Seit das Elektrizitätswerk von Thomas Fischer gelenkt wird, macht es regelmässig Negativschlagzeilen. Nun hat es auch noch den grössten Auftrag an den Konkurrenten SH Power verloren. Was ist bloss los beim EKS?
Schon die Bereitschaft zu einem längeren Gespräch deutet auf einen Paradigmenwechsel hin. Eineinhalb Stunden hat Thomas Fischers Medienverantwortliche Juliane Huber im Terminkalender ihres Chefs reserviert. Bis anhin gebärdete sich der CEO der Elektrizitätswerke des Kantons Schaffhausen meist wie ein Igel, wenn Ungemach im Verzug war – Einkugeln, Stacheln ausfahren, nur keine Zugeständnisse machen. Und Ungemach war oft im Verzug. Seit Fischer vor fünf Jahren die Leitung des EKS übernahm, sorgte das Unternehmen, das zu 75 Prozent dem Kanton gehört, immer wieder für negative Schlagzeilen.
Da war 2014 der Tüftler aus Andelfingen, der vollmundig immer wieder neue «Weltrekorde» versprach und für sein neuartiges Windrad vom EKS schliesslich über eine Million Franken bekam. Das Projekt floppte. Da war im selben Jahr die Investition in den Schlierener Sonderleuchtenbauer «Prolux», der dem EKS in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls einen Millionenabschreiber bescherte. Da war das Zerwürfnis mit den Schaffhauser Gebäudetechnikern, nachdem sich das Elektrizitätswerk mit einer dubiosen deutschen Briefkastenfirma zusammengetan hatte, die sich nicht an Schweizer Normen hielt und schliesslich vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat angezeigt wurde. Neustes Kapitel: Der Verlust des grössten EKS-Kunden, der GF in Singen, ausgerechnet an den einzigen Konkurrenten auf dem Plaz Schaffhausen: an SH Power.
Raus aus der Igelburg
Klopfte man nach solchen Meldungen jeweils beim EKS an und wollte dem Mann, der als CEO die Hauptverantwortung für diese Entscheidungen trägt, Fragen dazu stellen, kam man meist nur bis zu Juliane Huber. der schroffsten Pressesprecherin weit und breit. 2017 wurden mehrere Interviewanfragen der «az» abgewiesen. In den ausschliesslich schriftlich beantworteten Fragen wurden gerade die Fehler eingestanden, die ganz eindeutig nachgewiesen waren. Alles andere wurde vehement abgestritten.
Und nun sitzt man also plötzlich bei einem gut gelaunten Thomas Fischer im ausladenden Büro, lässt sich zum Einstieg die jahrhundertealte Geschichte des Gebäudekomplexes an der Rheinstrasse erklären und ist zum Ende überrascht, dass dieser Fischer in Absprache mit der Pressesprecherin sagt, nein, er wolle seine Zitate nicht gegenlesen, er habe das Gefühl, sein Gegenüber gehe seine Berichterstattung gewissenhaft an.
Was war da passiert? Was hat Fischer aus seiner Igelburg getrieben? Am Tag des Treffens schrieb der ehemalige Stadtpräsident Marcel Wenger in einem Leserbrief in den «SN», es sei «Zeit für einen Chefwechsel». Hat Fischer gemerkt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, wo er nicht mehr alle Kritik aussitzen kann?
Der erste Eindruck sagt: Fischer ist der Typ Mann, mit dem man gern nach Feierabend noch ein Bier trinken geht. Lockerer Umgang, lockere Körperhaltung, gesundes Selbstbewusstsein. Das Handgelenk eingefasst von einer dicken Uhr, Manschettenknöpfe. Mitten in den Negativschlagzeilen wurde an der Bilanzmedienkonfernz vor zwei Wochen bekannt, dass der Lohn der vierköpfigen Geschäftsleitung um sieben Prozent auf 1,2 Millionen Franken angestiegen ist.
Vielleicht sind es solche Details, die in den Köpfen der Steuerzahler hängenbleiben und sich mit den tatsächlichen Fehlinvestitionen zu einem Gemisch zusammenbrauen, das Regierungsrat und EKS-Verwaltungsratspräsident Martin Kessler an der Bilanzmedienkonferenz «ramponiertes Vertrauen» nannte.
Vielleicht fehlt es diesem Mann, der die Fäden in der Hand hält, an Fingerspitzengefühl.
Für den Imageverlust des EKS gebe es viele Erklärungen, so Fischer.
Eigenes Versagen befindet sich nicht darunter.
Er selbst sagt: «Vielleicht spreche ich einfach den falschen Dialekt.» Thomas Fischer stammt ursprünglich aus Bamberg in Bayern, und neben dem Dialekt hat er auch die deutsche Direktheit mit über die Grenze gebracht. Er ist beileibe nicht der einzige Chef, der deswegen aneckt. Kritiker sprechen von einer «Gutsherrenart».
Für den Imageverlust, so Fischer, gebe es aber noch verschiedene Erklärungen. Gleich vorweg: Eigenes Versagen befindet sich nicht darunter. Schliesslich schütte das EKS unter seiner Ägide jedes Jahr Millionen Franken an Steuern und Dividenden an den Kanton aus. Der Wert des Unternehmens habe sich um 30 Prozent erhöht, der Strompreis für die Kunden sei substanziell reduziert worden. Nun aber werde das EKS «wegen Kleinigkeiten durch die Presse geschleift».
Man müsse, so Fischer, die grossen Entwicklungen im Auge behalten. Der Energiebereich sei lange Zeit ein ruhiges Fahrwasser gewesen, jetzt aber kämen Turbulenzen. Konkret: die Strommarktliberalisierung. Darauf müsse ein Unternehmen wie das EKS vorbereitet sein mit neuen Geschäftsfeldern. Fischer spricht von «berechenbaren Risiken», die es einzugehen gelte. Und er sagt, er kenne keinen einzigen Chef eines Energieversorgers, der konfliktfrei geblieben sei.
