Nachdem der Regierungsrat die Variante «Pädagogosche Hochschule in der Kammgarn» erst noch strikt abgelehnt hat, kann er ihr nun plötzlich «Charme» abgewinnen. Doch reicht das für einen neuen Bildungscampus?
Es war nur ein Satz, und er war alles andere als konkret. Und doch könnte Baudirektor Martin Kessler mit dem schwammigen Einzeiler so etwas wie einen Paradigmenwechsel angekündigt haben: «Der Regierungsrat spricht der Variante PH in der Kammgarn nicht allen Charme ab», sagte er am Montag im Kantonsrat bei der Beratung des Postulats «Pädagogische Hochschule in die Kammgarn».
Bildungsdirektor Christian Amsler sass still daneben. Viel Schelte musste er schon einstecken für seine Idee, die PH auf den Geissberg zu verlegen und im ehemaligen Pflegezentrum ein Bildungszentrum zu etablieren. Der Kantonsrat schickte Amslers Vorlage vor einem Jahr zurück an den Absender, von links bis rechts war das Parlament dagegen. Das änderte aber vorerst nichts an der Tatsache, dass die Idee, die Hochschule im Westflügel der Kammgarn unterzubringen, für den Regierungsrat keine Option war.
Amsler wollte dann auch auf Anfrage der «az» nicht erklären, warum der Regierungsrat plötzlich umzuschwenken scheint. Das Geschäft liege bei Kessler. Doch auf die Nachfrage, ob er als Kritiker der Variante PH in der Kammgarn nicht doch eine Stellungnahme abgeben wolle, platzte es plötzlich aus Amsler heraus: Dass er als Kritiker assoziiert werde, bringe ihn «gelinde gesagt doch gleich etwas auf die Palme». Das Gegenteil sei der Fall. Der Lösung könne er «durchaus viel Charme abgewinnen». Er sei es auch gewesen, der Baudirektor Kessler und Stadtpräsident Peter Neukomm an einen Tisch gebracht habe, um in der Frage endlich einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Es riecht jetzt sogar schon eindeutig nach Paradigmenwechsel.
Gleich vorweg: Das Postulat von GLP-Kantonsrat René Schmidt, die Regierung solle mit dem Stadtrat abklären, ob die PH in die obersten zwei Stockwerke der Kammgarn West einziehen könnte, wurde vom Parlament mit 35 zu 15 Stimmen als erheblich erklärt. Ein starkes Zeichen, die Linken waren praktisch geschlossen dafür, und auch viele Bürgerliche befürworten die Idee. Als die Bildungszentrum-Vorlage vor einem Jahr versenkt wurde, war es SVP-Präsident Pentti Aellig, der die Idee von der PH in der Kammgarn ins Gespräch brachte.
Der Stadtrat auf der anderen Seite des Verhandlungstischs würde die Pädagogische Hochschule mit Handkuss in der Kammgarn ansiedeln. In den obersten beiden Stockwerken gibt es Platz, der mit der PH optimal genutzt werden könnte. Der Stadtrat sieht diverse mögliche Vorteile für die PH und das Areal.
Und nun äussert sich erstmals auch die Pädagogische Hochschule selbst zu den Plänen. Rektor Thomas Meinen sagt auf Anfrage, die Vorstellung einer PH in der Kammgarn sei interessant. So könnte ein Campus entstehen, mit Synergien, etwa zwischen den Bibliotheken und dem didaktischen Zentrum der PH. «Für die Pädagogische Hochschule könnte das attraktiv sein.» Dieses Votum darf nicht unterschätzt werden, auch wenn es noch sehr vorsichtig daherkommt, Meinen würde sich kaum trauen, Bildungsdirektor Amsler öffentlich in den Rücken zu fallen.
Der Schwarze Peter Geissberg
Herrscht nun also heiter Einigkeit? Ist der Campus am Rhein schon bald Tatsache? So einfach ist es nicht. Denn der Kanton hat ein paar Probleme. Eines ist das ehemalige Pflegezentrum auf dem Geissberg.
Das Gebäude steht derzeit leer und ist nur eingeschränkt nutzbar, da das Land praktisch nicht umgezont werden kann.
Man ist sich zwar einig, dass der Standort für die PH weniger attraktiv wäre, doch der Kanton kann das riesige Gebäude nicht einfach leer stehen und vermodern lassen. Und obwohl der Kantonsrat die Bildungszentrum-Vorlage abgelehnt hat, ist die Option PH auf den Geissberg beim Regierungsrat offenbar noch nicht abschliessend vom Tisch. Sie würde auch der kantonalen Immobilienstrategie entsprechen.
Ein grosser Vorteil des ehemaligen Pflegezentrums wäre, dass sich die Liegenschaft bereits im Besitz des Kantons befindet, es müsste also für die PH keine Miete bezahlt werden.
Derzeit bezahlt der Kanton jährlich 640’000 Franken für die PH-Gebäude im Ebnat – eine eigentlich unbefriedigend teure Lösung. Doch der Regierungsrat befürchtet, dass eine noch höhere Miete fällig wäre, wenn die PH in die Kammgarn umziehen würde. Und dies wäre für den Regierungsrat gemäss eigenen Aussagen ein No-Go.
