Die SP Neuhausen ist einstimmig für die Zusammenführung von VBSH und RVSH. Die SP Stadt lehnt die Busfusion ohne Gegenstimme ab. Der VPOD kann sich nicht entscheiden. Warum ist die Linke so gespalten?
Die Fusion von zwei Busbetrieben. Nicht gerade der Stoff, um Teenager mit Politik anzufixen. Und auch ganz allgemein offenbar kein Gassenhauer. Obwohl es nicht zuletzt um die Anstellungsbedingungen von rund 200 Schaffhauser Buschauffeuren geht, fanden am Montagabend keine 20 Interessierte den Weg in die viel zu grosse Rathauslaube. Hierhin hatte die Gewerkschaft VPOD zum Fusionspodium geladen.
Auf dem Podium sass ein offensiver, etwas dogmatischer Christian Ulmer von der SP Stadt, der die bevorstehende Herauslösung der städtischen Chauffeure aus dem Personalrecht verteufelte. Neben ihm, und von Anfang an in der Defensive: Daniel Preisig. Doch der SVP-Stadtrat und Lieblingsgegner der städtischen Linken konnte Ulmers Pressing bis zum Schluss einigermassen unbeschadet standhalten. Der VPOD entschied sich an der anschliessenden, familiären Versammlung jedenfalls für eine Stimmfreigabe.
Was ist da los? Und warum hat sich die SP Neuhausen vor wenigen Tagen geschlossen für eine Vorlage ausgesprochen, die die SP Stadt vehement bekämpft? Bastelt da eine aufrührerische Sektion – man erinnere sich an Daniel Borers medienwirksames Communiqué im Dezember 2017 – weiter an ihrem Bad-Boy-Image innerhalb der Kantonalpartei?
Wohl kaum. Die Gründe für die Spaltung der Linken dürften weit profaner sein. Es geht, im weitesten Sinne, um Solidarität.
Wer ist «wir»?
Christian Ulmer sagte während des Podiums zu Stadtrat Daniel Preisig, dieser habe eigentlich eine «super Vorlage» ausgearbeitet, nur sei sie «völlig sinnlos».
Doch «sinnlos» für wen?
Zur Fusion eines städtischen und eines kantonalen Unternehmens gibt es auch zwei Vorlagen, eine in der Stadt und eine im Kanton. Und bereits zu Beginn der Debatte (siehe «az» vom 16. November und vom 15. Februar) tönte der Regierungsrat an, dass er gewillt sei, die Konzessionen für die heutigen RVSH-Linien künftig auszuschreiben und an den günstigsten Anbieter zu vergeben, falls es nicht zum Zusammenschluss kommen sollte.
Doch würde sich der Kanton damit nicht in erster Linie selber schaden? Schliesslich profitieren die Landgemeinden heute stark von der Verzahnung der beiden Betriebe. Nicht auszudenken, welcher Shitstorm auf Regierungsrat Kessler einprasseln würde, vergäbe er die Konzessionen der RVSH an die Südbadenbus und die Leistungen brächen ein, wie derzeit die Zugstrecke Schaffhausen–Thayngen–Singen, die seit Kurzem von der DB Regio betrieben wird.
Nichtsdestotrotz sagt Daniel Preisig, die Gefahr, dass sich der Kanton von der VBSH trenne, sei «real». Es ist ein Szenario, das der Stadt und dem Kanton schaden würde.
Der Stadtrat brachte auf dem Podium viele Argumente für die Fusion ein. Die meisten jedoch zeigen vor allem, dass die Fusion aus städtischer Sicht keine Verschlechterung bedeutet. Markante Verbesserungen jedoch fehlen in seiner Argumentation ebenso – aus Sicht der Stadt.
Doch Preisig scheint – im Gegensatz zu Ulmer – nicht nur für die Stadt zu denken: «Der Kanton ist nicht unser Feind!»
Aus der Optik des Kantons dürfte die Fusion weitgehend unbestritten sein. Das Gesamtpaket stimmt. Und mit dem Gesamtpaket argumentiert auch die SP Neuhausen.
Ihr Vorstandsmitglied Daniel Borer sagt gegenüber der «az», die Stadt müsse sich auch ein Stück weit «integrativ» zeigen. «Die Stadt muss Verantwortung übernehmen, und eigentlich sollte sie sich freuen, wenn sie als Eigentümerin des fusionierten Busbetriebs an Einfluss gewinnt.» Dass nicht mehr der Kanton, sondern die Stadt in die Kritik geraten würde, wenn etwa die Landgemeinden mit ihrem Busbetrieb nicht einverstanden sind, lässt er als Argument nicht gelten: «Die Stadt muss es auch aushalten, mit ihrer Verantwortung in die Kritik zu kommen.»
Schadet die Fusion der Stadt?
Christian Ulmer sagt, die Fusion nütze der Stadt nichts. Aber muss sie ihr deshalb schaden?
Ulmers Kernargument ist die Angst um die Arbeitsbedingungen der 160 Chauffeure der VBSH, die künftig nach Obligationenrecht angestellt sein würden: «Es wäre ein Frevel, sie aus dem Personalrecht rauszunehmen», warnt er. Der VPOD, eigentlich die Stimme der Chauffeure, scheint weniger skeptisch zu sein. Ihr Regionalsekretär Kurt Altenburger sagt, die Chauffeure seien mit dem Gesamtarbeitsvertrag zufrieden, den der VPOD mit der Stadt ausgehandelt habe. Erstritten, müsste man wohl sagen. Die Verhandlungen waren hart, in mehreren Runden wurden der Stadt Zugeständnisse abgerungen.
Ulmer gibt sich damit nicht zufrieden. Was wird dereinst sein? «Wir gehen in eine Fusion, ohne Not und ohne Rechtssicherheit.» Und damit folge man einem liberalen Trend, hin zur Verselbstständigung von immer mehr staatlichen Unternehmen.
Der innerlinke Zwist ist einerseits einem Stadt-Land-Graben geschuldet. Es überrascht nicht, dass die Neuhauser die Fusion befürworten, sie haben im Gegensatz zur Stadt nichts zu verlieren. Zum andern ist der innerlinke Deutungskampf um die Busfusion schlussendlich aber auch ein Kampf der Paradigmen. Die beiden Lager werden wohl nicht zufällig vom strammen Linken Ulmer und vom liberalen Borer vom rechten SP-Flügel vertreten.