Das klingt kämpferisch, das klingt nach Aufbruch. Und er hat damit sicher nicht unrecht. Plausible Erklärungen für die einzelnen Risiken, die er einging und damit hart auf dem Boden aufschlug, vermag Thomas Fischer aber keine zu geben.
Wieso investiert das Elektrizitätswerk, das 109 Mitarbeiter beschäftigt, viele davon ausgewiesene Spezialisten, eine Million Franken Steuergelder in eine neuartige Turbine eines Tüftlers, der nach wenigen Minuten Gespräch von sich behauptet, die Grenzen der Physik überwinden zu können? Könnte es sein, dass unter der Führung Fischer beim EKS die Kader entscheiden und über die Expertenmeinungen hinwegsehen? Natürlich, wäre das neuartige Leichtwindrad durch die Decke gegangen und hätte sich international verkaufen lassen, hätte Fischer einen phänomenalen Coup gelandet. Nur war es eben ziemlich absehbar, dass dem nicht so sein wird.
Die Sache in Stein am Rhein
Fischer ist kein Mann vom Fach. Der 50-Jährige ist gelernter Industriekaufmann und studierter Master of Business Administration (MBA). Seine Karriere begann er als Geschäftsführer des Brillengläser-Produzenten «Knecht & Müller» in Stein am Rhein, bevor er 2013 EKS-CEO wurde. Es sei schon zu Beginn seines Engagements in Stein am Rhein klar gewesen, dass er wieder gehen würde, wenn die Kinder des scheidenden Patrons Peter Müller bereit sein würden, den Betrieb zu übernehmen. So Fischers Version.
Insider jedoch bestätigen das Gerücht, das Familienunternehmen habe sich von Geschäftsführer Fischer trennen müssen. Fakt ist: Nach seinem Abgang musste der zurückgetretene Patron Peter Müller als Geschäftsführer zurückkommen, weil seine Kinder noch nicht so weit waren, den Betrieb selbstständig zu führen.
Zu diesem Zeitpunkt war Fischer bereits Verwaltungsrat der EKS AG. Und Präsident der Natur- und Umweltkommission der einflussreichen Industrievereinigung (IVS). Er verkehrte bereits in den richtigen Kreisen, da war der Schritt zum EKS-CEO nicht mehr weit. «Energie und Nachhaltigkeit haben mich schon immer interessiert», sagt Fischer glaubhaft.
Doch ist er denn eigentlich selbst zufrieden mit seinem Job? Zum Ende des Gesprächs giesst der CEO sein Dilemma in einen Satz: «Vielleicht war es falsch, uns zur AG zu machen, aber das ist nicht unsere Schuld.» Er meint: Einerseits werde vom ihn verlangt, dass er unternehmerisch denke und dem Hauptaktionär, dem Kanton, Gewinn abliefere. Andererseits aber werde seine AG als Staatsbetrieb wahrgenommen. In den Markt mit Photovoltaik-Anlagen und somit in die Konkurrenz mit den lokalen Gebäudetechnikern sei er faktisch vom Kanton gedrängt worden.
Diese sagen: Man hätte zusammenarbeiten können, Fischer aber habe nicht gewollt. Die Fronten sind verhärtet. Schliesslich folgte die breit diskutierte Zusammenarbeit mit einer deutschen Briefkastenfirma, die im Auftrag des EKS Dutzende Schaffhauser Hausdächer mit Photovoltaik-Anlagen versah – und dabei ordentlich pfuschte. Alle wollten Kosten sparen. Jetzt drohen Bussen im sechsstelligen Bereich, die das EKS berappen dürfte – die deutsche Firma wurde unter anderem Namen schon 2014 das erste Mal wegen Insolvenz aufgelöst, seither wurde sie mehrfach betrieben. Fischer sagt: «Wir sind nicht angeklagt, von einer Busse ist mir nichts bekannt.» Rückstellungen sind im Budget 2018 nicht enthalten. Dabei gilt in der Schweiz die Subunternehmerhaftung. An der Bilanzmedienkonferenz sprach Fischer über den «Vorgang mit Gebäudetechnikern» ganze zwei Sekunden.
Ein Blitzableiter?
Die SP-Fraktion des Kantonsrats hat genug von den fragwürdigen Händeln des EKS und plant einen parlamentarischen Vorstoss. Der Verwaltungsrat, vor allem Regierungsrat Martin Kessler, solle seine Aufsichtspflicht besser wahrnehmen. Dieser stellt sich hinter Fischer, sagt, der CEO sei der «Blitzableiter» für einen Sturm, der mit den Umwälzungen im Strommarkt strukturelle Gründe habe. Fischer selbst sagt, der Verwaltungsrat sei bereits heute ein «guter Sparringpartner» für die Geschäftsleitung und keinesfalls ein Abnickergremium.
Zum Schluss lässt sich Fischer zu einem gewagten Statement hinreissen: «Mein Problem ist, dass ich meinen Job richtig mache und alle glauben, ich mache ihn falsch.» Er meint es – offensichtlich – nicht ganz ernst. Er lacht.
Aber vielleicht meint er es eben doch ernst. Und vielleicht ist er bloss Wunschdenken, der Paradigmenwechsel.
Pressesprecherin Juliane Huber, die dem Gespräch beiwohnt, fragt zwischendurch rhetorisch, wer denn nun mehr Volksvermögen verbraten hätte – das EKS oder die Medien mit ihrer negativen Berichterstattung.
Schuld sind beim EKS am Ende eben immer noch die anderen.