Die Stadt will sich nicht in die Karten blicken lassen. Im Vorprojekt rechnet sie mit rund 900’000 Franken Mieteinnahmen für die obersten beiden Stockwerke und die kleinräumige Vermietung im EG und dem 1. Obergeschoss sowie den Gastronomiebetrieb. Wie sich das verteilen soll, bleibt unklar.
Eine weitere Option wäre, dass der Kanton die beiden Stockwerke von der Stadt nicht mietet, sondern kauft oder mit einer eigenen Liegenschaft abtauscht. Etwa mit dem Zeughaus auf der Breite. Doch auch da hat der Reigerungsrat verschiedene Vorbehalte.
Ausserdem, so Kessler, bestehe gar kein Handlungsbedarf. Derzeit gebe es für die Pädagogische Hochschule eine «gut funktionierende Mietlösung».
Machtkampf
Was Kessler nicht explizit sagt, was aber durchaus durchschimmert: es geht hier auch um Macht. Der Regierungsrat weiss, dass sich die Stadt die PH in der Kammgarn wünscht und dass die PH ein Mehrwert für die städtische Liegenschaft wäre. Und jetzt versucht die Stadt, ihren Wunsch detailgetreu umzusetzen – und der Regierungsrat müsste unterwürfig nachziehen, obwohl er die PH am liebsten auf dem Geissberg gesehen hätte und obwohl der Umzug in die Kammgarn nicht in die kantonale Immobilienstrategie passen würde.
Kesslers Argument, dass es derzeit eine «gut funktionierende Mietlösung gibt», klingt angesichts der Geissberg-Vorlage, die vor einem Jahr abgelehnt wurde, etwas gesucht. Damals schrieb derselbe Regierungsrat, die Aufteilung der Schulräume auf zwei Standorte sei «didaktisch und betrieblich nicht optimal», die Betriebskosten seien «überdurchschnittlich», zufällige Begegnungen fänden «zu selten statt», es fehlten Aussenräume.
Fast alle Punkte, die für das Bildungszentrum auf dem Geissberg gesprochen hätten und Eingang in die Vorlage fanden, könnte man praktisch eins zu eins für die PH in der Kammgarn übernehmen.
Stadtpräsident Peter Neukomm sagt, kommende Woche werde sich der Stadtrat auf die Verhandlungen mit dem Regierungsrat vorbereiten. Kurz vor oder nach den Frühlingsferien sollen die Treffen dann stattfinden. In der Ratsdebatte sagte Neukomm, für die Stadt habe die Variante «mehr als Charme». Man darf davon ausgehen, dass die Stadt bereit ist, beim Miet- oder Verkaufspreis einige Konzessionen einzugehen, um die PH ansiedeln zu können. Oder ein attraktives Tauschangebot macht.
Dann wäre der Kanton am Zug, und es würde sich die Frage stellen, ob auch der Regierungsrat bereit ist, einen Schritt entgegenzukommen.
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Der Stadtrat hat grosse PläneAm Montag stellte der Stadtrat Pläne vor, wie er das Kammgarnareal entwickeln möchte. Der Umbau würde nicht billig, der Stadtrat rechnet mit Investitionen von 34 Millionen Franken. Dafür sollen die Kammgarn West und der Hof gemeinsam neu bespielt werden. Wenn tatsächlich alles so klappt, wie es präsentiert wurde, würde das Kammgarn-Areal stark attraktiviert. Es würde zu einem modernen Bildungs- und Kulturzentrum an guter Lage.
Die rund 100 Parkplätze sollen in den Untergrund verlegt werden. Die IWC würde rund die Hälfte der Parkplätze übernehmen und rund die Hälfte der Tiefgarage bezahlen. Der heutige Parkplatz wird neu gestaltet, geplant sind eine Gründfläche, eine Veranstaltungsfläche und ein Infrastrukturbau. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss sollen die Bibliothek Agnesenschütte sowie die Ludothek einziehen. Die heutige Agnesenschütte stösst hart an ihre Grenzen, geplant ist ein «Informationshub» und Begegnungsort, mit grosszügigen Räumlichkeiten, der die Bibliothek fit für die Zukunft machen soll. Daneben ist ein Gastro-Angebot geplant, das die Kammgarn-Beiz ergänzen soll. Und schliesslich sollen sich Start-ups und Ateliers hier ansiedeln. Explizit wurde in den Raum gestellt, dass die Zwischennutzer, die derzeit am Einziehen sind, unter Umständen bleiben können.
Das 2. Obergeschoss soll für 4,9 Millionen Franken an die Sturzenegger Stiftung verkauft werden. Diese will das Stockwerk für eine weitere Million ausbauen und dem Museum zu Allerheiligen ermöglichen, seine Dauerausstellung Natur zu erneuern, zu erweitern und die Halle für Sonderausstellungen zu nutzen.
Im 3. und 4. Obergeschoss denkt der Stadtrat derzeit in Varianten. Variante 1 wäre der Einzug der Pädagogischen Hochschule. Variante 2 eine Vermietung an innovative Unternehmen zu Marktpreisen.
Das Papier, das der Stadtrat diese Woche präsentiert hat, ist erst ein Vorprojekt. Das Parlament müsste in einem ersten Schritt 300’000 Franken sprechen, damit der Stadtrat detaillierte Abklärungen machen könnte, die in eine Rahmenkreditvorlage fliessen würden. 2019 würde dann das Volk befragt werden. Einweihung feiern könnte das neue Zentrum voraussichtlich 2023.
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