gartenbau der letzte der bestreikten Arbeitgeber, ein grosser Player in der Branche, unterschrieben hatte, war der Streik zu Ende. «Ich habe noch nie so viele Gärtner mit Glückstränen in den Augen gesehen», erinnert sich Tom Hauser im Garten des Alten Emmersbergs – hier, wo damals die Streikzentrale aufgebaut war. Es war ein wichtiger Sieg, doch zu einem GAV kam es nicht – noch nicht.
Das lange Warten
Seither ist die Situation verfahren. Vor allem, weil Matthias Frei, Chef der Frei Gartenbau – Erdbau AG und Präsident der lokalen Sektion des Arbeitgeberverbandes Jardin Suisse, weiterhin partout nicht mit der Unia sprechen wollte.
Die Arbeitgeber streben einen allgemeinverbindlichen GAV an, um das Preisniveau in der Branche vor der Konkurrenz aus Deutschland zu schützen. Aber sie wollen ihn nicht mit der Unia abschliessen: Ihr bevorzugter Sozialpartner ist der weniger offensive Branchenverband «Grüne Berufe Schweiz» (GBS). Jardin Suisse und GBS haben seit dem Ende des Streiks tatsächlich einen GAV verhandelt, der einige Verbesserungen bringt, vor allem einen Mindestlohn von 4000 Franken und etwas mehr Ferien. Dieser Vertrag wurde im Januar 2015 mit dem Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) bei der Schaffhauser Regierung eingereicht.
Ein GAV mit AVE würde bedeuten: Für alle Angestellten, die im Kanton Schaffhausen arbeiten, gelten die vereinbarten Bedingungen, unabhängig davon, ob sie einem der Vertragspartner angehören. Konkret müsste eine Thurgauer oder eine deutsche Gartenfirma den Schaffhauser Mindestlohn zahlen, wenn die Arbeit auf Schaffhauser Boden geleistet wird.
Die Unia, die von Anfang an einen neuen GAV mit AVE gefordert hatte, erhob im Januar 2017 Einsprache und verlangte, als Vertragspartnerin in den GAV aufgenommen zu werden. Die Gewerkschaft akzeptiert die ohne ihr Zutun ausgehandelten Bedingungen, behält sich aber vor, bei späteren Verhandlungen weitere Anpassungen zu fordern. Langfristiges Ziel ist neben einer weiteren Lohnentwicklung die Frühpensionierung in Annäherung an diejenige der Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter.
So weit die Vorgeschichte. Vor einer Woche entschied nach einer langen Ausarbeitungsphase endlich die Schaffhauser Regierung und erklärte den GAV für allgemeinverbindlich. Der Beschluss ist eine Klatsche für Jardin Suisse und gibt der Unia im wichtigsten Punkt recht: «Die Vertragsparteien werden verpflichtet, die Gerwerkschaft Unia als vollwertige Vertragspartei mit allen Rechten und Pflichten aufzunehmen», schreibt der Regierungsrat. Der Beitritt müsse innerhalb eines Jahres realisiert werden, ansonsten wird die AVE aufgehoben.
Sieg für Hauser und die Unia
Jardin Suisse wollte einen Vertrag ohne die unangenehme Unia, doch die Regierung sagt: Ohne Unia keine AVE.
Noch muss der Beschluss vom Bund genehmigt werden, doch das dürfte Formsache sein. Aber: Gegen jeden amtlichen Erlass gibt es Rechtsmittel, auch gegen eine AVE. Innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt des Einschreibens kann beim Obergericht Beschwerde eingelegt werden. Das heisst: Jardin Suisse könnte versuchen, den Beitritt der Unia vor Gericht zu verhindern.
Genau das prüft man bei Jardin Suisse, wie Carlo Vercelli, Geschäftsführer von Jardin Suisse auf gesamtschweizerischer Ebene, auf Anfrage bestätigt. Den Entscheid, ob man vor Gericht ziehe, habe er jedoch nicht zu fällen, sondern die Gartenbauunternehmen des Kantons. Das heisst wohl im Klartext: Es liegt an Matthias Frei.
Frei ist der grösste Gartenbauunternehmer der Region und gibt bei den Schaffhauser Firmen den Ton an. Er verabscheut die Unia und bekräftigte gegenüber der «az» mehrmals, er werde nicht mit ihr an einen Verhandlungstisch sitzen.
Heute will er der «az» keine Auskunft geben, weil er über den Regierungsbeschluss nicht informiert worden sei. Er wurde dem Anwalt von Jardin Suisse Schaffhausen zugestellt, nicht Frei direkt. Die Beschwerdefrist läuft bis zum 27. Juni.
Die Löhne
Der Gesamtarbeitsvertrag, den die Regierung für allgemeinverbindlich erklärt hat, schreibt unter anderem folgende Mindestlöhne und Ferientage vor: 4000 Franken pro Monat (plus 13. Monatslohn) für gelernte und ungelernte Gartenarbeitende, 4350 Franken, wenn ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) vorliegt, 4900 Franken mit EFZ und drei Jahren Berufserfahrung. Gärtnerinnen und Gärtnern stehen fünf Ferienwochen zu, nach dem 50. Altersjahr sechs Wochen.